Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский
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Название: Gesammelte Werke von Dostojewski

Автор: Федор Достоевский

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204205

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СКАЧАТЬ zu seinem höchsten Erstaunen die Stimme seiner Wirtin. Sie heulte, winselte und jammerte, wobei sie die Worte so eilig und hastig hervorstieß, daß sie nicht zu verstehen waren; sie flehte um etwas, doch wohl, daß man aufhören möchte, sie zu schlagen; denn sie wurde ganz unbarmherzig auf der Treppe geprügelt. Die Stimme des Schlagenden war von Ingrimm und Wut so schrecklich entstellt, daß sie nur wie ein heiseres Röcheln klang; aber trotzdem redete auch er immerzu etwas und ebenso schnell, unverständlich, hastig und halb erstickt wie die Wirtin. Plötzlich fing Raskolnikow an wie Espenlaub zu zittern: er hatte diese Stimme erkannt: es war Ilja Petrowitschs Stimme. Ilja Petrowitsch war da und schlug die Wirtin! Er stieß sie mit den Füßen, er stieß ihren Kopf gegen die Stufen – das hörte man ganz deutlich an dem Geräusch, an dem Geheul, an dem Aufschlagen! Wie ging das zu? Hatte sich die Welt umgedreht? Man hörte, wie sich in allen Stockwerken eine Menge Menschen auf der Treppe ansammelte; Stimmen wurden laut, Ausrufe ertönten; es war ein Gelaufe und Herumtrampeln; Türen wurden zugeschlagen; alles rannte zusammen. ›Aber was hat sie nur getan? Was hat sie nur getan? Und wie ist so etwas nur möglich?‹ fragte er sich und glaubte allen Ernstes, daß er verrückt geworden sei. Aber nein doch, er hörte alles nur zu deutlich! … ›Also, wenn’s so ist, werden sie im nächsten Augenblick auch zu mir kommen; denn … jedenfalls ist das alles wegen derselben Sache … wegen der gestrigen Sache, … o Gott!‹ Er dachte daran, die Tür zuzuriegeln; aber er vermochte den Arm nicht zu heben, … und es wäre ja auch nutzlos gewesen. Die Angst legte sich auf seine Seele wie ein Eisklumpen; sie peinigte ihn und machte ihn ganz starr. Aber siehe da, nachdem dieser entsetzliche Lärm wohl zehn Minuten gedauert hatte, wurde er endlich allmählich schwächer. Die Wirtin stöhnte und ächzte nur noch, Ilja Petrowitsch aber drohte und schimpfte noch immer. Nun schien auch er ruhiger zu werden; jetzt hörte man ihn gar nicht mehr. ›Sollte er wirklich weggegangen sein? O Gott!‹ Ja, nun ging auch die Wirtin fort, immer noch unter Stöhnen und Weinen, … jetzt schlug auch die Tür zu ihrer Wohnung zu … Nun gingen die Menschen, die auf der Treppe gewesen waren, auseinander und begaben sich in ihre Wohnungen; man hörte noch erregte Ausrufe, sie stritten sich, riefen einander zu; bald steigerten sie ihre Wechselrede bis zum Geschrei, bald ließen sie sie zum Geflüster herabsinken. Es mußten wohl sehr viele Leute dagewesen sein; gewiß war beinahe das ganze Haus zusammengelaufen. ›Aber mein Gott, ist denn das alles möglich? Und warum, warum war er hierhergekommen?‹

      Raskolnikow fiel kraftlos auf das Sofa zurück; aber er konnte die Augen nicht mehr schließen; etwa eine halbe Stunde lang lag er so da, in einem so qualvollen Zustande und in einem so unerträglichen Gefühle grenzenloser Angst, wie er das noch niemals durchgemacht hatte. Auf einmal erhellte ein greller Lichtschein sein Zimmer: Nastasja kam mit einem Lichte und mit einem Teller Suppe herein. Sie blickte ihn aufmerksam an, und als sie sah, daß er nicht schlief, stellte sie das Licht auf den Tisch und ordnete daneben, was sie mitgebracht hatte: Brot, Salz, einen Teller und einen Löffel.

      »Du hast gewiß seit gestern nichts gegessen. Treibst dich den ganzen Tag herum, wo du doch Fieber hast!«

      »Nastasja, warum hat die Wirtin Schläge bekommen?«

      Sie sah ihn mit einem prüfenden Blicke an.

      »Wer hat denn die Wirtin geschlagen?«

      »Jetzt eben, … vor einer halben Stunde, hat es Ilja Petrowitsch getan, der Stellvertreter des Revieraufsehers, auf der Treppe … Warum hat er sie so geschlagen, und warum ist er überhaupt hergekommen?«

      Nastasja betrachtete ihn schweigend und mit gerunzelter Stirn; so sah sie ihn lange an. Ihm wurde ihr forschender Blick unangenehm, ja geradezu beängstigend.

      »Nastasja, warum antwortest du nicht?« fragte er zuletzt schüchtern und mit schwacher Stimme.

      »Das kommt vom Blute«, erwiderte sie endlich leise, wie wenn sie zu sich selbst spräche.

      »Blut? … Was für Blut?« murmelte er. Er wurde ganz blaß und rückte an die Wand.

      Nastasja blickte ihn immer noch schweigend an.

      »Niemand hat die Wirtin geschlagen«, antwortete sie dann in scharfem, entschiedenem Tone.

      Er sah sie an und konnte kaum Atem holen.

      »Ich habe es doch mit eigenen Ohren gehört, … ich habe nicht geschlafen, … ich habe aufrecht gesessen«, entgegnete er noch schüchterner. »Ich habe es lange mit angehört. Der Stellvertreter des Revieraufsehers war gekommen. Es war ein großer Auflauf auf der Treppe, die Leute aus allen Wohnungen …«

      »Kein Mensch ist hergekommen. Das ist das Blut, das in dir herumtobt. Wenn das keinen Ausweg hat und zu Klumpen gerinnt, davon kommt dann solch unsinniges Gerede … Willst du nicht etwas essen?«

      Er antwortete nicht. Nastasja stand noch immer neben ihm, blickte ihn unverwandt an und ging nicht weg.

      »Gib mir zu trinken, liebe Nastasjuschka!«

      Sie ging nach unten und kam nach zwei Minuten mit Wasser in einem weißen Tonkruge zurück; aber was weiter vorging, daran konnte er sich später nicht mehr erinnern. Er erinnerte sich nur, wie er einen Schluck kaltes Wasser aus dem Kruge geschlürft und sich dabei die Brust begossen hatte. Dann hatte er die Besinnung verloren.

      III

      Indessen war er nicht während der ganzen Dauer seiner Krankheit völlig besinnungslos: er befand sich in einem fieberhaften Zustande mit Irrereden und halbem Bewußtsein. An vieles vermochte er sich später zu erinnern. Bald schien es ihm, als ob sich viele Menschen um ihn versammelten und ihn nehmen und irgendwohin wegtragen wollten und sich um ihn heftig stritten und zankten. Bald war er auf einmal allein im Zimmer; alle waren hinausgegangen und fürchteten sich vor ihm, und nur ab und zu öffneten sie die Tür ein wenig, um nach ihm zu sehen, drohten ihm, besprachen etwas untereinander, lachten und neckten ihn. Er erinnerte sich, daß er Nastasja oft neben sich gesehen hatte; er hatte auch noch einen Menschen bemerkt, der ihm sehr bekannt vorkam; aber wer es eigentlich war, darüber konnte er schlechterdings nicht ins klare kommen, und das war ihm ein peinigendes Gefühl, er weinte sogar darüber. Manchmal schien es ihm, als liege er schon einen Monat, ein andermal, als sei es immer noch der nämliche Tag. Aber jene Sache – jene Sache hatte er vollständig vergessen; dagegen kam ihm alle Augenblicke der Gedanke, er habe etwas vergessen, was er nicht hätte vergessen dürfen; er quälte und marterte sich mit dem Versuche, es sich ins Gedächtnis zurückzurufen, er stöhnte, er geriet in Wut oder in eine entsetzliche, unerträgliche Angst. Dann sprang er auf und wollte davonlaufen; aber immer hielt ihn jemand mit Gewalt zurück, und er sank wieder in Schwäche und Bewußtlosigkeit zurück. Endlich kam er wieder ganz zu sich.

      Dies geschah eines Morgens um zehn Uhr. Um diese Stunde wanderte an heiteren Tagen immer ein langer Streifen Sonnenschein über die rechte Wand seines Zimmers und beleuchtete die Ecke neben der Tür. An seinem Bette stand Nastasja und außerdem noch ein Mann, der ihn mit lebhaftem Interesse betrachtete und ihm ganz unbekannt war. Es war ein junger Mensch im langschößigen Rock, mit kleinem Barte; er machte etwa den Eindruck eines Kontoristen. Durch die halbgeöffnete Tür blickte die Wirtin herein. Raskolnikow richtete sich auf.

      »Wer ist das, Nastasja?« fragte er, indem er auf den jungen Mann zeigte.

      »Na, nun sieh mal! Er ist wieder zu sich gekommen!« rief sie.

      »Der Herr ist wieder zu sich gekommen«, wiederholte der Kontorist.

      Sowie sie vernahm, daß er wieder bei Bewußtsein war, machte die Wirtin, die verstohlen durch die Tür hereingeguckt hatte, diese zu und verschwand. Sie war auch sonst immer sehr schüchtern und verlegen und ließ sich nur ungern auf Gespräche und Erörterungen ein; sie mochte etwa vierzig Jahre alt sein, hatte schwarze Augenbrauen und schwarze Augen, war dick und fett und infolge dieser Beleibtheit sowie auch aus Trägheit СКАЧАТЬ