Der Ursprung des Christentums. Karl Kautsky
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Название: Der Ursprung des Christentums

Автор: Karl Kautsky

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788026841548

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СКАЧАТЬ Persönlichkeiten die größte Wirkung geübt, wenn die ihnen zugeschriebenen Taten und Lehren starken Bedürfnissen im jüdischen Volke entsprachen. Das bezeugt zum Beispiel die Figur des Propheten Daniel, von dem das Buch Daniels berichtet, er habe unter Nebukadnezar, Darius und Cyrus, also im sechsten Jahrhundert vor Christi, gelebt, die größten Wunder gewirkt und Prophezeiungen von sich gegeben, die sich später in überraschender Weise erfüllten und die mit der Weissagung endeten, es würden große Bedrängnisse über das Judentum kommen, aus denen es durch einen Heiland gerettet und zu neuem Glanze erhoben werde. Dieser Daniel hat nie gelebt, das von ihm handelnde Buch wurde erst um das Jahr 165, zur Zeit der makkabäischen Empörung, geschrieben, kein Wunder, daß alle Prophezeiungen, die der Prophet angeblich im sechsten Jahrhundert äußerte, bis zu diesem Jahre auffallend stimmten, was dem frommen Leser die Überzeugung beibrachte, auch die Schlußprophezeiung eines so untrüglichen Propheten müsse unfehlbar in Erfüllung gehen. Das Ganze ist eine kecke Erfindung und doch übte es die größte Wirkung; der Messiasglaube, der Glaube an einen kommenden Erlöser, zog aus ihm seine stärkste Nahrung, es wurde vorbildlich für alle kommenden Prophezeiungen eines Messias. Das Buch Daniels zeigt aber auch, wie unbedenklich man damals in frommen Kreisen schwindelte, wenn es galt, eine Wirkung zu erzielen. Die Wirkung, die die Figur Jesu erzielte, beweist also für ihre historische Echtheit gar nichts.

      So bleibt von dem, was Harnack selbst aus den Evangelien als historischen Kern noch zu retten glaubt, nichts übrig, als die Leidensgeschichte Christi. Indes ist die ebenfalls vom Anfang bis zum Ende, bis zur Auferstehung und Himmelfahrt, so mit Wundern versetzt, daß es auch da fast unmöglich ist, einen historischen Kern mit Bestimmtheit herauszuschälen. Wir werden die Glaubwürdigkeit dieser Leidensgeschichte übrigens noch näher kennen lernen. Nicht besser steht es mit der anderen urchristlichen Literatur. Alles, was anscheinend von Zeitgenossen Jesu, etwa von Aposteln herrührt, ist als Fälschung wenigstens in dem Sinne erkannt, daß es ein Produkt späterer Zeit ist.

      Auch von den Briefen, die dem Apostel Paulus zugeschrieben werden, gibt es keinen, dessen Echtheit völlig unbestritten wäre; eine Anzahl sind von der historischen Kritik als unecht allgemein anerkannt. Die frechste unter diesen Fälschungen ist wohl die des zweiten Briefes an die Thessalonicher. In diesem nachgemachten Brief warnt der Verfasser, der sich hinter dem Namen Pauli birgt: „Laßt euch nicht so leicht den Kopf verrücken oder verwirren, weder durch einen Geist, noch durch ein Wort, noch durch einen (gefälschten) Brief unter unserem Namen.“ (2, 2) Und zum Schlusse fügt der Fälscher hinzu: „Hier mein, des Paulus, eigenhändiger Gruß, das Zeichen in jedem Brief. So schreibe ich.“ Gerade diese Worte wurden zum Verräter des Fälschers.

      Eine Reihe anderer Briefe Pauli bilden vielleicht die ältesten Literaturerzeugnisse des Christentums. Von Jesus erzählen sie aber so gut wie nichts, außer der Tatsache, daß er gekreuzigt wurde und wieder auferstand.

      Was von der Auferstehung zu halten, brauchen wir unseren Lesern nicht auseinanderzusetzen. Als gesichertes Resultat der christlichen Literatur über Jesus bleibt also kaum etwas übrig.

      3. Der Kampf um das Jesusbild

       Inhaltsverzeichnis

      Im besten Falle erhalten wir als historischen Kern der urchristlichen Berichte über Jesus nicht mehr, als was uns Tacitus berichtet: daß zur Zeit des Tiberius ein Prophet hingerichtet wurde, von dem die Sekte der Christen ihren Ursprung herleitete. Was dieser Prophet gelehrt und gewirkt, darüber ist bisher nicht das mindeste mit Bestimmtheit zu erforschen. Auf keinen Fall kann er das Aufsehen erregt haben, von dem die urchristlichen Darstellungen erzählen, sonst würde sicher Josephus darüber berichten, der vieles sehr unbedeutende erzählt. Die Agitation und Hinrichtung Jesu erregte unter seinen Zeitgenossen jedenfalls nicht die mindeste Aufmerksamkeit. War aber Jesus wirklich ein Agitator gewesen, den eine Sekte als ihren Vorkämpfer und Wegweiser verehrte, so mußte die Bedeutung seiner Persönlichkeit wachsen, wenn die Sekte wuchs. Nun begann sich ein Legendenkranz um diese Persönlichkeit zu bilden, in den die frommen Gemüter alles hineinverwebten, was sie wünschten, daß ihr Vorbild gesagt und getan habe. Je vorbildlicher aber dadurch Jesus für die ganze Sekte wurde, desto mehr suchte jede der zahlreichen Richtungen, aus denen sie von Anfang an bestand, dieser Persönlichkeit gerade jene Ideen beizulegen, die ihr besonders am Herzen lagen, um sich dann auf diese Autorität berufen zu können. So wurde das Bild Jesu, wie es in den anfangs bloß mündlich kolportierten, später auch schriftlich fixierten Legenden gemalt wurde, immer mehr das einer übermenschlichen Persönlichkeit, der Inbegriff aller Ideale, die die neue Sekte entwickelte, so wurde es aber auch ein immer widerspruchsvolleres Bild, dessen einzelne Züge zueinander nicht paßten.

      Als dann die Sekte zu einer festen Organisation kam, eine umfassende Kirche wurde, in der eine bestimmte Tendenz die Herrschaft eroberte, da war es eine ihrer Aufgaben, einen festen Kanon zu entwerfen, ein Verzeichnis aller der urchristlichen Schriften, die sie als echt anerkannte. Es waren natürlich nur solche, die im Sinne der herrschenden Tendenz sprachen. Alle jene Evangelien und sonstigen Schriften, die ein Bild Jesu entwarfen, das mit dieser Tendenz der Kirche nicht übereinstimmte, wurden als „ketzerisch“, als gefälscht, oder doch als „apokryph“, als nicht ganz zuverlässig verworfen und nicht weiter propagiert, ja sogar möglichst unterdrückt und ihre Abschriften vernichtet, so daß nur wenige uns erhalten sind. Die in den Kanon aufgenommenen Schriften wieder wurden „redigiert“, um möglichste Einheitlichkeit in sie hineinzubringen, glücklicherweise aber so ungeschickt, daß Spuren früherer, abweichender Darstellungen immer noch hie und da durchblicken und den Gang der Entwicklung erraten lassen.

      Ihren Zweck, auf diese Art die Einheitlichkeit der Meinungen in der Kirche sicherzustellen, erreichte diese aber nicht und konnte ihn nicht erreichen. Die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse erzeugte immer wieder Verschiedenartigkeiten der Anschauungen und Bestrebungen in der Kirche. Und dank der Widersprüche, die trotz aller Redaktionen und Ausmerzungen in dem von der Kirche anerkannten Jesusbild erhalten waren, fanden diese Verschiedenheiten immer wieder in jenem Bilde Punkte, an die sie anknüpfen konnten. So wurde der Kampf der gesellschaftlichen Gegensätze im Rahmen der christlichen Kirche anscheinend ein bloßer Kampf um die Auslegung der Worte Jesu, und oberflächliche Geschichtschreiber glauben denn auch, alle die großen, oft so blutigen Kämpfe in der Christenheit, die unter religiöser Flagge ausgefochten wurden, seien nichts als Kämpfe um bloße Worte gewesen, ein trauriges Zeichen für die Dummheit des Menschengeschlechts. Aber wo man eine gesellschaftliche Massenerscheinung auf bloße Dummheit der beteiligten Menschen zurückführt, da bezeugt diese anscheinende Dummheit bloß die Verständnislosigkeit des Beobachters und Kritikers, der sich in eine ihm fremde Denkart nicht hineinzufinden und zu den ihr zugrunde liegenden materiellen Bedingungen und Triebkräften nicht vorzudringen vermag. Es waren in der Regel sehr reale Interessen, die miteinander rangen, wenn die verschiedenen christlichen Sekten über die verschiedene Bedeutung der Worte Christi stritten.

      Das Aufkommen der modernen, die Überwindung der kirchlichen Denkweise hat dann freilich den Streitigkeiten um das Bild Christi immer mehr ihre praktische Bedeutung genommen und sie zu bloßen Haarspaltereien der Theologen herabgedrückt, die von Staats wegen dazu besoldet werden, die kirchliche Denkart noch möglichst wachzuhalten, und die dafür doch etwas leisten müssen.

      Die neuere Bibelkritik, die die Methoden der historischen Quellenforschung auf die biblischen Schriften anwendet, hat jedoch dem Streit um die Auffassung der Person Jesu einen neuen Anstoß gegeben. Sie erschütterte die Sicherheit des bisher überlieferten Jesusbildes, konnte sich aber, weil meist von Theologen betrieben, doch nur selten zu der zuerst von Bruno Bauer vertretenen, später auch von anderen, so namentlich von A. Kalthoff vertretenen Anschauung aufschwingen, daß bei dem gegebenen Zustande der Quellen ein neues Bild überhaupt nicht wiederherzustellen sei. Sie versucht eine solche Wiederherstellung immer und immer wieder, mit demselben Resultate, wie es ehedem das Christentum früherer Jahrhunderte produzierte: jeder der Herren Theologen legt in sein Jesusbild seine eigenen Ideale, seinen СКАЧАТЬ