Название: Der Ursprung des Christentums
Автор: Karl Kautsky
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788026841548
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Wenn wir aber auch von den Wundern absehen, ist es schwer zu verstehen, daß eine Persönlichkeit, wie der Jesus der Evangelien, der nach deren Berichten eine solche Aufregung in den Gemütern erweckte, wirken und schließlich als Märtyrer seiner Sache sterben konnte, ohne daß die heidnischen und jüdischen Zeitgenossen auch nur ein Wort über ihn verloren.
Die erste Erwähnung Jesu durch einen Nichtchristen finden wir in den Jüdischen Altertümern des Josephus Flavius. Das Kapitel des 18. Buches handelt vom Prokurator Pontius Pilatus, und da heißt es unter anderem:
„Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn einen Mann nennen darf, denn er vollbrachte Wunder und war ein Lehrer der Menschen, die freudig die Wahrheit annahmen, und fand einen großen Anhang bei Juden und Hellenen. Dieser war der Christus. Obwohl ihn dann Pilatus auf die Anklage der Vornehmsten unseres Volkes mit dem Kreuze bestrafte, blieben ihm doch jene treu, die ihn zuerst geliebt. Denn er erschien ihnen am dritten Tage wieder, zu neuem Leben auferstanden, wie die Propheten Gottes dieses und tausende anderer wunderbarer enge von ihm geweissagt hatten. Nach ihm werden die Christen genannt, deren Sekte (φῦλον) seitdem nicht aufgehört hat.“
Nochmal spricht dann Josephus von Christus im 20. Buche, 9. Kapitel, 1, wo es heißt, der Hohepriester Ananus habe unter dem Landpfleger Albinus (zur Zeit Neros) bewirkt, daß „Jakobus, der Bruder Jesu, des sogenannten Christus (τοὺ λεγομένου χριστοὺ), samt einigen anderen vor Gericht gebracht, als Übertreter des Gesetzes angeklagt und der Steinigung überliefert wurde“.
Diese Zeugnisse sind von den Christen stets sehr hoch gehalten worden. Sind es doch die Zeugnisse eines Nichtchristen, eines Juden und Pharisäers, der im Jahre 37 nach Beginn unserer Zeitrechnung geboren wurde und in Jerusalem lebte, also sehr wohl authentische Nachrichten über Jesus besitzen konnte. Und sein Zeugnis wäre um so mehr beachtenswert, da er als Jude ja keinen Grund hatte, zugunsten der Christen zu schwindeln.
Aber gerade die übermäßige Hochhebung Christi durch den frommen Juden machte die eine Stelle in seinem Werke frühzeitig verdächtig. Schon im sechzehnten Jahrhundert wurde ihre Echtheit angefochten, und heute steht es fest, daß sie gefälscht ist und gar nicht von Josephus herrührt. Im Laufe des dritten Jahrhunderts hat sie ein christlicher Abschreiber eingefügt, der offenbar Anstoß daran nahm, daß Josephus, der den unbedeutendsten Klatsch aus Palästina erzählt, von der Person Jesu gar nichts mitteilt. Der fromme Christ hatte das richtige Gefühl, daß das Fehlen jeglicher Erwähnung gegen die Existenz oder wenigstens die Bedeutung der Person seines Heilands spräche. So ist die Aufdeckung seiner Fälschung zu einem Zeugnis gegen Jesus geworden.
Aber auch die Stelle über Jakobus ist sehr zweifelhafter Natur. Es ist richtig, daß schon Origenes, der von 185 bis 254 n. Chr. lebte, in seiner Erläuterung zu Matthäus ein Zeugnis des Josephus über Jakobus erwähnt. Er bemerkt dabei, es sei sonderbar, daß Josephus trotzdem an Jesum nicht als Christus geglaubt habe. Auch in der Streitschrift gegen Celsus zitiert er diese Äußerung des Josephus über Jakobus und konstatiert dabei ebenfalls den Unglauben des Josephus. Diese Sätze des Origenes bilden einen der Beweise dafür, daß im ursprünglichen Josephus die so auffallende Stelle über Jesus nicht gestanden haben kann, in der er diesen als den Christus, den Messias, anerkannte. Gleichzeitig stellt sich aber heraus, daß jene Stelle über Jakobus, die Origenes im Josephus fand, auch eine christliche Fälschung war. Denn diese von Origenes zitierte Stelle lautet ganz anders als die in den uns erhaltenen Handschriften des Josephus befindliche. Es wurde darin die Zerstörung Jerusalems als Strafe für die Hinrichtung des Jakobus bezeichnet. Diese Fälschung ist in die anderen Josephushandschriften nicht übergegangen, uns also nicht erhalten geblieben. Die in unseren Josephushandschriften erhaltene Stelle über Jakobus wird dagegen von Origenes nicht zitiert, während er die andere dreimal bei verschiedenen Gelegenheiten erwähnt. Und doch trug er sorgfältig alle Zeugnisse des Josephus zusammen, die für den christlichen Glauben verwertbar waren. Es liegt demnach nahe, anzunehmen, daß die uns erhaltene Stelle des Josephus über Jakobus ebenfalls gefälscht ist, daß sie erst nach Origenes, aber vor Eusebius, der sie zitiert, von einem frommen Christen zur höheren Ehre Gottes eingeschoben wurde.
Wie die Erwähnung Jesus und Jakobus ist auch die Johannes des Täufers bei Josephus (Altertümer XVIII, 5, 2) als eine „Interpolation“ verdächtig.
Also christliche Fälschungen im Josephus auf Schritt und Tritt, schon vom Ende des zweiten Jahrhunderts an. Das Stillschweigen des Josephus über die Hauptpersonen der Evangelien war eben zu auffallend und mußte korrigiert werden.
Aber selbst wenn die Aussage über Jakobus echt wäre, bewiese sie im besten Falle, daß es einen Jesus gab, den man Christum, das heißt Messias, nannte. Mehr konnte sie unmöglich beweisen.
„Wenn nun wirklich die Stelle dem Josephus zugeschrieben werden müßte, so wäre für die kritische Theologie damit doch nur der Faden eines Spinngewebs gewonnen, an den eine Menschengestalt gehängt werden sollte. So viele Christusprätendenten gab es zur Zeit des Josephus bis tief in das zweite Jahrhundert hinein, daß von denselben vielfach nur noch summarische Kunde übrig geblieben ist. Da gibt es einen Judas von Galiläa, einen Theudas, einen namenlosen Ägypter, einen Samariter, einen Bar Kochba, – warum soll nicht auch ein Jesus unter ihnen gewesen sein – Jesus war ja ein weitverbreiteter jüdischer Personenname.“
Die zweite Stelle des Josephus sagt uns also im besten Falle, daß unter den Agitatoren in Palästina, die damals als Messias, als Gesalbte des Herrn, auftraten, auch einer Jesus hieß. Wir erfahren nicht das mindeste daraus über sein Leben und Wirken.
Die nächste Erwähnung Jesu durch einen nichtchristlichen Schriftsteller finden wir in des römischen Geschichtschreibers Tacitus Annalen, die ungefähr um das Jahr 100 verfaßt wurden. Im 15. Buch wird dort der Brand Roms unter Nero beschrieben, und da heißt es im 44. Kapitel:
„Um dem Gerücht entgegenzuwirken (das Nero die Schuld an dem Brande zuschob), stellte er Leute, die, wegen ihrer Schandtaten verhaßt, vom Volke Christen genannt wurden, als die Schuldigen hin und belegte sie mit den ausgesuchtesten Strafen. Der Urheber ihres Namens, Christus, war unter der Regierung des Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden; der dadurch für den Augenblick unterdrückte Aberglaube brach dann wieder aus, nicht bloß in Judäa, dem Ursprungsland dieser Seuche (mali), sondern auch in Rom selbst, wo von allen Seiten alles Scheußliche und Schandvolle (atrocia aut pudenda) zusammenströmt und Verbreitung findet. Zuerst wurden einige ergriffen, die ein Geständnis ablegten, dann auf ihre Angabe hin eine ungeheure Menge, die aber gerade nicht des Verbrechens der Brandstiftung,sondern des Menschenhasses überwiesen wurden. Ihre Hinrichtung wurde zur Kurzweil; man bedeckte sie mit den Fellen wilder Tiere und ließ sie dann von Hunden zerfleischen oder kreuzigte sie oder richtete sie zum Anzünden her und verbrannte sie, sobald es finster wurde, zur Erleuchtung der Nacht. Zu diesem Schauspiel gab Nero seine Gärten her und er veranstaltete Zirkusspiele, bei denen er sich im Gewand eines Wagenlenkers unter das Volk mischte oder einen Rennwagen bestieg. Obwohl es sich Missetäter handelte, die die härteste Strafe verdienten, entstand doch Mitleid für sie, als fielen sie nicht dem allgemeinen Wohle, sondern der Wut eines einzelnen zum Opfer.“
Dieses Zeugnis ist sicher nicht von Christen zu ihren Gunsten gefälscht. Wohl ist auch seine Richtigkeit angefochten worden, da Dio Cassius von einer Christenverfolgung unter Nero nichts weiß. Indes lebte Dio Cassius hundert Jahre später als Tacitus. Sueton, der bald nach Tacitus schrieb, berichtet in seiner Biographie Neros ebenfalls von einer Verfolgung von Christen , „Leuten, die sich einem neuen und bösartigen Aberglauben ergeben haben“. (Kap. 16)
Aber von Jesus teilt uns Sueton gar nichts mit und СКАЧАТЬ