Der Ursprung des Christentums. Karl Kautsky
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Название: Der Ursprung des Christentums

Автор: Karl Kautsky

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788026841548

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СКАЧАТЬ machte er also nicht notwendig. Wir kommen darauf noch zurück.

      Auch das Prozeßverfahren Jesu vor Pontius Pilatus entspricht weder jüdischem noch römischem Recht. Also selbst da, wo die Evangelisten keine Wunder erzählen, berichten sie vielfach Falsches und Unmögliches.

      Und was auf diese Weise als „Evangelium“ zusammengebraut wurde, das erlitt dann durch spätere „Redakteure“ und Abschreiber noch mancherlei Veränderungen, zur Erbauung der Gläubigen.

      So schließen zum Beispiel die besten Handschriften des Markus das Werk mit dem 8. Vers des 16. Kapitels ab, wo die Frauen den toten Jesus in der Gruft suchen, aber statt seiner einen Jüngling in langem, weißem Kleid finden. Da verließen sie die Gruft,,und fürchteten sich“.

      Was in den herkömmlichen Ausgaben noch folgt, ist später hinzugefügt worden. Mit diesem 8. Vers kann aber das Werk unmöglich geschlossen haben. Schon Renan nahm daher an, das Weitere sei im Interesse der guten Sache gestrichen worden, weil es eine Darstellung enthielt, die der späteren Auffassung anstößig erschien.

      Andererseits kommt Pfleiderer wie auch andere nach eingehender Untersuchung zu dem Schlusse, „daß das Lukasevangelium noch nichts von der übernatürlichen Erzeugung Jesu erzählt habe, diese Erzählung vielmehr erst später aufgekommen und dann durch Einfügung der Verse 1, 34 ff. und der Worte „wie man glaubte“ in 3, 23 erst nachträglich in den Text eingetragen worden ist“. (Urchristentnm, I, S. 408)

      Angesichts alles dessen ist es kein Wunder, daß schon in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts die völlige Unbrauchbarkeit der Evangelien als Quellen zur Geschichte Jesu von manchen Forschern erkannt wurde und Bruno Bauer sogar dahin kommen konnte, die Geschichtlichkeit Jesu völlig zu leugnen. Daß trotzdem die Theologen von den Evangelien nicht lassen können und auch die liberalen unter ihnen alles aufbieten, deren Autorität zu erhalten, ist begreiflich. Was bleibt vom Christentum, wenn die Person Christi aufgegeben wird? Aber um diese zu retten, müssen sie sich gar sonderbar winden und drehen.

      So erklärte zum Beispiel Harnack in seinen Vorlesungen über das Wesen des Christentums (1900), David Friedrich Strauß habe wohl geglaubt, die Geschichtlichkeit der Evangelien in Nichts aufgelöst zu haben. Aber der historisch-kritischen Arbeit zweier Generationen sei es gelungen, sie in hohem Umfang wieder herzustellen. Allerdings seien die Evangelien nicht Geschichtswerk, sie wurden nicht geschrieben, um zu berichten, wie es geschehen ist, sondern waren Erbauungsschriften. „Dennoch sind sie als Geschichtsquellen nicht unbrauchbar, zumal ihr Zweck kein von außen entlehnter ist, sondern mit den Absichten Jesu zum Teil zusammenfällt.“ (S. 14)

      Aber über diese Absichten wissen wir ja nur das, was die Evangelien uns mitteilen! Die ganze Beweisführung Harnacks für die Glaubwürdigkeit der Evangelien als Quellen über die Persönlichkeit Jesu beweist nur, wie unmöglich es ist, etwas Sicheres und Durchschlagendes dafür vorzubringen.

      Im weiteren Verlauf seiner Abhandlung sieht Harnack selbst sich genötigt, alles, was die Evangelien über die ersten dreißig Jahre Jesu berichten, als unhistorisch preiszugeben, ebenso von dem späteren alles, was an 1mmöglich oder erfunden nachzuweisen ist. Aber den Rest möchte er doch als geschichtliche Tatsache retten. Er meint, es bleibe uns immer noch „ein anschauliches Bild von Jesu Predigt, dem Ausgang seines Lebens und dein Eindruck, den er auf seine Jünger gemacht hat“. (S. 20)

      Woher weiß aber Harnack, daß gerade Jesu Predigt so getreu in den Evangelien wiedergegeben würden. Über die Wiedergabe anderer Predigten jener Zeit urteilen die Theologen skeptischer. So sagt Harnacks Kollege Pfleiderer in seinem Buch über das Urchristentum:

      „Über die Geschichtlichkeit dieser und anderer Reden der Apostelgeschichte zu streiten, hat in der Tat keinen Sinn; man bedenke doch nur, was alles vorausgesetzt werden müßte, um die wörtlich genaue oder auch nur ungefähr treue Überlieferung einer solchen Rede zu ermöglichen: sie müßte von einem Ohrenzeugen sofort niedergeschrieben (eigentlich geradezu stenographiert) worden sein, und diese Aufzeichnungen der verschiedenen Reden müßten in den Kreisen der Hörer, die doch meistens Juden oder Heiden waren und zum Gehörten sich größtenteils gleichgültig oder feindlich verhielten, über ein halb Jahrhundert lang aufbewahrt worden, endlich vom Geschichtschreiber aus den verschiedensten Orten her zusammengetragen worden sein! Wer sich alle diese Unmöglichkeiten einmal klargemacht hat, der wird ein für allemal wissen, was er von allen diesen Reden zu halten hat: daß sie in der Apostelgeschichte genau ebenso wie bei allen weltlichen Geschichtschreibern des Altertums freie Kompositionen sind, in welchen der Verfasser seine Helden so sprechen läßt, wie er denkt, daß sie in den jeweiligen Situationen gesprochen haben könnten.“ (S. 500, 501)

      Sehr richtig! Aber warum soll alles das auf einmal für die Reden Jesu nicht gelten, die ja für die Verfasser der Evangelien noch weiter zurücklagen als die Reden der Apostelgeschichte? Warum sollen die Reden Jesu in den Evangelien etwas anderes sein als Reden, von denen die Verfasser der Berichte wünschten, daß Jesu sie gehalten hätte? In der Tat finden wir in den überlieferten Reden mannigfache Widersprüche, zum Beispiel rebellische und unterwürfige Reden, die sich nur dadurch erklären lassen, daß unter den Christen verschiedene Richtungen bestanden, von denen jede sich Reden Christi, die sie überlieferte, nach ihren Bedürfnissen zurechtkomponierte. Wie ungeniert auch die Evangelisten in solchen Dingen verfuhren, dafür nur ein Beispiel. Man vergleiche die Bergpredigt bei Lukas und bei dem späteren Matthäus. Bei jenem ist sie noch eine Verherrlichung der Besitzlosen, eine Verdammung der Reichen. Das war vielen Christen zu des Matthäus Zeit schon unbequem geworden. Frischweg macht daher das Matthäusevangelium aus den Besitzlosen, die selig werden, Arme im Geiste, und die Verdammung der Reichen ließ es ganz weg.

      So wurde mit Reden manipuliert, die schon niedergeschrieben waren, und da will man uns weismachen, die Reden, die Jesus angeblich ein halbes Jahrhundert vor ihrer Niederschrift gehalten habe, seien in den Evangelien getreulich wiedergegeben! Den Wortlaut einer Rede, die nicht sofort niedergeschrieben wurde, durch bloße mündliche Überlieferung fünfzig Jahre lang getreu zu bewahren, ist von vornherein unmöglich. Wer trotzdem durch bloßes Hörensagen überlieferte Reden nach einem solchen Zeitraum noch im Wortlaut niederschreibt, bezeugt schon durch diese Tatsache allein, daß er sich berechtigt fühlt, niederzuschreiben, was ihm paßt, oder daß er leichtgläubig genug ist, alles für bare Münze zu halten, was ihm erzählt wird. Andererseits kann man bei manchen Äußerungen Jesu nachweisen, daß sie nicht von ihm herrühren, sondern schon vor ihm im Schwange waren.

      Als spezifisches Produkt Jesu wird zum Beispiel das „Vaterunser“ betrachtet. Aber Pfleiderer weist darauf hin, daß ein aramäisches, in hohes Alter hinaufreichendes Gebet Kaddisch mit den Worten schloß:

      „Erhöht und geheiligt werde sein großer Name in der Welt, die er nach seinem Willen erschaffen hat. Er errichte sein Reich bei euren Lebzeiten und bei Lebzeiten des ganzen Hauses Israel.“

      Man sieht, der Anfang des christlichen Vaterunser ist eine Nachahmung.

      Wenn es aber mit den Reden Jesu nichts ist, mit seiner Jugendgeschichte nichts, mit seinen Wundern erst recht nichts, was bleibt dann von den Evangelien noch übrig?

      Nach Harnack bliebe noch der Eindruck, den Jesus auf seine Jünger machte, und seine Leidensgeschichte. Aber die Evangelien sind nicht von Jüngern Christi verfaßt, sie spiegeln nicht den Eindruck, den die Persönlichkeit, sondern jenen, den die Erzählung von der Persönlichkeit Christi auf die Glieder der Christengemeinde hervorrief. Über die historische Wahrheit dieser Erzählung besagt selbst der stärkste Eindruck nichts. Auch die Erzählung von einer fingierten Person kann den tiefsten Eindruck in der Gesellschaft hervorrufen, wenn die historischen Bedingungen dafür gegeben sind. Welchen Eindruck machte nicht Goethes Werther, und doch wußte alle Welt, daß man es da nur mit einem Roman zu tun habe. Trotzdem erweckte er zahlreiche Jünger und Nachfolger.

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