Название: Verliebt in einen Engel
Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
isbn: 9781782139959
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Das gleichmäßige Rollen der Räder schläferte sie ein, so daß sie mit einem Ruck erwachte, weil der Zug in einen Bahnhof eingefahren war und eine laute Stimme rief: „St. Raphael! St. Raphael!“
Ancella sprang auf und zog das Fenster herunter. Eine Sekunde lang schloß sie von der Sonne geblendet die Augen, doch als sie sich an das Licht gewöhnt hatte, bot sich ihren entzückten Blicken ein herrliches Panorama. Das blaue Meer und der durchsichtige Himmel darüber waren noch in den leichten Dunst des frühen Morgens gehüllt. Sie hatte das Gefühl, im Paradies gelandet zu sein.
In dieser kleinen Hafenstadt am Fuße der Berge war Napoleon nach seiner Rückkehr aus Ägypten im Jahre 1799 gelandet; hier hatte er fünfzehn Jahre später das Schiff bestiegen, das ihn nach Elba, der Insel seiner Verbannung, brachte.
Ich bin auf historischem Boden, schoß ihr durch den Kopf. Eine neue Welt bot sich ihr dar. Gelbe Mimosenbaume standen in voller Blüte, grüne Ranken klommen an den weißen Mauern in die Höhe. Bunte Blumen füllten die Kästen vor den Fenstern und lugten aus dem Gras auf den Hügeln. Die meisten Hauser hatten leuchtend rote Dächer. Zwischen den Bäumen hindurch schimmerten weiße Villen, die einige Ähnlichkeit mit überdimensionalem Zucker Gebäck hatten.
Die ganze Schönheit nahm Ancella förmlich den Atem. Und als die warme und weiche Luft, die durch das Abteilfenster hereinwehte, ihre Wangen streichelte, kannte ihr Entzücken keine Grenzen.
Der Zug rollte jetzt direkt an der Küste entlang und machte an Orten Station, von denen jeder einen berühmten Namen trug, Cannes, Antibes und Nizza, das für seinen Blumenmarkt bekannt war. Von hier aus hatte Napoleon jede Woche Nelken und Lilien, Veilchen und Rosen nach Paris schicken lassen.
„Nächster Halt Beaulieu!“ hörte Ancella. Sie machte sich hastig daran, ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen. Durch einen schnellen Blick in den Spiegel vergewisserte sie sich, ob sie auch ihrer Rolle gemäß ordentlich genug aussah, wenn sie den Zug verließ.
Da sie sich kein kostspieliges Reisekostüm hatte leisten können, trug sie ein violettes Wollkleid, das ihre schlanke Figur betonte und recht elegant wirkte. In einer Schachtel führte sie einige Strohhüte mit sich, die sie zu einem erschwinglichen Preis erstanden und selbst ein bißchen aufgeputzt hatte. Für die Reise hatte sie ein kleines Hütchen gewählt, dessen Parmaveilchenschmuck tonmäßig zu ihren Kleid paßte.
Als ihr Reiseziel endgültig festgestanden hatte, hatte sie alle möglichen Magazine durchstöbert, die ihr Vater gesammelt hatte. Darin hatte sie nicht nur die Bilder berühmter Leute gefunden, die den Süden Frankreichs frequentierten, sondern auch Beschreibungen ihrer Villen. Dabei war sie auch auf einen Artikel über das Hotel de Paris in Monte Carlo gestoßen, das voller Stolz den Kaiser und die Kaiserin von Österreich, die Zarin von Rußland, die Könige von Schweden und Belgien sowie die Königin von Portugal zu seinen Gästen zählte.
Obwohl sie nicht annahm, diese Leute persönlich kennenzulernen, freute sie sich schon allein auf die Aussicht, sie aus der Ferne bewundern zu dürfen, vor allem die Kaiserin von Österreich, die man zu den schönsten Frauen der Welt rechnete.
„Beaulieu!“ schrie der Stationsvorsteher, als der Zug in den Bahnhof einfuhr.
Ancella stand am Fenster, um nach einem Träger Ausschau zu halten. Auf ihr Zeichen hin nahm ein älterer Mann vor ihrem Abteil Aufstellung und wartete, bis der Schaffner ihm Ancellas Gepäck herunterreichte.
Vor ihrer Abreise hatte sie sich bei Sir Felix danach erkundigt, welche Trinkgelder üblich waren und in Calais dementsprechend Geld umgetauscht. Daß sie dem Mann ein wenig mehr gab, als er erwarten durfte, quittierte er mit einem strahlenden „Merci beaucoup, Mademoiselle“.
Sie hatte kaum den Bahnsteig betreten, als ein Diener in eleganter Livree auf sie zutrat und sich verbeugte.
„Mademoiselle Winton?“ erkundigte er sich.
„Oui“, erwiderte sie.
„Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Mademoiselle. Ihre Hoheit hat Ihnen einen Wagen geschickt. Er wartet draußen.“
Ancella stieß einen erleichterten Seufzer aus. Trotz Sir Felix’ Behauptung, daß sie zweifellos abgeholt wurde, war sie sich ihrer Sache nicht sicher gewesen. Von ihrer Bedeutungslosigkeit überzeugt, hatte sie sich den Kopf zerbrochen, wie sie zur Villa gelangen sollte, die vermutlich ein ganzes Stück vom Bahnhof entfernt lag. Mußte sie zum Beispiel den Kutscher, den sie anheuerte, selbst bezahlen, oder war es in diesem Falle richtig, die dortigen Diener darum zu bitten?
Dieses Problem stellte sich nun glücklicherweise nicht, da vor dem Bahnhof eine bequeme Kutsche stand, die zu ihrem Entzücken offen war. Der Diener half ihr hinein und verstaute das Handgepäck auf dem Sitz ihr gegenüber; ihr großer Koffer wurde hinten festgeschnallt. Dann kletterte er auf den Bock, und sie fuhren los.
Der warme Sonnenschein wirkte wie eine einzige Liebkosung. Das Meer funkelte und glitzerte, und Ancella konnte sich nicht vorstellen, daß es irgendwo auf der Welt schöner sein konnte. Auf den Straßen wimmelte es von Wagen aller Art, einige davon höchst eindrucksvoll, in denen elegante Damen saßen, die sich mit kleinen Schirmen gegen die Sonne schützten. Dazwischen rumpelten grobe, von Maultieren gezogene Karren, in einem Fall entdeckte Ancella sogar ein Paar weißer Ochsen als Zugtiere.
Beaulieu lag inmitten von Orangen- und Zitronenbaumen, die Straßen führten zwischen Rosenhecken und blühenden Geranien dahin. Hinter der Stadt ragten felsige Hügel in die Höhe, die von Pinien gekrönt waren. Dazwischen standen Olivenbaume, die teilweise Hunderte von Jahren alt waren, wie Ancella gelesen hatte.
Nachdem sie Beaulieu hinter sich gelassen hatten, bogen sie in die untere Corniche ein, die sich neben der Eisenbahnlinie entlang zog, auf der sie bald von dem Zug überholt wurden, mit dem Ancella aus Paris gekommen war. Sie waren etwa zwanzig Minuten gefahren, als der Kutscher den Wagen von der Straße weg in einen schmalen Weg lenkte, der ziemlich steil bergab führte.
Wie sie von Sir Felix wußte, lag ihr Bestimmungsort, die Villa d’Azur, in der Nähe von Eze, einem kleinen Ort, den sie nach einigem Suchen auf der Landkarte zwischen Monte Carlo und Beaulieu gefunden hatte.
Der Wagen fuhr unter uralten Bäumen zwischen weißen Mauern dahin, die von üppigen rosa und purpurfarbenen Geranien überwuchert waren. Nach einigen Minuten tauchte ein Stück weiter unten ein großes Gebäude mit flachem Dach auf, das gegen die grünen Bäume und das blaue Meer geradezu phantastisch weiß wirkte.
Vor einem eindrucksvollen Portal, das auf beiden Seiten von riesigen Kübeln korallenroter Azaleen flankiert war, kam der Wagen zum Stehen.
In der geräumigen Eingangshalle, die sie gleich darauf betrat, war es angenehm kühl. Ein würdevoller Majordomus verbeugte sich respektvoll und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Zum ersten Mal seit Antritt ihrer Reise fühlte sie eine leise Beklommenheit, als sie hinter ihm die breite Freitreppe hinaufstieg.
Im ersten Stock wandte sich der Majordomus nach links, wo er an eine Tür klopfte. Eine grauhaarige Dienerin öffnete, die keine sonderlich freundliche Miene zur Schau trug.
„Die Mademoiselle aus England“, meldete der Majordomus.
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