Название: Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten)
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026822240
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Horace erzählte Mary alles, was sich zugetragen hatte.
»Ich kann es kaum glauben – er war so bereitwillig und entgegenkommend. Natürlich auch brutal, aber das ist er ja immer.«
Sie sah ihn schelmisch an.
»Ich glaube nicht, daß du Onkel wirklich kennst«, erwiderte sie ruhig.
»Aber … aber …«
»Ich weiß, daß fast alle schlecht von ihm denken und ihn für den unausstehlichsten Mann auf der Welt halten. Manchmal habe ich ihre Meinung sogar geteilt. Ich habe nie begreifen können, warum er meinen armen Bruder Con fortgeschickt hat.«
»Ach, war das dein Bruder?« fragte er.
Sie nickte, und ihre Augen wurden feucht.
»Der arme Junge«, sagte sie leise, »er hat den Onkel auch nicht verstanden. Zuweilen versteht sich Onkel wahrscheinlich selber nicht.« Sie lächelte traurig. »Wenn man bedenkt, was für schreckliche Dinge er über die Leute erzählt und wie er sich überall Feinde schafft …«
»Und doch möchte ich glauben, daß er das alles gar nicht so meint«, rief Horace begeistert. »Er ist ein großartiger Mensch, ein wirklicher Philanthrop!«
»Übertreibe nur nicht zu sehr.«
Sie legte ihre Hand auf seinen Arm und führte ihn an das andere Ende des großen Wintergartens.
Sir Isaac teilte Greshams Begeisterung für den Lord keineswegs.
Verlond sagte ihm bald etwas Schmeichelhaftes, bald ärgerte er ihn wieder. Er schien ein teuflisches Vergnügen daran zu finden, den Baronet außer Fassung zu bringen. Es war ihm völlig gleichgültig, ob die Ansichten, die er um zehn Uhr äußerte, in direktem Gegensatz zu denen standen, die er um acht Uhr vorgebracht hatte. Er hätte seine Meinung zwölf mal am Tage ändern können, wenn es ihm Spaß gemacht hätte.
Sir Isaac war in der denkbar schlechtesten Stimmung, als ihm ein Diener einen Brief brachte. Er schaute sich nach einem stillen Platz um, wo er die Nachricht ungestört lesen konnte. Sie kam wahrscheinlich von Black. Es war ihm aber nicht klar, warum der Oberst eine so glänzende Gelegenheit versäumte, mit Lord Verlond zusammenzukommen. Vielleicht würde ihm das Schreiben nähere Auskunft geben.
Er ging langsam in den großen Empfangssalon und las den Brief sorgfältig durch. Er las ihn noch ein zweites Mal, faltete ihn dann und steckte ihn in die Westentasche. Kurz darauf zog er seine Uhr aus dieser Tasche, ohne an den Brief zu denken. Das gefaltete Papier fiel auf den Boden.
Der überglückliche Horace entdeckte es, als er etwas später ins Spielzimmer gehen wollte. Er hob es auf und übergab es dem Lord.
Verlond zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und las die Mitteilung ohne die geringsten Gewissensbisse. Sein Gesicht verzog sich wahrend der Lektüre zu einem breiten Lachen.
11
In Somers Town wohnte zu der Zeit Willie Jakobs, ein Mann, der in mancher Beziehung Charakter besaß, obwohl er eine gewisse Vergangenheit hatte. Diese Vergangenheit bestand aus. dreimonatigen Gefängnisstrafen, die er des öfteren verbüßt hatte. Aber im Zuchthaus hatte er noch nicht gesessen.
Er war klein, hatte ein schmächtiges Gesicht und scharfe schwarze Augen. Er konnte sich gewandt bewegen und ging immer ordentlich gekleidet. Man hatte von ihm den Eindruck, daß er gerade einen Tag auf Urlaub sei; soweit es sich um ehrliche Arbeit handelte, hatte Mr. Jakobs allerdings dauernd Urlaub.
Willie Jakobs bezog seit einigen Jahren eine ›Rente‹ von Oberst Black, und seither führte er das Leben eines Gentlemans, das heißt, er glaubte wenigstens, wie die Vornehmen zu leben.
Manchmal fühlte er sich sogar wie ein Lord – auch hier hatte er sein eigenes Ideal –, aber diese Extravaganz leistete er sich nicht allzu häufig, denn von Natur aus war er enthaltsam und sparsam. Immerhin lebte er wie ein Gentleman, das konnten alle Bewohner von Somers Town bestätigen. Er ging zu Bett, wann es ihm paßte, stand manchmal mit den Hühnern – die nicht da waren – auf oder blieb im Bett liegen und las seine Lieblingszeitung.
Mr. Jakobs war ein glücklicher Mensch. Niemals fehlte ihm das Kleingeld zu einem Glas Ale, und er überlegte sich nicht lange, ob er einen Schilling mehr oder »weniger beim Rennen setzen sollte. Manchmal leistete er sich sogar das Vergnügen, das Frühstück im Bett einzunehmen.
Jeden Sonnabendmorgen erhielt er mit der Post fünf Pfund von einem Wohltäter, der nichts weiter von ihm verlangte, als daß er glücklich lebte und sich nicht daran erinnerte, wie er einmal einen bekannten Finanzmann die Taschen eines Toten durchsuchen sah.
Das hatte Willie Jakobs nämlich gesehen.
Er selbst hatte sich seit seiner Jugend als Dieb betätigt, und er war nicht wenig stolz auf seine Vorfahren, die dasselbe Handwerk betrieben hatten. Eigentlich war er auch nicht mit der Absicht in die Firma Black & Co. eingetreten, sich eine zwanzigjährige Pension zu verschaffen; vielmehr hatte er nur auf eine günstige Gelegenheit gehofft, einmal schnell eine große ›Dividende‹ einstreichen zu können. Aber Oberst Black hatte ihn in der ersten Zeit scharf beobachtet.
Damals gehörte ein unangenehmer Mann dem Aufsichtsrat der Firma an – das heißt, er war nur dem genialen Oberst Black unangenehm. Er starb denn auch eines plötzlichen Todes. Der Arzt, der den Toten untersuchte, kam zu dem Schluß, daß ein Kollaps die Ursache gewesen sein müsse.
Auch Mr. Jakobs wußte es nicht besser. Er hatte sich eines Tages heimlich in das Büro von Oberst Black geschlichen; das war nichts Außergewöhnliches, denn Willie Jakobs stahl in aller Heimlichkeit, aber mit gutem Erfolg. Er war gerade auf der Suche nach Briefmarken und Kleingeld, die häufig im Büro des Obersts herumlagen; es war allgemein bekannt, daß Black in diesen Dingen sorglos und nachlässig war. Jakobs hatte allerdings erwartet, das Büro leer zu finden, und als er sah, wie der große Oberst Black persönlich sich über eine hingestreckte Gestalt beugte, war er vor Schreck wie gelähmt.
Der Oberst war eifrig damit beschäftigt, die Taschen des Toten nach einem Schreiben zu durchsuchen, denn der auf dem Boden liegende Mann war zu ihm gekommen, um ihm seine Rücktrittserklärung zu überreichen, und unvorsichtigerweise hatte er alle Gründe hineingeschrieben, die ihn zu diesem Schritt bestimmten. Die größte Torheit freilich war es gewesen, Oberst Black dies alles zu erzählen.
Willie Jakobs wußte natürlich nichts von diesem Brief und konnte sich deshalb auch nicht richtig erklären, warum Black die Taschen des Toten durchwühlte. Sein primitiver Verstand fand die Lösung darin, daß Oberst Black nach Geld gesucht hätte. Das sagte er Black sogar ins Gesicht, ohne sich um etwaige Folgen zu kümmern.
Bei der später angeordneten gerichtlichen Leichenschau trat Mr. Jakobs nicht als Zeuge auf. Offiziell wußte er überhaupt nichts von der Angelegenheit. Gleichzeitig aber zog er sich von seiner Tätigkeit bei der Firma zurück, und seither lebte er ohne irgendeine Beschäftigung in seinem Hause in Somers Town. Er war glücklicher Pensionär auf Lebenszeit, dessen einzige Pflicht СКАЧАТЬ