Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 174

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

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СКАЧАТЬ liest.«

      »Diese Briefe ohne Unterschrift sind noch das wenigste«, meinte Graf Mosca. »Es gibt da eine wahre Werkstätte für niederträchtige Angebereien. Schon zwanzigmal hätte ich die ganze Bande vor die Gerichte bringen können. Eccellenza«, fügte er, zu Fabrizzio gewandt, hinzu, »können sich die Urteile meiner braven Richter ausdenken!«

      »Das ist es ja gerade, was mir alles verdirbt«, entgegnete Fabrizzio in seiner für einen Hofmann höchst spaßigen Unschuld. »Es wäre mir lieber gewesen, wenn sie durch gerechte Richter verurteilt worden wären.«

      »Sie würden mir ein Vergnügen bereiten, Sie, der Sie so lehrreiche Reisen gemacht haben, wenn Sie mir die Anschriften von solchen Beamten geben wollten. Ehe ich zu Bett gehe, werde ich an sie schreiben.«

      »Wenn ich Minister wäre, würde mich das Fehlen ehrlicher Richter in meiner Eigenliebe verletzen.«

      »Es scheint mir nur,« versetzte der Graf, »als ob Eccellenza, der Sie die Franzosen so lieben und ihnen einst sogar Ihren unbesiegbaren Arm geliehen haben, in diesem Augenblick einen Ihrer Hauptgrundsätze vergäßen: Besser, ich schlage den Teufel tot, als daß er mich totschlägt! Ich möchte wissen, wie Sie diese Schwärmerseelen regieren würden, die täglich in der Geschichte der Französischen Revolution lesen, wenn Sie Richter hätten, die alle Leute freisprächen, die ich anklage; sie würden die unbestritten größten Halunken freisprechen und sich für Brutusse halten. Aber darf ich Ihnen eine Frage stellen? Spürt Ihre so empfindsame Seele gar keine Gewissensbisse darüber, daß Sie jenes schöne, nur ein wenig zu magere Pferd am Ufer des Lago Maggiore im Stich gelassen haben?«

      »Ich hoffe bestimmt,« sagte Fabrizzio sehr ernst, »dem Besitzer des Pferdes das Schuldige zu zahlen und ihm die Kosten der öffentlichen Bekanntmachung und den Finderlohn zurückzuerstatten. Ich werde das Mailänder Tageblatt regelmäßig lesen, um die Verlustanzeige des Pferdes zu finden. Ich kenne sein Aussehen ganz genau.«

      »Er ist wirklich ein Kind«, sagte der Graf zur Duchezza. »Und was wäre aus Eccellenza geworden,« fuhr er lachend fort, »wenn dieser Mietgaul, auf dem Sie im Galopp davongeritten sind, sich einen Fehltritt erlaubt hätte? Sie säßen auf dem Spielberg, mein lieber Neffe, und mein Einfluß hätte Ihnen im besten Falle eine Erleichterung Ihrer Fußketten um dreißig Pfund erwirkt. An diesem vergnüglichen Ort wären Sie ein Dutzend Jährchen verblieben. Vielleicht wären Ihre Beine angeschwollen und brandig geworden; dann hätte man sie Ihnen fein säuberlich abgeschnitten…«

      »Ums Himmels willen!« rief die Duchezza, Tränen in den Augen. »Malen Sie eine so traurige Geschichte nicht noch weiter aus! Er ist ja wieder da!«

      »Und ich habe mehr Freude daran als Sie; das können Sie mir glauben«, erwiderte der Graf in tiefem Ernst. »Aber warum hat mich dieses Sorgenkind nicht um einen Paß mit passendem Namen ersucht, wenn er einmal in die Lombardei wollte ? Bei der ersten Kunde von seiner Festnahme wäre ich nach Mailand geeilt, und meine dortigen Freunde hätten schon ein Auge zugedrückt in der Annahme, ihre Polizei habe einen Untertanen des Fürsten von Parma eingesponnen. Die Erzählung Ihrer Fahrt ist nett und unterhaltsam; das gebe ich gern zu«, fuhr der Graf weniger ernst fort. »Ihr Ausfall aus dem Walde auf die große Straße macht mir weidlich Spaß, aber, unter uns gesagt, da dieser Reitknecht Ihr Leben in seinen Händen hatte, so hatten Sie das Recht, das seine zu nehmen. Wir werden Eccellenza eine glänzende Laufbahn bereiten; zum mindesten befiehlt es mir die gnädige Frau hier, und ich glaube nicht, daß mir mein ärgster Feind vorwerfen könnte, ich hätte je ihren Befehlen nicht gehorcht. Welch herber Schmerz wäre es für sie und für mich gewesen, wenn dieser Ritt auf Leben und Tod, den Sie auf Ihrem mageren Klepper gemacht haben, mit einem Sturz geendet hätte! Dann wäre es noch das beste gewesen, Sie hätten dabei das Genick gebrochen.«

      »Sie sind heute abend tragisch gestimmt, mein Freund«, sagte die Duchezza ganz erregt.

      »Gewiß, weil wir mitten in der Tragödie stehen«, entgegnete der Graf ebenso bewegt. »Wir sind hier nicht in Frankreich, wo alles in einem Possenspiel endet oder schlimmstenfalls mit einem oder zwei Jahren Gefängnis. Es ist tatsächlich unrecht von mir, von derlei Dingen lachend zu reden. Genug, mein lieber Neffe! Ich gedenke bald Gelegenheit zu finden, Sie zum Bischof zu machen; denn mit dem Erzbistum von Parma kann ich schlechterdings nicht anfangen, wie es die anwesende Frau Gräfin klüglich verlangt. – Jetzt erzählen Sie uns ein wenig, welche Politik Sie in Ihrem Bistum betreiben wollen, wo Sie fern von unseren weisen Ratschlägen sein werden!«

      »Besser, ich schlage den Teufel tot, als er schlägt mich tot, wie meine Freunde, die Franzosen, so vortrefflich zu sagen pflegen«, erwiderte Fabrizzio mit glühenden Augen. »Ich werde mir mit allen möglichen Mitteln, selbst einen Pistolenschuß nicht ausgeschlossen, die Stellung wahren, die Sie mir verschaffen werden. Ich habe in der Genealogie der del Dongo die Geschichte des Vorfahren gelesen, der das Schloß Grianta erbaut hat. Gegen Ende seines Lebens entsendet ihn sein guter Freund Galeazzo, Herzog von Mailand, zur Besichtigung einer Burg an unserem See. Man befürchtete einen neuen Einfall der Schweizer. ›Ich muß aber dem Kommandanten ein paar huldvolle Worte schreiben‹, sagte der Herzog von Mailand zu ihm beim Abschied. Er schreibt und übergibt ihm einen Brief von zwei Zeilen. Dann verlangt er ihn noch einmal zurück und versiegelt ihn. ›Das ist höflicher‹, meinte der Fürst. Vespasiano del Dongo reist ab, aber während der Fahrt über den See fällt ihm ein altgriechisches Geschichtchen ein. Er war nämlich ein gelehrter Herr. Er erbricht den Brief seines lieben Gebieters und findet darin den Befehl an den Burgkommandanten, ihn sofort nach seiner Ankunft ins Jenseits zu befördern. Der Sforza, allzu begierig auf das abgekartete Spiel, das er mit unserem Ahnherrn spielte, hatte zwischen der letzten Zeile des Briefes und seiner Unterschrift einen Zwischenraum gelassen. Vespasiano del Dongo schneidet den Kopf des Briefes ab und schreibt dafür den Befehl hin, der Burgkommandant habe ihn als Oberbefehlshaber aller Burgen am See anzuerkennen. Nach seiner Ankunft und Anerkennung in der Burg wirft er den Kommandanten in einen Brunnen, erklärt dem Sforza den Krieg und tauscht nach Verlauf etlicher Jahre seine Festung gegen jene ungeheueren Landgüter ein, die das Vermögen aller Zweige unserer Familie gebildet haben und die mir eines Tages viertausend Lire Rente einbringen werden.«

      »Sie reden wie ein Akademiker«, rief der Graf lachend.

      »Sie erzählen uns da einen meisterlichen Streich, aber es bietet sich höchstens alle zehn Jahre die kurzweilige Gelegenheit, so rühmliche Dinge zu vollführen. Sehr häufig genießen halb stumpfsinnige Menschen, die aber jederzeit aufmerksam und vorsichtig sind, das Vergnügen, über geniale Leute zu triumphieren. Es war eine Narrheit des Genies, daß sich Napoleon dem vorsichtigen John Bull anvertraute, statt nach Amerika zu entwischen. John Bull mag in seinem Kontor schön über seinen Brief gelacht haben, in dem er Themistokles zitiert. Zu allen Zeiten werden sich die gewöhnlichen Sancho Pansas vor den erhabenen Don Quichottes im Vorteil befinden. Wenn Sie sich vornehmen wollen, nichts Außergewöhnliches zu tun, dann bezweifle ich nicht, daß Sie ein sehr geachteter, wenn auch kein sehr achtenswerter Bischof werden. Immerhin bleibe ich dabei: Eccellenza hat sich bei der Pferdegeschichte gewandt benommen. Die Sache streift haarscharf an lebenslängliches Gefängnis.«

      Bei diesen Worten überlief Fabrizzio ein Schauder; er verfiel in tiefes Sinnen. ›War dies das Gefängnis, das mir drohen soll? Und das Verbrechen, das ich nicht begehen darf? Blanios Voraussagungen, die er als Prophezeiungen verlacht hatte, gewannen in seinen Augen die volle Bedeutung wirklicher Weissagungen.

      »Was hast du denn?« fragte ihn die Duchezza erstaunt. »Der Graf hat dir einen Schrecken eingejagt.«

      »Eine neue Wahrheit hat mich durchleuchtet, und statt sich gegen sie aufzulehnen, erkennt mein Verstand sie an. Wahrlich, ich habe das lebenslängliche Gefängnis haarscharf gestreift. Aber jener Reitknecht sah in seinem englischen Anzug so nett aus. Ihn zu töten, wäre schade gewesen!«

      Der Minister war von Fabrizzios altklugem Gesicht entzückt.

      »Er СКАЧАТЬ