DAS URTEIL. Daphne Niko
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу DAS URTEIL - Daphne Niko страница 5

Название: DAS URTEIL

Автор: Daphne Niko

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958353213

isbn:

СКАЧАТЬ Himmel, Gebieter unserer Vorfahren, der Du uns Deine Gebote geschenkt hast, erhöre das Flehen Deiner demütigen Diener. Segne, oh Herr, das Haus der Rechtschaffenen und lasse es gegen Sündhaftigkeit und Gewalt obsiegen. Lasse Weisheit und Einsicht in deinem Volk walten. Lasse ihre Herzen Frieden finden im Angesicht der Ungerechtigkeit und lasse sie Deinen Willen und Dein Urteil anerkennen ohne Widerspruch. Den Gefallenen verleihe ewiges Leben. Den Lebenden schenke die Besonnenheit, auf dem schmalen Grat der Tugend und Treue zu wandeln. Möge Dein Wort Nahrung sein in Zeiten des Hungers, Deine Wege Leuchtfeuer in der Dunkelheit. Amen.«

      Lange Zeit lag Stille über der Kammer. Über der Gruppe hing eine ruhige Energie – keine bewusste Ruhe, wie innere Stärke sie brachte, sondern eher eine Benommenheit, ein hoffnungsloses Sichfügen in das, was kommen mochte.

      Ein Junge mit einem runden Gesicht und goldenen Locken, die ihm in die Augen fielen, löste sich vom Busen seiner Mutter und sagte: »Wer sind die Männer, die hergekommen sind? Was wollen sie von uns?«

      Basemat schenkte ihm ein verhaltenes Lächeln. »Ich will dir eine Geschichte erzählen, Elo'ah.«

      Der Junge steckte sich den Daumen in den Mund und lehnte sich an seine Mutter an. Seine großen, erwartungsvollen Augen baten sie, weiterzureden.

      Sie sprach mit leiser Stimme. »Vor vielen Jahren, zur Zeit unserer Vorfahren, gab es eine schreckliche Dürre in Kanaan und die Menschen starben vor Hunger. Der alte Stammvater Israel, der Isaaks Sohn und Abrahams Enkelsohn war, führte sein Haus in fruchtbarere Gefilde, die reich an Getreide und Wasser waren. Mit seinen Söhnen und deren Familien, die zusammen siebzig Köpfe zählten, begab er sich auf eine Reise nach Süden, die viele Monate dauerte und die Leben ihrer neugeborenen Lämmer forderte. Schließlich erreichten sie Jam Suf, und sie frohlockten. Sie setzten nach Westen über, in ein Königreich namens Ägypten, und dort fanden sie Weiden und Wasser für ihr Vieh, und sie behandelten das Land mit Sorgfalt und nahmen nur, was sie zum Überleben brauchten.

      Siebzehn Jahre lang gedieh und vermehrte sich Israels Stamm. Er besaß die Gunst des Pharao und lebte in Eintracht mit den Ägyptern. Doch Israel, der recht alt war, starb, und sein Sohn Josef brachte ihn nach Kanaan zurück, damit er bei seinen Vorvätern bestattet werden konnte. Israels Haus beweinte ihn zusammen mit den Ägyptern, die wie Familie waren. Israels Stamm lebte weiterhin in Ägypten und zählte jetzt viele tausend Menschen.

      Als der Pharao starb, kam ein neuer König an die Macht, der Israel nicht kannte, nicht seinen Sohn Josef und auch keinen seiner Nachkommen. Er betrachtete die Söhne Israels als Fremde auf ägyptischem Boden und verabscheute ihre Vielzahl und ihre Lebenskraft. Aus Angst, sie könnten sich erheben und Krieg gegen Ägypten führen, unterwarf der neue Pharao sie der Knechtschaft. Die Israeliten, seit jeher ein freies und stolzes Volk, waren nun unter dem Joch eines fremden Königs versklavt. Sie wurden gezwungen, Städte zu bauen und schwere Lasten zu tragen und die Arbeit von Ochsen zu verrichten, für nicht mehr als ein Stück Brotrinde.

      Aber Israels Volk war gewaltig und klug und der Not zum Trotz vermehrte es sich weiter. Und je zahlreicher sie wurden, desto mehr hasste der Pharao sie, bis er eines Tages befahl, ihre Söhne in den Nil zu werfen, damit sie den Samen Israels nicht mehr weitergaben.«

      Sie hielt inne und lächelte den kleinen Jungen an, der das Kleid seiner Mutter an seine Lippen gepresst hielt.

      »Aber Hass und Unterdrückung haben keinen Bestand, Elo'ah. Auch wenn viele Jahre vergehen: Die Rechtschaffenen siegen immer. Durch die Gnade Jahwes wurde Israels Stamm vom ägyptischen Joch befreit und von einem Mann namens Mose zurück ins Land Kanaan geführt, wo er wieder in Freiheit lebte und gedieh. Der Pharao vergab den Israeliten niemals, dass sie ihre Freiheit eingefordert hatten, und die Menschen Ägyptens und Israels, die einst Brüder gewesen waren, wurden zu lebenslangen Feinden.«

      Sie richtete ihren Blick auf die Gruppe und hob die Stimme ein wenig. »Gerade so wie Israels Stamm damals überdauerte, so werden es seine Nachfahren wieder tun. Selbst wenn das Blut auf der Erde bis zum Zaumzeug der Pferde hinaufreicht und das Meer mit Leichen übersät ist, werden die Söhne Israels auf den Bergen ihrer Vorfahren stehen und den Sieg über ihre Feinde erklären. Sie mögen schreckliche Armeen besitzen und Bronzestreitwagen und Katapulte, die riesige Steine schleudern, aber wir haben etwas, das ihnen fehlt: die Gunst unseres Herrn, unseres Gottes. Wendet euch nicht von eurem Glauben ab, auch nicht in solch harten Zeiten, und ihr werdet die Herrlichkeit Israels wiederhergestellt gesehen.«

      In dem stillen Raum konnte Basemat das An- und Abschwellen des Atems ihres Volkes hören. Die Flamme der Verwandtschaft wärmte sie. Eine der Älteren hinten im Kreis stimmte ein vertrautes Lied an. Ihre klaren Worte, tragische Erzählungen von Leids im Rhythmus eines Kriegsmarsches, hallten im Felsenschoß wider und schwollen an, als die anderen Frauen einfielen, eine nach der anderen. Bald sangen alle Münder einstimmig. Jede Note war honigsüß von Hoffnung und Errettung.

      Basemat glaubte, etwas zu hören, und entzog sich dem spontanen Chor. Ohne die anderen zu beunruhigen, lauschte sie.

      Ein schlurfendes Geräusch erklang von der Treppe.

      Sie spürte den eisigen Griff der Furcht um ihre Adern, als sich das Geräusch langsam näherte. Die Frauen sangen weiter, ohne die Tatsache zu bemerken, dass jemand in die Kammer eingedrungen war. Mit einem Herzschlag so wild wie ein Tier im Käfig richtete sie ihren Blick auf die dunkle Treppe.

      Ein Mann erschien aus den Schatten, dann noch einer. Und ein Weiterer. Alle trugen sie über ihren nackten Oberkörpern die goldenen Brustharnische ägyptischer Krieger. Sie keuchte. Der Gesang hörte auf und alle Köpfe drehten sich dem Tumult zu.

      Langsam stand Basemat auf und betrachtete die Eindringlinge mit hoch erhobenem Kopf. Ana lief zu ihr.

      Die Männer standen in zwei Reihen stramm. Ihr Speere waren neben ihnen in die Erde gebohrt. Ihr Anführer kam die Treppe herunter und stellte sich vor seine Soldaten. Um die Hüften trug er eine Bahn aus weißem Baumwollstoff, die in der Leiste zusammengerafft war und von einem goldenen Schild bedeckt wurde, der vor seinen Beinen herabhing. Eine dicke Bronzeplatte erstreckte sich von seiner Kehle über seine Schultern und bis zum unteren Ende seines Brustbeins. Ein bronzener Helm, von einer Schlange gekrönt, schützte seinen Kopf. Um seine Handgelenke lagen goldene Bänder. Er richtete seine kholumrandeten Augen zuerst auf Basemat und dann mit gierigem Blick auf Ana.

      »Lasst uns in Ruhe«, sagte Basemat und schützte den Körper ihrer Tochter mit ihrem eigenen. »Wir sind nur Frauen … Kinder. Wir sind keine Bedrohung für euer Volk.«

      Er warf den Kopf zurück und stieß kurze, böse Lacher aus. Er redete in einer Sprache, die sie verstand: Es war die Sprache ihrer Mutter. »Es ist nicht an euch, über euer Los zu wachen. Ihr seid nun das Eigentum des Pharao.« Er wandte sich an seine Männer. »Ergreift sie.«

      Die Männer richteten ihre Speere auf die fassungslosen Israelitinnen. Kinder klammerten sich an ihre Mütter. Ihr hysterisches Weinen erfüllte jeden dunklen Winkel der Kammer.

      Vier Soldaten machten sich daran, ihre Gefangenen mit Jute zu fesseln. Die Frauen schluchzten leise, als die Männer ihnen das Seil um die Taille schlangen, ihnen die Hände auf den Rücken banden und das Seil zur Nächsten führten, bis sie alle, durch ihre Fesseln bewegungsunfähig, an einer einzigen Kette lagen.

      Einem der Männer wurde aufgetragen, die Kinder an einer Stelle zusammenzutreiben. Manche fügten sich still, andere nicht. Eliezer, Sarais Sohn, trat einem der Soldaten gegen das Schienbein und schlüpfte dann aus seinem Griff wie ein lebender Fisch, als der Mann ihn zu packen versuchte. Der Junge, der gerade sein zehntes Lebensjahr erreicht hatte, war dem Ägypter ein lästiger Widersacher, der seinen Angriffen geschickt auswich und ihm spottete.

      »Eliezer, СКАЧАТЬ