DAS URTEIL. Daphne Niko
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Название: DAS URTEIL

Автор: Daphne Niko

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783958353213

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СКАЧАТЬ von seinem Vater, dem Hohepriester von Salomons Reich, in den Bräuchen des Herrn unterrichtet. Dennoch wusste er auch, wie man ein Schwert schwang, und er war aufgerufen worden, eine Rebellion gegen seinen König niederzuschlagen. Salomon belohnte Ahimaaz' Sieg mit einer wichtigen Statthalterschaft und dem wertvollsten Preis von allen: der Vermählung mit seiner erstgeborenen Tochter.

      Sie fing Ahimaaz' Blick und hielt eine Hand in die Höhe. Er erwiderte die Geste und einen langen Augenblick verharrten die beiden einander zugewandt und dachten über ihr Schicksal nach. Nichts Gutes erwartete sie, und beide wussten das. Der Mann, der Jagd auf sie machte, Pharao Scheschonq I., war ein schrecklicher Feind. Was er haben wollte, nahm er sich, ohne Warnung, ohne Gnade; das hatte er während seiner Regierungszeit wiederholt bewiesen.

      Die Kunde von seinem Feldzug gegen Kusch hatte Jerusalem vor Jahren erreicht. Seine Männer hatten die Grenzstädte mitten in der Nacht überfallen, Dörfer niedergebrannt und Menschen abgeschlachtet, während sie sich Napata näherten, alles im Namen der Kontrolle über den Goldhandel, der dort florierte, und um die Grenzen Oberägyptens bis zum vierten Katarakt des Nils auszudehnen.

      Vielleicht war die kuschitische Invasion eine Übung für Scheschonqs Eroberung der Ländereien, die er letzten Endes ins Auge gefasst hatte: Israel und Juda. Zu König Salomons Lebzeiten hatte der in Libyen geborene Pharao Ägyptens nicht den Versuch gewagt, in die uneinnehmbare Festung von Jerusalem einzudringen. Doch während der letzten Lebensjahre des Königs war deutlich geworden, dass der Staat ausblutete, politisch und spirituell. Ägypten hatte dieses Blut gerochen und seine Kreise gezogen, während es auf die Gelegenheit zum Angriff wartete.

      Vor einigen Wochen hatten Boten davon berichtet, dass Scheschonqs ägyptische Armee in nördlicher Richtung über die Meeresstraße ritt und dabei alles und jeden vernichtete, der zwischen ihnen und dem Sieg stand. Die Nachricht kündete von sechzigtausend Mann und fünftausend Streitwagen, von denen manche dem Seeweg nach Norden folgten und andere sich nach Osten in Richtung der Heiligen Stadt wandten. Kanaan war eingenommen worden, berichteten die Boten. Viele Städte waren gefallen. Häuser waren niedergebrannt worden, ihre Bewohner aufgespießt. Blut hatte die felsige Erde im Süden verfärbt. Die Opferzahl zu nennen war unmöglich, aber die bloße Vorstellung davon ließ Basemat vor Furcht zittern.

      Ahimaaz zog seinen Helm über sein schulterlanges, silberdurchwobenes Ebenholzhaar und entzündete mit einem Zuruf den Funken des Angriffs in seinen Männern. Mit ihren Speeren und ihrem Mut bewaffnet folgten die Reiter ihrem Feldherrn durch die Palasttore und ergossen sich über den Siedlungshügel und das Tal.

      Basemat sprach ein stummes Gebet für ihre Sicherheit. Ahimaaz führte keine herkömmliche Armee an, sondern vielmehr eine Widerstandsbewegung. Die Männer kamen aus allen Winkeln Israels und Judas geritten und organisierten sich in den Felsen von Gilboa, südöstlich von Megiddo. Für die Ägypter war die Wildnis Gilboas feindselig und das machte sie für die Widerstandskämpfer ideal, die die Launen der Berge kannten. Ihre Aufgabe bestand darin, den Feind zu schwächen, indem sie Informationen sammelten und Blitzangriffe ausführten, wenn die Ägypter unachtsam waren. Angesichts der riesigen Armee Scheschonqs war dies die beste und vielleicht einzige Hoffnung, die sie besaßen.

      Basemat drehte sich zur Terrasse um und betrachtete die Gesichter der Frauen und Kinder, die sich versammelt hatten und auf Anweisungen warteten. Die Kleinen weinten. Ihre dicken, lohfarbenen Finger klammerten sich an die Röcke ihrer Mütter. Säuglinge schrien verzweifelt und veranlassten ihre Mütter, ihnen die Brüste in die Münder zu schieben: Der größte Trost, den sie zu bieten hatten. Sogar die älteren Frauen, sonst gleichmütig angesichts der Gefahr, waren rastlos vor Furcht. Ein junges Mädchen musste von ihren Verwandten gestützt werden, die ihr abwechselnd übers Haar und die tränennassen Wangen strichen. Eine andere kniete neben einer der Säulen und übergab sich, spie die Dämonen aus, die sie quälten.

      Basemat richtete ihren Blick auf die alte Witwe Hannah. Unter den Schatten ihres kohlegrauen Schleiers war ihr Gesicht, wenngleich von Furchen des Alters und Prüfungen gezeichnet, so sanft und friedlich wie das einer Jungfrau. Während die anderen um sie herumschwirrten wie Bienen in einer Honigwabe, stand Hannah starr wie eine Säule da. Ihr Blick war zu Boden gerichtet und ihre Handflächen zum Himmel hin geöffnet. Ihre Lippen bewegten sich kaum merklich, während sie ein Gebet sprach.

      Basemat konnte das Flehen der Frau nicht hören, aber sie spürte seine Herrlichkeit. Sie war sich sicher, dass Hannahs Bittruf himmlischer Harmonie galt – ein Vogelgesang ohne Erwartung oder bewusstes Bestreben. Sie beneidete sie um ihren Frieden.

      Basemat suchte in der Menge nach ihrer Tochter. Ana unterwies eine Gruppe Mädchen ihres Alters in der Kunst, ein Chepesch zu führen, ein kanaanäisches Sichelschwert. Sie stand hinter einem der Mädchen und führte seine Hand mit ihrer eigenen, um ihm zu zeigen, wie man parierte. Es war ein Manöver, das ihr Vater ihr auf ihr eigenes Drängen hin beigebracht hatte, als sie elf Jahre alt war. Es war ihr Ritual, hatte Ana gesagt, um eine Frau zu werden.

      Mit beinahe dreizehn war Basemats einzige Tochter nun erwachsener, als es ihrem Alter entsprach, ein Abbild ihres königlichen Erbes und der Linie aus Anführern, in welche sie hineingeboren war. Sie beobachtete, wie Ana ihren jungen Freundinnen eine Abfolge mit dem Sichelschwert vorführte. Sie beherrschte die Klinge, als wäre sie eine Verlängerung ihres Arms, und wich einem vorgetäuschten Feind aus. Sie drehte sich auf den Fersen und schwang zum Angriff herum. Ihr unbedecktes Haar peitschte durch die Luft wie lange, schwarze Seidenbänder.

      Eines Tages, dachte Basemat, wird sie einen König heiraten. Es war mehr Vorahnung als flüchtige Eingebung und es schürte ihren Kampfgeist. Sie schuldete ihrer Tochter und allen Töchtern eine Zukunft.

      »Hört mir zu, Schwestern.« Sie wartete, bis das Stimmengewirr erstarb, bevor sie fortfuhr. »Der ägyptische Feind steht vor den Toren Megiddos. Unsere Männer tun, was sie können, um die Armee aufzuhalten. Die mächtigste Waffe, die wir nun führen können, ist unser Glaube. Seid stark vor Gott. Betet für unsere Soldaten. Betet für Israel.«

      »Ich will kämpfen, Mutter«, sagte Ana. »Ich will diesen Männern zeigen, woraus die Frauen unseres Landes gemacht sind.«

      »Die Zeit dafür wird kommen, Mädchen. Jetzt ist es unsere Pflicht, unsere Kinder und uns selbst zu schützen, damit das Leben fortbestehen kann. Wir müssen Zuflucht im Tunnel suchen.«

      Anas Augen weiteten sich. »Aber Mutter, das ist feige …«

      Basemat hielt eine Hand in die Höhe. »Sei still und gehorche. Kannst du den Rauch ihrer Fackeln nicht riechen? Kannst du ihre wilden Schreie nicht hören? Die Ägypter sind erbarmungslos. Sie wollen uns vernichten. Unsere beste Verteidigung liegt im Inneren der Festung. Wir müssen uns selbst retten, damit sie unser Volk nicht zerschlagen.«

      Das Mädchen senkte den Kopf und sprach kein Wort mehr.

      Lauter fuhr Basemat fort: »Der Feind weiß nichts von Megiddos Tunnel. König Salomon erbaute ihn, um unsere Wasserversorgung in Kriegszeiten zu sichern. Seine Existenz ist nur der Königsfamilie und den höchstrangigen Statthaltern bekannt.« Sie hielt inne und erwiderte die Blicke mehrerer Frauen, um ihre Aussage zu bekräftigen. »Dort werden wir sicher sein.«

      Die Frauen hatten Angst. Sie konnte es an ihren gefurchten Stirnen sehen, an ihren zusammengebissenen Zähnen, in den Schatten in ihren Augen. Es war ihre Pflicht, sie zu beschützen, nicht nur vor dem Feind, sondern auch vor sich selbst. Ihr Glaube war brüchig, zerfiel angesichts der Not. Nur Hannah und ein paar weitere Ältere blieben stark, denn sie hatten solche Zeiten gesehen und sie überlebt.

      Sie wandte sich an Ana. »Führe die Frauen in den Tunnel. Auf der Stelle.«

      Das Mädchen gehorchte ohne Widerspruch. Trotz all ihres Eigensinns wusste sie, wann СКАЧАТЬ