Название: Gesammelte Erzählungen von Anatole France
Автор: Anatole France
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027208852
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»Nach Villeneuve!« sagte der General, »wir wissen nun doch endlich, woran wir sind, das ist schon viel wert.«
Die Straße von Villeneuve war versperrt mit Kanonen, Munitionswagen und Artilleristen, die in ihren großen Mänteln schliefen. Das Auto konnte daher nur langsam vorwärts kommen.
Eine Marketenderin rief aus ihrem, mit chinesischen Lampions erhellten Wagen zu ihnen hinüber und bot ihnen Kaffee und Likör an.
»Wir geben Ihnen keinen Korb,« sagte der General, »denn wir haben im Manöver viel Staub schlucken müssen.«
Man trank ein Gläschen und fuhr dann bis Villeneuve, das von Infanterie besetzt war.
»Wo ist denn meine Brigade,« fragte der General beunruhigt. Sie befragten die Offiziere, die ihnen begegneten, aber niemand hatte irgendwelche Nachricht von der Brigade Ducuir.
»Was, keine Nachricht? die Brigade ist nicht hier in Villeneuve? das ist doch unglaublich.«
Jetzt klang eine Frauenstimme wie ein Glockenzeichen durch die Nacht.
»Meine Herren!«
Sie hoben die Köpfe und erblickten die Posthalterin, die den Kopf ganz voller Lockenwickel zum Fenster hinaussah.
»Meine Herren! es gibt zwei Villeneuve. Dies hier ist Villeneuve an der Claine, vielleicht wollen die Herren nach Villeneuve la Bataille.«
»Ja, das wird es wohl sein.«
»Aber das ist noch weit,« sagte die Posthalterin. »Erst müssen Sie nach Montil fahren … wissen Sie, wo das liegt?«
»Allerdings« erwiderte der junge Baron mit ironischem Lächeln.
»Nun gut, von dort aus fahren Sie nach St. Michel, dann nehmen Sie die Heeresstraße und …«
»Meine Herren …«
Diesmal war es der Notar von Villeneuve an der Claine, der seinen Rat an den Mann bringen wollte.
»Ich sollte meinen, um nach Villeneuve la Bataille zu kommen, täten Sie am besten, wenn Sie durch den Wald von Tongues fahren würden, dann biegen Sie rechts ab …«
»Schon gut, den Wald von Tongues kenne ich, ich habe da des öfteren gejagt, danke mein Herr, danke Fräulein.«
»Bitte keine Ursache,« erwiderte die Posthalterin.
»Zu Ihren Diensten meine Herren,« dienerte der Notar.
»Wollen wir uns nicht erst im Wirtshaus einen Cocktail brauen lassen,« schlug der Baron vor.
»Ja, ich würde gern etwas essen,« sagte Lacrisse, »ich bin schachmatt.«
»Ein bißchen Courage, meine Herren,«ermunterte der General. »In Villeneuve la Bataille können wir uns erholen.«
Nun ging es wieder los. Vorüber an unzähligen Dörfern und Flecken raste der Wagen und warf seinen gespenstischen Lichtkegel vor sich her in die schweigende Einsamkeit der Wälder.
Sie sahen Hirsche, die eiligst vor ihnen die Flucht ergriffen, sahen die Lichter in den Hütten der Köhler – plötzlich – in einem Hohlweg fahren sie erschrocken zusammen bei einem fürchterlichen Explosionsgetöse – der Wagen schleudert und stößt gegen einen Baum.
»Herrgott, was ist los!« ruft der General.
Lacrisse liegt auf dem Moose und seufzt schwer.
Der junge Baron hantiert mit der Laterne und spricht mit düsterer Stimme:
»Ein Reifen ist geplatzt, aber was viel schlimmer ist, die Vorderachse ist verbogen.«
Der verkannte Patriot
(Emile)
Fräulein Bergeret schwieg und lächelte still vor sich hin, was sonst nicht ihre Gewohnheit war.
»Warum lachst du, Zoë?«
»Ach, ich dachte an Emil Vincent.«
»Was, Zoë, du denkst an diesen ausgezeichneten Menschen, den wir so lieb hatten und den wir beweinen, und du kannst lachen?«
»Ich lache, weil mir einfiel, wie er früher war, und alte Erinnerungen sind immer die stärksten. Du müßtest übrigens wissen, Lucien, daß nicht jedes Lachen freudiger Art ist, wie auch nicht alle Tränen schmerzlich zu sein brauchen. Muß ich altes Mädchen dir das erst sagen?«
»O nein, Zoë, ich weiß wohl, daß das Lachen der Effekt eines nervösen Reizes sein kann. Als Frau Custine von ihrem Gatten Abschied nahm, der von dem revolutionären Gerichtshof zum Tode verurteilt war, wurde sie im Gefängnis von einem konvulsivischen Lachen befallen beim Anblick eines Gefangenen, der an ihr vorüberging in Schlafrock und Nachtmütze mit gepudertem Gesicht, einen Leuchter in der Hand.«
»Das läßt sich nicht vergleichen,« sagte Zoë.
»Nein, erwiderte Herr Bergeret, aber ich weiß wohl, was mir selbst passierte, als ich erfuhr, daß die arme Demay gestorben war, die in den Kaffees ihre lustigen Lieder zu singen pflegte.
»Es war an einem Empfangsabend in der Präfektur, als Worms Clavelin uns sagte:
›Die Demay ist tot.‹
»Ich hörte die Nachricht mit wirklicher Trauer. Und bei dem Gedanken, daß man nie wieder hören würde, wie dieses dicke Mädchen sang: ›Wenn ich Nüsse knacken will, setz ich mich darauf‹ grübelte ich über die ganze Schwermut, die darin lag, nach und schwieg. Der Generalsekretär Lacarelle brummte mit seiner rauhen tiefen Baßstimme in seinen Bart: ›Demay ist tot! Welch ein Verlust für die französische Heiterkeit.‹
›Es stand heute abend in der Zeitung,‹ bemerkte General Cartier mit sanfter Stimme, ›und es heißt sogar, die Person sei gestorben, versehen mit den heiligen Sakramenten.‹
»Bei diesen einfachen Worten hatte ich plötzlich eine ganz bizarre groteske Vorstellung. Ich sah im Geiste das jüngste Gericht, wie es im Dies irae nach dem Zeugnis von David und der Sybille beschrieben ist. Ich sah die Welt in Staub und Asche zerfallen, ich stellte mir vor, wie die Toten aus ihren Gräbern stiegen und sich beim Aufruf der Engel in Scharen um den Thron des Allmächtigen drängten, und ich sah die dicke Demay, die ganz nackend zur Rechten Gottes stand.
Bei diesem Gedanken packte mich ein tolles Lachen zum äußersten Befremden der hohen Militär-und Zivilbeamten.
Das Schlimmste war, ich war so in dieser Vision befangen, daß ich unter Lachen sagte:
›Sie werden sehen, meine Herren, die Demay wird durch ihre bloße Gegenwart beim jüngsten Gericht den Ernst der Situation gefährden.‹
Zoë, СКАЧАТЬ