Gesammelte Erzählungen von Anatole France. Anatole France
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Название: Gesammelte Erzählungen von Anatole France

Автор: Anatole France

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027208852

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СКАЧАТЬ Meinung zu bringen, er glaubte daher wie die Bewohner von St. Omer an die Existenz von Putois, aber er gab nicht zu, daß er direkt an dem Melonendiebstahl oder an der Verführung von Köchinnen beteiligt sei. Er bekannte sich zu dem Glauben an die Existenz von Putois als ein richtiger Einwohner von St. Omer, aber er brauchte Putois nicht, um die Begebenheiten zu erklären, die sich in der Stadt zutrugen. So war er in dieser Beziehung wie in jeder anderen ein vortrefflicher, verständiger Mann.

      »Was unsere Mutter betrifft, so warf sie sich ein wenig Putois’ Entstehung vor und nicht ohne Grund. Denn Putois war aus einer Lüge unserer Mutter geboren, wie Caliban aus der Lüge des Dichters. Gewiß war das Unrecht nicht dasselbe und meine Mutter viel unschuldiger als Shakespeare, aber sie war doch erschrocken und verwirrt, als sie sah, daß ihre harmlose Lüge ins Ungeheure angewachsen war und welch lebhafte Wirkung ihre leichtfertige Vorspiegelung hatte, die schier kein Ende nehmen wollte, sich bereits über die ganze Stadt verbreitet hatte und drohte, sich über die ganze Welt zu erstrecken. Eines Tages erbleichte sie vor Schreck und dachte nicht anders, als daß ihre Lüge Fleisch und Blut angenommen habe. An jenem Tage kam das Dienstmädchen, das erst vor kurzem im Hause und in der Gegend war, zu meiner Mutter und sagte, es sei ein Mann da, der sie sprechen möchte.

      ›Was für ein Mann?‹ fragte sie.

      ›Ein Mann in einer Bluse, er sieht aus wie ein Arbeiter vom Lande.‹

      ›Hat er seinen Namen nicht genannt?‹

      ›Ja, Madame.‹

      ›Wie heißt er?‹

      ›Putois.‹

      ›Er sagte Ihnen, er hieße …‹

      ›Putois, jawohl, Madame.‹

      ›Ist er noch da?‹

      ›Ja, Madame, er wartet in der Küche.‹

      ›Und Sie haben ihn gesehen?‹

      ›Ja, Madame.‹

      ›Was will er denn?‹

      ›Das hat er nicht gesagt. Er will es nur Madame selbst sagen.‹

      ›Gehen Sie hin und fragen Sie ihn, was er wolle.‹

      »Als das Mädchen in die Küche zurückkam, war Putois nicht mehr da. Dieses Zusammentreffen von Putois mit dem fremden Mädchen ist niemals aufgeklärt worden, und es scheint, daß meine Mutter von diesem Tage an zu glauben begann, es sei doch möglich, daß Putois wirklich existiere, und daß sie füglich nicht gelogen habe.«

      Riquet

       Inhaltsverzeichnis

      (Der Umzug – Gedanken eines Hundes)

      Der Umzug

      Da der Umzugstermin gekommen war, verließ Herr Bergeret mit seiner Schwester das alte, verfallene Haus in der Rue de Seine, um sich in einer modernen Wohnung in der Rue Vaugirard niederzulassen, denn so hatten Zoë und das Schicksal es beschlossen. Während der langen Umzugsstunden irrte Riquet traurig durch die verödeten Räume. In seinen liebsten Gewohnheiten sah er sich gestört. Unbekannte, schlechtgekleidete, lärmende, grobe Leute schreckten ihn aus seiner Ruhe auf. Sie kamen bis in die Küche und stießen mit den Füßen gegen seinen Breiteller und Wassernapf. Und immer wieder zogen sie die Teppiche und Stühle unsanft unter seinem armen Hinterteil fort, so daß er schließlich nicht mehr wußte, wo er sich in seinem eigenen Hause niederlassen sollte.

      Wir wollen zu seiner Ehre sagen, daß er zuerst einigen Widerstand versuchte. Als man den Springbrunnen forttrug, hatte er den Feind wütend angebellt. Aber niemand war auf sein Rufen gekommen. Er sah, man ermutigte ihn nicht, im Gegenteil, es unterlag keinem Zweifel, er war der Geschlagene. Fräulein Zoë hatte ihm kurz zugerufen: »Schweig!«, und Pauline hatte gesagt: »Riquet, du machst dich ja lächerlich.«

      Daher verzichtete er darauf, unnütze Warnungen laut werden zu lassen und allein für das allgemeine Wohl zu kämpfen. Er beklagte im stillen den Ruin des Hauses und suchte vergeblich von Zimmer zu Zimmer nach ein bißchen Ruhe. Wenn die Umzeugsleute in die Stube kamen, in die er sich geflüchtet hatte, versteckte er sich vorsichtshalber unter einen Tisch oder eine Kommode, die noch da standen. Aber das schadete ihm mehr, als daß es ihm nützte, denn alsbald fing das Möbel über ihm an zu wackeln, hob sich, fiel wieder auf ihn zurück und drohte, ihn zu erdrücken. Mit stierem Blick und gesträubten Haaren nahm er Reißaus und floh in einen andern Versteck, wo es ihm nicht besser erging als das erstemal …

      Aber diese Unbequemlichkeiten, ja selbst Gefahren, waren nichts im Vergleich mit den Qualen, die sein Herz erlitt. In ihm war das Sittlichkeitsgefühl, wie man sagt, am schwersten verletzt.

      Die Möbel der Wohnung waren für ihn nicht tote Dinge, sondern lebende, wohlwollende Wesen, gütige Genien, deren Fortgang schweres Unheil verkündigte. Teller, Zuckerdosen, Herd und Töpfe, alle die Gottheiten der Küche, Stühle, Teppiche, Kissen, alle die Fetische der Wohnräume, seine Laren, seine Hausgötter waren fort. Er glaubte, daß ein so furchtbares Unglück niemals wieder gut zu machen sei.

      Das erfüllte ihn mit einem so gewaltigen Kummer, wie ihn seine kleine Seele nur zu fassen vermochte. Glücklicherweise aber war sie gleich der menschlichen Seele leicht zu zerstreuen und bereit, alles Übel zu vergessen.

      Während der langen Abwesenheit der Umzugsleute, da der Besen der alten Angelika den alten Staub aus den Winkeln kehrte, spürte Riquet den Geruch einer Maus, verfolgte er die Spur einer Spinne, und seine Gedanken fanden darin eine Zerstreuung. Aber bald verfiel er wieder in seine große Traurigkeit.

      Als er am Auszugstage sah, daß die Dinge sich immer mehr verschlimmerten, geriet er in Verzweiflung. Ganz besonders schaurig kam es ihm vor, daß man die Wäsche in dunkle Kisten packte. Pauline legte ihre Kleider mit froher Hast in einen Koffer, und Riquet wandte sich von ihr ab, als begehe sie eine unrechte Handlung. Er kauerte sich in einen Winkel und dachte – das ist das Schlimmste von allem!

      Sei es nun, daß er glaubte, die Dinge hörten auf zu sein, wenn er sie nicht mehr sehen konnte, sei es, daß er nur einen peinlichen Anblick vermeiden wollte, er blickte absichtlich nicht nach der Seite hin, wo Pauline war. Zufällig bemerkte sie beim Hin-und Hergehen Riquets Stellung. Die war kläglich genug, aber Pauline fand sie komisch und fing an zu lachen. Und lachend rief sie: »Komm, Riquet, komm!« Aber er rührte sich nicht und wandte nicht einmal den Kopf. Ihm war in diesem Augenblick nicht danach zumute seine junge Herrin zu liebkosen, und in geheimem Instinkt, aus einer Art böser Ahnung heraus, hatte er Furcht, sich dem gähnenden Koffer zu nähern. Mehrere Male rief sie ihn, und als er nicht kam, nahm sie ihn auf den Arm.

      – – »U je,« sagte sie, »wie unglücklich ist er! Wie muß man ihn bedauern!«

      Das sagte sie ironisch. Aber Riquet verstand keine Ironie. Er lag teilnahmslos und tot in Paulines Arm und tat, als sähe und höre er nichts.

      »Riquet, schau mich an!«

      Dreimal kam die Mahnung, aber dreimal vergebens.

      Da simulierte Pauline einen heftigen Zorn, und mit den Worten: »Verschwinde, dummes Tier« warf sie Riquet in den Koffer СКАЧАТЬ