Gesammelte Erzählungen von Anatole France. Anatole France
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Название: Gesammelte Erzählungen von Anatole France

Автор: Anatole France

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027208852

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СКАЧАТЬ gerade in diesem Augenblick rief, ging sie aus dem Zimmer und ließ Riquet im Koffer.

      Er war sehr in Sorge und, weit davon entfernt, zu vermuten, daß er nur aus Spielerei und zum Spaß in den Koffer gesperrt sei, bemühte er sich, die ohnehin schon recht fatale Situation nicht noch durch seine eigene Unklugheit zu verschlimmern. So verhielt er sich einige Augenblicke ganz regungslos und wagte nicht zu atmen. Dann erschien es ihm nützlich, sein finsteres Gefängnis zu erforschen.

      Er betastete mit seinen Pfoten die Unterröcke und Hemden, auf die man ihn in so erbärmlicher Weise geworfen hatte, und suchte nach einem Ausgang aus dem verhängnisvollen Ort. Er machte sich schon seit zwei oder drei Minuten damit zu schaffen, als Herr Bergeret zum Ausgehen gerüstet ins Zimmer trat und rief:

      »Komm, Riquet, komm! Wir wollen am Kai spazieren gehen. Dort ist die wahre Ruhmesstätte. Man hat da einen Bahnhof gebaut von geradezu erhabener Mißgestalt und auffallender Häßlichkeit. Die Architektur ist eine verloren gegangene Kunst. Man demoliert das Haus an der Ecke von der Rue du Bac, das so gut aussah. Natürlich wird man dafür irgendeinen häßlichen Neubau hinsetzen. Wenn die Architekten doch wenigstens nicht an unserem Quai d’Orsay den barbarischen Stil einführen wollten, von dem sie auf den Champs Elysées an der Ecke der Rue de Washington ein so fürchterliches Beispiel gegeben haben … Wir wollen am Kai spazieren gehen. Dort ist die wahre Ruhmesstätte. Aber die Architektur ist sehr herabgekommen seit Gabriel und Louis … Wo ist der Hund? … Riquet! Riquet!« Herrn Bergerets Stimme war ein großer Trost für Riquet. Er antwortete, indem er mit seinen Pfoten wie toll gegen die Seitenwände des Weidenkorbes kratzte.

      »Wo ist der Hund?« fragte Herr Bergeret Pauline, die eben mit einem Stapel voll Wäsche im Arm zurückkam.

      »Er ist im Koffer, Papa.«

      »Was? er steckt im Koffer, warum denn das?« fragte Herr Bergeret.

      »Weil er dumm war,« antwortete Pauline.

      Herr Bergeret befreite seinen Freund, und Riquet folgte seinem Herrn schwanzwedelnd in den Hausflur. Da fuhr ihm ein Gedanke durch den Kopf. Flugs kehrte er um, lief zu Pauline zurück, stemmte sich mit den Vorderpfoten gegen ihre Kleider, und erst nachdem er sie zum Zeichen der Anbetung wie toll geküßt hatte, holte er seinen Herrn auf der Treppe ein. Er hatte geglaubt, es an Klugheit und Verehrung haben fehlen zu lassen, wenn er einer Person, die die Macht besaß ihn in einen tiefen Koffer zu versenken, nicht seine Liebe bezeugt hätte.

      Auf der Straße bot sich Herrn Bergeret und Riquet das erbärmliche Schauspiel dar, daß ihre Möbel auf dem Trottoir herumstanden.

      Während die Umzugsleute in der Gaststube an der Ecke ein Glas Bier tranken, spiegelte Fräulein Zoës Schrank die Vorübergehenden wieder: Arbeiter, Schüler der Beaux Arts, junge Mädchen, Kaufleute, Wagen und Karren und die Apotheke mit den farbigen Pokalen und dem Äskulapstab. Gegen einen Grenzstein gelehnt, lächelte Großvater Bergeret in seinem Rahmen mit seiner sanften Miene in dem feinen blassen Gesicht unter den flatternden Haaren. Herr Bergeret betrachtete seinen Vater mit liebevoller Ehrerbietung und setzte ihn vom Grenzstein weg. Er stellte auch den kleinen Nipptisch von Zoë, der aussah, als schäme er sich, auf der Straße zu sein, an einen sicheren Ort.

      Indessen kratzte Riquet mit seinen Pfoten an den Beinkleidern seines Herrn und blickte ihn aus seinen schönen, traurigen Augen an, als wollte er sagen:

      »Solltest du, der du einst so reich und mächtig warst, arm geworden sein? Solltest du machtlos geworden sein, teurer Herr? Du läßt Leute, die in Lumpen gekleidet sind, in dein Wohnzimmer dringen, in dein Schlafzimmer, in dein Speisezimmer, läßt es zu, daß sie über deine Möbel herfallen und sie hinausschleppen. Deinen bequemen Lehnstuhl, in dem wir alle Abend ausruhten und auch manchmal morgens dicht nebeneinander, den haben sie auf die Treppe geschleppt. Ich hörte, wie er unter den rauhen Griffen der schlecht gekleideten Leute seufzte, unser guter, alter Lehnstuhl, der ein großer Fetisch ist und ein gütiger Geist. Du hast dich diesen Eindringlingen nicht widersetzt. Wenn dir keine der Genien bleibt, von denen deine Wohnung voll war, nickt einmal die kleinen Gottheiten, die du jeden Morgen, wenn du aus dem Bette sprangst, an deine Füße zogst und in die ich spielend hineinbiß, wenn du so arm, so elend bist, o Herr, was soll dann aus mir werden?«

      Gedanken eines Hundes

      1.

      Die Menschen, Tiere und Steine werden immer größer, je mehr man sich ihnen nähert, und sie sind kolossal, wenn sie sich über mir befinden. Ich bleibe hingegen immer gleich groß, wo ich auch sei.

      2.

      Wenn mein Herr mir unter dem Tisch einen Bissen reicht, den er in seinen Mund stecken will, so tut er das, um mich auf die Probe zu stellen und um mich zu strafen, wenn ich der Versuchung unterliege. Denn ich kann nicht glauben, daß er sich meinetwegen beraubt.

      3.

      Der Geruch der Hunde ist deliziös.

      4.

      Mein Herr hält mich warm, wenn ich hinter ihm in seinem Lehnstuhl liege. Das kommt daher, weil er ein Gott ist. Vor dem Kamin befinden sich Marmorfliesen, die ebenfalls warm sind. Diese Fliesen sind göttlich.

      5.

      Ich spreche, wenn es mir beliebt. Aus dem Munde des Herrn kommen auch Töne, die einen gewissen Sinn haben. Aber es ist lange nicht so deutlich zu verstehen wie das, was ich durch den Laut meiner Stimme ausdrücke. In meinem Munde hat alles einen Sinn, aus dem Munde des Herrn kommt sehr viel überflüssiges Geräusch. Es ist schwer, aber notwendig, die Gedanken des Herrn zu erraten.

      6.

      Essen ist gut. Gegessen haben ist besser. Denn der Feind, der auf der Lauer liegt, um einem das Futter zu entreißen, ist schlau und flink.

      7.

      Alles vergeht und hat ein Ende, nur ich bleibe.

      8.

      Ich befinde mich stets im Mittelpunkt, und Menschen, Tiere und Dinge umgeben mich, wohlgesinnt oder feindlich.

      9.

      Im Schlaf sieht man Menschen, Hunde, Häuser, Bäume, angenehme und schreckliche Gestalten. Wenn man erwacht, sind diese Gestalten verschwunden.

      10.

      Betrachtung. Ich liebe meinen Herrn, denn er ist mächtig und schrecklich.

      11.

      Eine Tat, für die man geprügelt wird, ist eine schlechte Tat. Eine Tat, für die man Liebkosungen oder Futter empfängt, ist eine gute Tat.

      12.

      Wenn die Nacht hereinbricht, streichen böse Mächte um das Haus. Ich belle, damit mein Herr aufmerksam wird und sie verjagt.

      13.

      Gebet. O mein Herr, blutiger Gott! ich bete dich an. Schrecklicher, sei gepriesen! Großmütiger, sei gelobt. Ich krieche zu deinen Füßen, ich lecke deine Hände. Du bist gewaltig und schön, wenn du am besetzten Tische große Massen von Fleisch verschlingst. Du bist gewaltig und schön, wenn du vermöge eines winzigen Hölzchens eine Flamme hervorspringen läßt und die Nacht in Tag verwandelst. Behalte mich in deinem Hause und lasse jeden anderen Hund daraus verbannt sein. Und dich, Angelika, Köchin, erhabene, gütige Göttin, СКАЧАТЬ