Название: Sprachkunst
Автор: Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961896592
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Eine Geschichte handelt von einem Spuk der eigentlich keiner war. Ein Hund namens Waldi trieb nur sein Unwesen. Kein Geist, kein Spuk nur ein Hund.
Eine andere Geschichte handelte von einer verunglückten Floßfahrt. Auf dem Fluss Lenne über die Ruhr in den Rhein und dann in die Nordsee schwamm mein Floß. Ein Wal machte solche Wellen, dass ich vom Floß rutschte. Ich landete auf dem Meeresboden. Ein großer Rochen nahm mich auf seinem Rücken, bis ein Kraken mich packte und auf einen Hammerhai setzte. Der stellte mich Neptun vor. Seine Seepferdchen brachten mich zurück an Land. Dort lag der Wal und sollte verspeist werden. Ich rettete ihn, dafür schenkte mir Neptun einen Zoo mit dem ich wohlhabend wurde.
Für eine meiner kürzesten Geschichte erhielt ich eine Eins. Diese Geschichte handelte von meinen Wasserschildkröten Flip und Flap. Einem der beiden ist es eines Tages wirklich gelungen aus dem Terrarium zu klettern und verschwand hinter einer Schrankwand. Die Schildkröte hätte vertrocknen können. Diesem Schrecken musste ich in einer Geschichte Luft machen.
Ein Stimmungsbild bekam eine Zwei. „Ein Tag am Strand“ war mein Thema. Meine vielen Metaphern in der Beschreibung waren der Auslöser für die Begeisterung meiner Lehrerin. Eine Sonne, die von einem großen Maul verschluckt wird. Ein Horizont in Flammen der gelöscht werden muss, obwohl es nur ein Sonnenuntergang war.
ZWEI STUNDEN BEI WINDSTÄRKE 8 war ein Erlebnisbericht über eine Fischkutterfahrt auf der tosenden Ostsee. Wir hatten eine Klassenfahrt in die Jugendherberge von Eckernförde gemacht. Bei diesem Ausflug mit dem Fischkutter waren nur vier meiner Mitschüler kotzfrei geblieben. An jeder Stelle der Reling waren die Kotzspuren in allen Farben zu sehen. Eklig! Die meisten hatten nicht wirklich viel von diesem Ausflug auf die Ostsee. Aber auch dieser Bericht wurde mit gut benotet.
Anders erging es einem Erlebnisbericht über die Stadt London. Wir Schüler bekamen die Aufgabe einen Abend in London zu beschreiben. Als Tatsachenbericht oder Zustandsbeschreibung.
Ich war dermaßen von London überwältigt, dass ich ein episches Werk aus dem Bericht machte. Mit fantastischen Gefühlsüberwältigungsbeschreibungen und natürlich Metaphern, weil die Beschreibung eines Bildes mir nie reichte. Ich brauchte mehr und schrieb mehr.
Big Ben der Uhrenturm am Parlamentsgebäude hatte mich gefangen genommen. Sein dröhnender Klang ließ sogar den Straßenbelag vibrieren, so kam es mir vor und das schrieb ich auch voller Enthusiasmus. Wolken, die auf Big Ben zusteuern, reißen auseinander vor Ehrfurcht vor dem Turm und seiner spitzen Spitze. Das Glockenspiel klang fast wie ein Schluchzen aus tiefster Seele. Wie ein Hilferuf: „Ich bin so einsam.“
Ich war von meinen eigenen Gefühlsbeschreibungen überwältigt und gab gerne meine Arbeit bei dem Lehrer ab, wusste ich doch, welch großartigen Bilder und Gefühle ich beschrieben hatte. Jetzt konnte die Eins kommen.
Nichts war es mit einer guten Note. Ich bekam eine meiner schlechtesten Note meiner gesamten Schulzeit. Eine Fünf. Thema verfehlt! Ein Zustandsbericht ist sachlich, klar. Erzählt nicht, sondern beschreibt konkrete Beobachtungen. Punkt!
London sachlich beschreiben? Wie das denn? Für mich war der Lehrer ein ungehobelter unsensibler, nicht zu beeindruckender Korinthenkacker, dem gute Literatur wohl völlig fremd war. Ich war zutiefst geschockt, verärgert und beleidigt.
Der Lehrer hörte aber nicht auf in der Wunde herumzustochern. Vor der gesamten Klasse las er Textzeilen vor. Der Lehrer hatte seinen Spaß und die Schüler lachten mit über einen „so großen Blödsinn“. Es wurde mir heiß, ich lief rot an. Mir war es plötzlich peinlich meinen Gefühlen voller Fantasie freien Lauf gelassen zu haben und wollte keinen Zustandsbericht. Ich wollte den großen Roman. Das dieser Lehrer es gewagt hatte meine Geschichte in den Schmutz zu treten. Ungeheuerlich! Ich begann diesen Lehrer wirklich abgrundtief zu hassen. Noch heute kann ich mich über diesen Lehrer mächtig ereifern. Ich kann ihm diese Tat nicht verzeihen.
Er hätte mir ja „nur“ die Arbeit mit der schlechten Note zurückgeben können, aber nein. Er musste sich ja noch in meiner Verschämtheit, in meiner Peinlichkeit wälzen.
Konkretes wurde mir immer unbeliebter. Lieber malte ich Bilder wie... oder als ob... oder weil... Es musste immer mehr herhalten, als das Objekt hergab. Fand ich einfach spannender.
Ich lernte aus dem Sachverhalt eine Menge. Zuerst kommen das Thema und dann der Inhalt. Wenn es denn so sein muss. Das lehrte mich für spätere Zeiten genauer hinzusehen. Als ich über die japanische Gedichtform HAIKU stolperte, las ich erst drei Monate Lektüre zum Thema, dann die dazugehörenden Haiku und dann ging es erst an meine eigenen Werke. Hat der Berichtsvorfall doch noch was bewirkt und ich wurde wirklich konkret, was aber nicht allen Lesern und Kritikern gefiel.
In der Schulzeit gab es auch immer mal wieder Texte die mich völlig beeindruckten. Von denen ich mehr lesen wollte. Die ich sogar bis heute fast vollständig auswendig aufsagen kann. Da ist zum einen der Liedtext DER MOND IST AUFGEGANGEN von Matthias Claudius. Von 1779. Ein uraltes Lied, welches meine Mutter mir immer vorsingen musste, weil ich es mir wünschte. Unheimlich schön und tief traurig. Deutsche Romantik und Melancholie verquickt zu wunderschönen Versen. Das dieser Liedtext dann auch in der Schule Thema wurde, freute mich sehr. Wie ich dieses Lied doch liebe. Aber immer wieder eine Qual. Ja, Qual! Wenn ich nur die ersten Zeilen lese, kommen mir schon die Tränen. Vorsingen könnte ich es niemals, dann würden Bäche laufen. Unglaublich diese Anrufung Gottes, dem man sein ganzes Leben in die Hände legt und das Flehen einer solchen Macht uns sanft in den Himmel mitzunehmen. Als Kind schon fand ich es schrecklich, jemanden den man nicht sieht anzuflehen und dann kann er uns noch mit Tod und Sünde strafen. Für eine Kinderseele viel zu viel.
Dann gab es noch das Gedicht IN DIESER MINUTE von Eva Rechlin. Ein Gedicht zum Zustand „jetzt – auf dieser Welt“. Das faszinierte mich und brachte mich dazu, über die Welt nachzudenken. Vorher war die Welt so klein und winzig. Ich kannte die elterliche Wohnung, Kindergarten und den Wald zum Spielen. Meine kleine Welt. Wieso sollte ich mir Gedanken machen über die Antarktis? Warum über ein Kamel in der Wüste nachdenken? Dieses Gedicht lies mich über die Grenzen schauen und ich machte mir Gedanken über fremde Länder, Menschen und Kontinente. Eine echte Bereicherung. Später schrieb ich ein Theaterstück gleichen Namens und gleichen Themas.
Und auch das nächste Gedicht ist von schlagkräftiger Traurigkeit: HERR VON RIBBECK AUF RIBBECK IM HAVELLAND von Theodor Fontane. Ich war zutiefst traurig über den jungen Herrn von Ribbeck. Er ließ keine Kinder mehr an die Früchte des Birnbaums. Der gestorbene Alte traute seinem eigenen Sohn nicht und ließ sich eine Birne ins Grab legen, damit, wenn der Baum groß genug wachsen würde, wieder Kinder von seinen Früchten essen konnte. Herrlich. Ich war geschockt von der Bosheit des Jungen von Ribbeck und erleichtert über die Großherzigkeit des Alten.
Kapitel 3: Literaturspielchen
Ich war und bin ein Gesellschaftsspiele-Fan. In der Familie waren wir immer sehr verspielt. Wenn Freunde und Bekannte sich trafen, gab es immer wieder gesellige Spiele. Mensch-ärgere-Dich-nicht, Tabu oder Nobody’s perfekt gehören ebenso dazu, wie Kartenspiele. Ich fand auch Literatur-Spiele einfach nur genial.
Zum Beispiel: Jeder denkt sich ein Wort aus und aus allen gesammelten Wörtern muss man in drei oder fünf Minuten eine kurze Geschichte schreiben, in der alle genannten Wörter vorkommen müssen.
Oder auch das alte Schreibspiel СКАЧАТЬ