Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер
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Название: Gesammelte Werke von Gustave Flaubert

Автор: Гюстав Флобер

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027209903

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СКАЧАТЬ stark und schön und tapfer, begeisterungsfähig und liebeserfahren zugleich, mit einem Dichterherzen und einem Engelskörper, ein Schwärmer und Sänger, warum war sie ihm nicht zufällig begegnet? Ach, weil das eine Unmöglichkeit ist! Weil es vergeblich ist, ihn zu suchen! Weil alles Lug und Trug ist! Jedes Lächeln verbirgt immer nur das Gähnen der Langweile, jede Freude einen Fluch, jeder Genuß den Ekel, der ihm unvermeidlich folgt! Die heißesten Küsse hinterlassen dem Menschen nichts als die unstillbare Begierde nach der Wollust der Götter!

      Eherne Klänge dröhnten durch die Luft. Die Klosterglocke schlug viermal. Vier Uhr! Es dünkte Emma, sie säße schon eine Ewigkeit auf ihrer Bank. Unendlich viel Leidenschaft kann sich in einer Minute zusammendrängen, wie eine Menschenmenge in einem kleinen Raume….

      Emma lebte nur noch für sich selbst. Die Geldangelegenheiten kümmerten sie nicht mehr. Aber eines Tages erschien ein Mann von schäbigem Aussehen und erklärte, Herr Vinçard in Rouen schicke ihn her. Er zog die Stecknadeln heraus, mit denen er die eine Seitentasche seines langen grünen Rockes verschlossen hatte, steckte sie im Ärmelaufschlag fest und überreichte ihr höflich ein Papier. Es war ein Wechsel auf siebenhundert Franken, den sie ausgestellt hatte. Lheureux hatte ihn seinem Versprechen entgegen an Vinçard weitergegeben.

      Sie schickte Felicie zu dem Händler. Er könne nicht abkommen, liess er zurücksagen. Der Unbekannte hatte stehend gewartet und dabei hinter seinen dichten blonden Augenlidern neugierige Blicke auf Haus und Hof gerichtet. Jetzt fragte er einfältig:

      »Was soll ich Herrn Vinçard ausrichten?«

      »Sagen Sie ihm nur«, gab Emma zur Antwort, »… ich hätte kein Geld! Vielleicht in acht Tagen … Er solle warten … Ja, ja, in acht Tagen!«

      Der Mann ging, ohne etwas zu erwidern. Aber am Tage darauf erhielt sie eine Wechselklage. Auf der gestempelten Zustellungsurkunde starrten ihr mehrfach die Worte »Hareng, Gerichtsvollzieher in Büchy« entgegen. Darüber erschrak sie dermaßen, daß sie spornstreichs zu Lheureux lief.

      Er stand in seinem Laden und schnürte gerade ein Paket zu.

      »Ihr Diener!« begrüßte er sie. »Ich stehe Ihnen sogleich zur Verfügung!«

      Im übrigen ließ er sich in seiner Beschäftigung nicht stören, bei der ihm ein etwa dreizehnjähriges Mädchen half. Es war ein wenig verwachsen und versah bei dem Händler zugleich die Stelle des Ladenmädchens und der Köchin.

      Als er fertig war, führte er Frau Bovary hinauf in den ersten Stock. Er ging ihr in seinen schlürfenden Holzschuhen auf der Treppe voran. Oben öffnete er die Tür zu einem engen Gemach, in dem ein großer Schreibtisch mit einem Aufsatz voller Rechnungsbücher stand, die durch eine eiserne, mit einem Vorhängeschloß versehene Stange verwahrt waren. An der Wand stand ein Geldschrank von solcher Größe, daß er sichtlich noch andre Dinge als bloß Geld und Banknoten enthalten mußte. In der Tat lieh Lheureux Geld auf Pfänder aus. In diesem Schrank lagen unter anderm die Kette der Frau Bovary und die Ohrringe des alten Tellier. Der ehemalige Besitzer des Café Français hatte inzwischen sein Grundstück verkaufen müssen und in Quincampoix einen kleinen Kramladen eröffnet. Dort ging er seiner Schwindsucht langsam zugrunde, inmitten seiner Talglichte, die weniger gelb waren als sein Gesicht.

      Lheureux setzte sich in seinen großen Rohrstuhl und fragte:

      »Na, was gibts Neues?«

      Emma hielt ihm die Vorladung hin.

      »Hier, lesen Sie!«

      »Ja, was geht denn mich das an?«

      Diese Antwort empörte sie. Sie erinnerte ihn an sein Versprechen, ihre Wechsel nicht in Umlauf zu bringen. Er gab das zu.

      »Aber notgedrungen hab ichs doch tun müssen! Mir saß selber das Messer an der Kehle!«

      »Und was wird jetzt geschehn?«

      »Ganz einfach! Erst kommt ein gerichtlicher Schuldtitel und dann die Zwangsvollstreckung! Schwapp! Ab!«

      Emma konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Sie hätte ihm beinahe ins Gesicht geschlagen. Ruhig fragte sie, ob es denn kein Mittel gebe, Herrn Vinçard zu vertrösten.

      »Den und vertrösten! Da kennen Sie Vinçard schlecht! Das ist ein Bluthund!«

      Dann müsse eben Lheureux einspringen.

      »Hören Sie mal,« entgegnete er, »mir scheint, daß ich schon genug für Sie eingesprungen bin! Sehen Sie!« Er schlug seine Bücher auf: »Hier! Am 3. August zweihundert Franken … am l7. Juni hundertundfünfzig Franken … am 23. März sechsundvierzig Franken … am 10. April….«

      Er hielt inne, als fürchte er eine Dummheit zu sagen.

      »Dazu kommen noch die Wechsel, die mir Ihr Mann ausgestellt hat, einen zu siebenhundert und einen zu dreihundert Franken! Von Ihren ewigen kleinen Rechnungen und den rückständigen Zinsen gar nicht zu reden! Das ist ja endlos! Da findet sich ja gar niemand mehr hinein! Ich will nichts mehr mit der Sache zu tun haben!«

      Emma fing an zu weinen, nannte ihn sogar ihren lieben guten Lheureux, aber er verschanzte sich immer wieder hinter »diesen Schweinehund, den Vinçard«. Übrigens verfüge er selber über keinen roten Heller in bar. Kein Mensch bezahle ihn. Man zöge ihm das Fell über die Ohren. Ein armer Händler, wie er, könne nichts borgen.

      Emma schwieg. Lheureux nagte an einem Federhalter. Durch ihr Schweigen sichtlich beunruhigt, sagte er schließlich:

      »Na, vielleicht … wenn dieser Tage was einkommt….«

      Sie unterbrach ihn:

      »Wenn ich die letzte Rate für das Grundstück in Barneville bekomme….«

      »Wieso?«

      Er tat so, als sei er sehr überrascht, daß Langlois noch nicht gezahlt habe. Mit honigsüßer Stimme sagte er:

      »Na, da machen Sie mal einen Vorschlag!«

      »Ach, den müssen Sie machen!«

      Er schloß die Augen, als ob er sich etwas überlegte. Hierauf schrieb er ein paar Ziffern, und dann erklärte er, er käme sehr schlecht dabei weg, die Geschichte sei faul und er schneide sich in sein eignes Fleisch. Schließlich füllte er vier Wechsel aus, jeden zu zweihundertundfünfzig Franken, mit Fälligkeitstagen, die je vier Wochen auseinanderlagen.

      »Vorausgesetzt natürlich, daß Vinçard darauf eingeht!« sagte er. »Mir solls ja recht sein! Ich fackle nicht lange! Bei mir gehr alles wie geschmiert!«

      Er zeigte ihr im Vorbeigehen schnell noch ein paar Neuigkeiten.

      »Es ist aber nichts für Sie darunter, gnädige Frau!« meinte er. »Wenn ich bedenke: dieser Stoff, das Meter zu drei Groschen und angeblich sogar waschecht! Die Leute reißen sich drum! Man sagt ihnen natürlich nicht, was wirklich dran ist…. Sie könnens sich ja denken!«

      Durch derlei Geständnisse seiner Unreellität andern gegenüber sollte er sich bei ihr als desto ehrlicher hinstellen. Emma war bereits an der Tür, als er sie zurückrief und ihr drei Meter Brokatstickerei zeigte, einen »Gelegenheitskauf«, wie er sagte.

      »Prachtvoll! Nicht?« sagte er. »Man nimmt es jetzt vielfach zu Sofabehängen. Das ist hochmodern!«

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