Название: Gesammelte Werke von Gustave Flaubert
Автор: Гюстав Флобер
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027209903
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»Sie verstehen! Geschäft ist Geschäft! Und das Datum! Bitte! Das Datum!«
Tausend nun erfüllbare Wünsche umgaukelten Emma. Aber sie war so vorsichtig, dreitausend Franken beiseite zu legen, womit sie dann die ersten drei Wechsel prompt bezahlen konnte.
Der Fälligkeitstag des vierten Papieres fiel zufällig auf einen Donnerstag. Karl war zwar arg betroffen, wartete aber geduldig auf Emmas Rückkehr. Die Sache würde sich schon aufklären.
Sie log ihm vor, von dem Wechsel nur nichts gesagt zu haben, um ihm häusliche Sorgen zu ersparen. Sie setzte sich ihm auf die Knie, liebkoste ihn, umgirrte ihn und zählte ihm tausend unentbehrliche Sachen auf, die sie auf Borg hätte anschaffen müssen.
»Nicht wahr, du mußt doch zugeben: für so viele Dinge ist tausend Franken nicht zuviel?«
In seiner Ratlosigkeit lief Karl nun selber zu dem unvermeidlichen Lheureux. Dieser verschwor sich, die Geschichte in Ordnung zu bringen, wenn der Herr Doktor ihm zwei Wechsel ausstelle, einen davon zu siebenhundert Franken auf ein Vierteljahr. Daraufhin schrieb Bovary seiner Mutter einen kläglichen Brief. Statt einer Antwort kam sie persönlich. Als Emma wissen wollte, ob sie etwas herausrücke, gab er ihr zur Antwort:
»Ja! Aber sie will die Rechnung sehen!«
Am andern Morgen lief Emma zu Lheureux und ersuchte ihn um eine besondre Rechnung auf rund tausend Franken. Sonst käme die ganze Geschichte und auch die Veräußerung des Grundstücks heraus. Letztere hatte der Händler so geschickt betrieben, daß sie erst viel später bekannt wurde.
Obgleich die aufgeschriebenen Preise sehr niedrig waren, konnte die alte Frau Bovary nicht umhin, die Ausgaben unerhört zu finden.
»Gings denn nicht auch ohne den Teppich? Wozu mußten die Lehnstühle denn neu bezogen werden? Zu meiner Zeit gab es in keinem Hause mehr als einen einigen Lehnstuhl, den Großvaterstuhl! Die jungen Leute hatten keine nötig. So war es wenigstens bei meiner Mutter, und das war eine ehrbare Frau! Das kann ich dir versichern! Es sind nun einmal nicht alle Menschen reich. Und Verschwendung ruiniert jeden! Ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich mich so verwöhnen wollte wie du! Und ich bin doch eine alte Frau, die wahrlich ein bißchen der Pflege nötig hätte…. Da schau mal einer diesen Luxus an! Lauter Kinkerlitzchen! Seidenfutter, das Meter zu zwei Franken! Wo man ganz schönen Futterstoff für vier Groschen, ja schon für dreie bekommt, der seinen Zweck vollkommen erfüllt!«
Emma lag auf der Chaiselongue und erwiderte mit erzwungener Ruhe:
»Ich finde, es ist nun gut!«
Aber die alte Frau predigte immer weiter und prophezeite, sie würden alle beide im Armenhause enden. Übrigens sei Karl der Hauptschuldige. Es sei ein wahres Glück, daß er ihr versprochen habe, die unselige Generalvollmacht zu vernichten….
»Was?« unterbrach Emma ihre Rede.
»Jawohl! Er hat mir sein Wort gegeben!«
Emma öffnete ein Fenster und rief ihren Mann. Der Unglücksmensch mußte zugeben, daß ihm die Mutter das Ehrenwort abgenötigt hatte. Da ging Emma aus dem Zimmer, kam sehr bald wieder und händigte ihrer Schwiegermutter mit der Gebärde einer Fürstin ein großes Schriftstück ein.
»Ich danke dir!« sagte die alte Frau und steckte die Urkunde in den Ofen.
Emma brach in eine rauhe, scharfe, andauernde Lache aus. Sie hatte einen Nervenchok bekommen.
»Ach du mein Gott!« rief Karl aus. »Siehst du, Mutter, es war doch nicht recht von dir! Du darfst ihr nicht so zusetzen!«
Sie zuckte mit den Achseln. Das sei alles »bloß Tuerei!«
Da lehnte sich Karl zum ersten Male in seinem Leben gegen sie auf und vertrat Emma so nachdrücklich, daß die alte Frau erklärte, sie werde abreisen. In der Tat tat sie das andern Tags. Als Karl sie noch einmal auf der Schwelle zum Bleiben überreden wollte, erwiderte sie:
»Nein, nein! Du liebst sie mehr als mich, und das ist ja ganz in der Ordnung! Wenn es auch dein Nachteil ist. Du wirst ja sehen…. Laß dirs wohl gehn! Ich werde ihr nicht sogleich wieder – sozusagen – zusetzen!«
Nicht weniger als armer Sünder stand er dann vor Emma, die ihm erbittert vorwarf, er habe kein Vertrauen mehr zu ihr. Er mußte erst lange bitten, ehe sie sich herabließ, eine neue Generalvollmacht anzunehmen. Er begleitete sie zu Guillaumin, der sie ausstellen sollte.
»Sehr begreiflich!« meinte der Notar. »Ein Mann der Wissenschaft darf sich durch die Alltagsdinge nicht ablenken lassen.«
Karl fühlte sich durch diese im väterlichen Tone vorgebrachte Weisheit wieder aufgerichtet. Sie bemäntelte seine Schwachheit mit der schmeichelhaften Entschuldigung, er sei mit höheren Dingen beschäftigt.
Am Donnerstag darauf, in ihrem Zimmer im Boulogner Hofe, in Leos Armen war sie über die Maßen ausgelassen. Sie lachte, weinte, sang, tanzte, ließ sich Sorbett heraufbringen und rauchte Zigaretten. So überschwenglich sie ihm auch vorkam, er fand sie doch köstlich und bezaubernd. Er ahnte nicht, daß es in ihrem Innern gärte und daß sie sich aus diesem Motiv kopfüber in den Strudel des Lebens stürzte. Sie war reizbar, unersättlich, wollüstig geworden. Erhobenen Hauptes ging sie mit Leo durch die Straßen der Stadt spazieren, ohne die geringste Angst, daß sie ins Gerede kommen könnte. So sagte sie wenigstens. Insgeheim erzitterte sie freilich mitunter bei dem Gedanken, Rudolf könne ihr einmal begegnen. Wenn sie auch auf immerdar von ihm geschieden war, so fühlte sie sich doch noch immer in seinem Banne.
Eines Abends kam sie nicht nach Yonville zurück. Karl war außer sich vor Unruhe, und die kleine Berta, die ohne ihre »Mama« nicht ins Bett gehen wollte, schluchzte herzzerreißend. Justin wurde auf der Poststraße entgegengesandt, und selbst Homais verließ seine Apotheke.
Als es elf Uhr schlug, hielt es Karl nicht mehr aus. Er spannte seinen Wagen an, sprang auf den Bock, hieb auf sein Pferd los und langte gegen zwei Uhr morgens im »Roten Kreuz« an. Emma war nicht da. Er dachte, vielleicht könne der Adjunkt sie gesehen haben, aber wo wohnte er? Glücklicherweise fiel ihm die Adresse des Notars ein, bei dem Leo in der Kanzlei arbeitete. Er eilte hin.
Es begann zu dämmern. Er erkannte das Wappenschild über der Tür und klopfte an. Ohne daß ihm geöffnet ward, erteilte ihm jemand die gewünschte Auskunft, nicht ohne auf den nächtlichen Ruhestörer zu schimpfen.
Das Haus, in dem der Adjunkt wohnte, besaß weder einen Türklopfer noch eine Klingel noch einen Pförtner. Karl schlug mit der Faust gegen einen Fensterladen. Ein Schutzmann ging vorüber. Karl bekam Angst und ging davon.
»Ich bin ein Narr!« sagte er zu sich. »Wahrscheinlich haben Lormeaux’ sie gestern abend zu Tisch dabehalten!«
Die Familie Lormeaux wohnte gar nicht mehr in Rouen.
»Vielleicht ist sie bei Frau Dübreuil. Die ist vielleicht krank…. Ach nein, Frau Dübreuil ist ja schon vor einem halben Jahre gestorben…. Aber wo mag dann Emma nur sein?«
Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er ließ sich in einem Café das Adreßbuch geben und suchte rasch nach dem Namen von Fräulein Lempereur. Sie wohnte Rue de la Renelle des Maroquiniers Nummer 74.
Als er in diese Straße einbog, tauchte Emma am andern Ende auf. Er stürzte auf sie los und fiel ihr um den Hals.
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