Название: Gesammelte Werke von Gustave Flaubert
Автор: Гюстав Флобер
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027209903
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Plötzlich sagte Emma:
»Aber ich habe ja ihre Quittungen. Wart mal! Ich werde dir gleich eine bringen.«
Sie ging an ihren Schreibtisch, riß alle Schubfächer auf, wühlte in ihren Papieren herum und suchte so eifrig, daß Karl sie bat, sich wegen der dummen Quittungen doch nicht soviel Mühe zu machen.
»Ich werde sie schon finden!« beharrte sie.
In der Tat fühlte Karl am Freitag darauf, als er sich die Stiefel anzog, die bei seinen Kleidern in einem finsteren Gelaß zu stehen pflegten, zwischen Stiefelleder und Strumpf ein Stück Papier. Er zog es hervor und las:
»Quittung.
Honorar für drei Monate Klavierstunden, nebst Auslagen für verschiedene beschaffte Musikalien: 65, – Frkn.
Dankend erhalten
Friederike Lempereur,
Musiklehrerin.«
»Zum Kuckuck! Wie kommt denn das in meinen Stiefel?«
»Wahrscheinlich«, erwiderte Emma, »ist es aus dem Karton mit den alten Rechnungen gefallen, der auf dem obersten Regal steht.«
Von nun an war ihre ganze Existenz nichts als ein Netz von Lügen. Sie hüllte ihre Liebe darein wie in einen Schleier, damit niemand sie sähe. Aber auch sonst wurde ihr das Lügen geradezu zu einem Bedürfnis. Sie log zu ihrem Vergnügen. Wenn sie erzählte, daß sie auf der rechten Seite der Straße gegangen sei, konnte man wetten, daß es auf der linken gewesen war.
Eines Donnerstags war sie früh, wie gewöhnlich ziemlich leicht gekleidet, abgefahren, als es plötzlich zu schneien begann. Karl hielt am Fenster Umschau, da bemerkte er Bournisien in der Kutsche des Bürgermeisters. Sie fuhren zusammen nach Rouen. Er ging hinunter und vertraute dem Priester einen dicken Schal an mit der Bitte, ihn seiner Frau einzuhändigen, sobald er im »Roten Kreuz« angekommen sei. Bournisien fragte im Gasthofe sogleich nach Frau Bovary, erhielt aber von der Wirtin die Antwort, daß sie das »Rote Kreuz« sehr selten aufsuche. Abends traf er sie in der Postkutsche und erzählte ihr von seinem Mißerfolge, dem er übrigens keine sonderliche Bedeutung beizumessen schien, denn er begann alsbald eine Lobrede auf einen jungen geistlichen, der in der Kathedrale so wunderbar predige, daß die Frauen in Scharen hingingen.
Wenn sich auch Bournisien ohne weiteres zufrieden gegeben hatte, so konnte doch ein andermal irgendwer nicht so diskret sein. Und so hielt es Emma für besser, fortan im »Roten Kreuz« abzusteigen, damit die guten Leute aus Yonville sie hin und wieder auf der Treppe des Gasthofes sahen und nichts argwöhnten.
Eines Tages traf sie Lheureux, gerade als sie an Leos Arm den Boulogner Hof verließ. Sie fürchtete, er könne schwatzen; aber er war nicht so töricht. Dafür trat er drei Tage später in ihr Zimmer und erklärte, daß er Geld brauche.
Sie erwiderte ihm, sie könne ihm nichts geben. Lheureux fing zu jammern an und zählte alle Dienste auf, die er ihr erwiesen.
In der Tat hatte Emma nur einen der von Karl ausgestellten Wechsel bezahlt, den zweiten hatte Lheureux auf ihre Bitte hin verlängert und dann abermals prolongiert. Jetzt zog er aus seiner Tasche eine Anzahl unbezahlter Rechnungen für die Stores, den Teppich, für Möbelstoff, mehrere Kleider und verschiedene Toilettenstücke, im Gesamtbetrag von ungefähr zweitausend Franken.
Sie ließ den Kopf hängen, und er fuhr fort:
»Aber wenn Sie kein Geld haben, so haben Sie doch Immobilien.«
Und nun machte er sie auf ein halbverfallenes altes Haus in Barneville aufmerksam, das sie mit geerbt hatten. Es brachte nicht viel ein. Es hatte ursprünglich zu einem kleinen Pachtgute gehört, das der alte Bovary vor Jahren verkauft hatte. Lheureux wußte genau Bescheid über das Grundstück; er kannte sogar die Anzahl der Hektare und die Namen der Nachbarn.
»An Ihrer Stelle«, sagte er, »versuchte ich, es loszuwerden. Sie bekämen dann sogar noch bar Geld heraus!«
Sie entgegnete, es sei schwer; einen Käufer zu finden, aber Lheureux meinte, das ließe sich schon machen. Da fragte sie, was sie tun müsse, um das Haus zu verkaufen.
»Sie haben doch die Vollmacht«, antwortete er.
Dieses Wort belebte sie.
»Lassen Sie mir die Rechnung hier!« sagte sie.
»O, das eilt ja nicht!« erwiderte Lheureux.
In der kommenden Woche stellte er sich wiederum ein und berichtete, es sei ihm mit vieler Mühe gelungen, einen gewissen Langlois ausfindig zu machen, der schon lange ein Auge auf das Grundstück geworfen habe und wissen möchte, was es koste.
»Der Preis ist mir gleichgültig!« rief Emma aus.
Lheureux erklärte, man müsse den Käufer eine Weile zappeln lassen. Die Sache sei aber schon eine Reise dahin wert. Da sie selbst nicht gut verreisen könne, bot er sich dazu an, um das Geschäft mit Langlois zu besprechen. Er kam mit der Mitteilung zurück, der Käufer habe viertausend Franken geboten.
Emma war hocherfreut.
»Offen gestanden,« fügte der Händler hinzu, »das ist anständig bezahlt!«
Die erste Hälfte der Summe zählte er ihr sofort auf. Als Emma sagte, damit solle ihre Rechnung beglichen werden, meinte Lheureux:
»Auf Ehre, es ist doch schade, daß Sie ein so schönes Sümmchen gleich wieder aus der Hand geben wollen!«
Sie sah auf die Banknoten und dachte an die unbegrenzte Zahl der Stelldichein, die ihr diese zweitausend Franken bedeuteten.
»Wie? Wie meinen Sie?« stammelte sie.
»O,« erwiderte er mit gutmütigem Lächeln, »man kann ja was ganz Beliebiges auf die Rechnung setzen. Ich weiß ja, wie das in einem Haushalte so ist.«
Er sah sie scharf an, während er die beiden Tausendfrankenscheine langsam durch die Finger hin und her gleiten ließ. Endlich machte er seine Brieftasche auf und legte vier vorbereitete Wechsel zu je tausend Franken auf den Tisch.
»Unterschreiben Sie!« sagte er, »und behalten Sie die ganze Summe!«
Sie fuhr erschrocken zurück.
»Na, wenn ich Ihnen den Überschuß bar auszahle,« sagte Lheureux frech, »erweise ich Ihnen dann nicht einen Dienst?«
Er schrieb unter die Rechnung:
»Von Frau Bovary viertausend Franken erhalten zu haben, bescheinigt
Lheureux.«
»So! Sie können unbesorgt sein. In sechs Monaten erhalten Sie die weiteren zweitausend Franken für Ihre alte Bude! Eher ist auch der letzte Wechsel nicht fällig.«
Emma fand sich in der Rechnerei nicht mehr ganz zurecht. In den Ohren klang es ihr, als würden Säcke voll Goldstücke vor ihr ausgeschüttet, die nur so über die Diele kollerten. Lheureux sagte noch, er habe einen Freund Vinçard, Bankier in Rouen, der die vier Wechsel diskontieren wolle. Die überschüssige Summe werde er der gnädigen Frau persönlich bringen.
Aber СКАЧАТЬ