Название: Maximen und Reflexionen
Автор: Иоганн Вольфганг фон Гёте
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Klassiker der Weltliteratur
isbn: 9783843802963
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Das Leben, so gemein es aussieht, so leicht es sich mit dem Gewöhnlichen, Alltäglichen zu befriedigen scheint, hegt und pflegt doch immer gewisse höhere Forderungen im Stillen fort und sieht sich nach Mitteln um, sie zu befriedigen.
Der eigentliche Obskurantismus ist nicht, dass man die Ausbreitung des Wahren, Klaren, Nützlichen hindert, sondern dass man das Falsche in Kurs bringt.
VIERTEN BANDES ZWEITES HEFT (1823)
Eigenes und Angeeignetes
Der Irrtum ist viel leichter zu erkennen, als die Wahrheit zu finden; jener liegt auf der Oberfläche, damit lässt sich wohl fertig werden; diese ruht in der Tiefe, danach zu forschen ist nicht jedermanns Sache.
Wir alle leben vom Vergangnen und gehen am Vergangenen zugrunde.
Wie wir was Großes lernen sollen, flüchten wir uns gleich in unsre angeborne Armseligkeit und haben doch immer etwas gelernt.
Den Deutschen ist nichts daran gelegen, zusammenzubleiben, aber doch, für sich zu bleiben. Jeder, sei er auch, welcher er wolle, hat so ein eignes Für-sich, das er sich nicht gern möchte nehmen lassen.
Die empirisch-sittliche Welt besteht größtenteils nur aus bösem Willen und Neid.
Der Aberglaube ist die Poesie des Lebens; deswegen schadet‘s dem Dichter nicht, abergläubisch zu sein.
Mit dem Vertrauen ist es eine wunderliche Sache. Hört man nur einen: der kann sich irren oder sich betrügen; hört man viele: die sind in demselbigen Falle, und gewöhnlich findet man da die Wahrheit gar nicht heraus.
Unreine Lebensverhältnisse soll man niemand wünschen; sie sind aber für den, der zufällig hineingerät, Prüfsteine des Charakters und des Entschiedensten, was der Mensch vermag.
Ein beschränkter, ehrlicher Mensch sieht oft die Schelmerei der feinsten Mächler (faiseurs) durch und durch.
Wer keine Liebe fühlt, muss schmeicheln lernen, sonst kommt er nicht aus.
Gegen die Kritik kann man sich weder schützen noch wehren; man muss ihr zum Trutz handeln, und das lässt sie sich nach und nach gefallen.
Die Menge kann tüchtige Menschen nicht entbehren, und die Tüchtigen sind ihnen jederzeit zur Last.
Wer meine Fehler überträgt, ist mein Herr, und wenn‘s mein Diener wäre.
Memoiren von oben herunter oder von unten hinauf: sie müssen sich immer begegnen.
Wenn man von den Leuten Pflichten fordert und ihnen keine Rechte zugestehen will, muss man sie gut bezahlen.
Das sogenannte Romantische einer Gegend ist ein stilles Gefühl des Erhabenen unter der Form der Vergangenheit oder, was gleich lautet, der Einsamkeit, Abwesenheit, Abgeschiedenheit.
Der herrliche Kirchengesang »Veni Creator Spiritus« ist ganz eigentlich ein Appell ans Genie; deswegen er auch geist- und kraftreiche Menschen gewaltig anspricht.
Das Schöne ist eine Manifestation geheimer Naturgesetze, die uns ohne dessen Erscheinung ewig wären verborgen geblieben.
Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht.
Der Undank ist immer eine Art Schwäche. Ich habe nie gesehen, dass tüchtige Menschen wären undankbar gewesen.
Wir alle sind so borniert, dass wir immer glauben, recht zu haben; und so lässt sich ein außerordentlicher Geist denken, der nicht allein irrt, sondern sogar Lust am Irrtum hat.
Reine mittlere Wirkung zur Vollendung des Guten und Rechten ist sehr selten; gewöhnlich sehen wir Pedanterie, welche zu retardieren, Frechheit, die zu übereilen strebt.
Wort und Bild sind Korrelate, die sich immerfort suchen, wie wir an Tropen und Gleichnissen genugsam gewahr werden. So von jeher, was dem Ohr nach innen gesagt oder gesungen war, sollte dem Auge gleichfalls entgegenkommen. Und so sehen wir in kindlicher Zeit in Gesetzbuch und Heilsordnung, in Bibel und Fibel sich Wort und Bild immerfort balancieren. Wenn man aussprach, was sich nicht bilden, bildete, was sich nicht aussprechen ließ, so war das ganz recht; aber man vergriff sich gar oft und sprach, statt zu bilden, und daraus entstanden die doppelt bösen symbolisch-mystischen Ungeheuer.
Wer sich mit Wissenschaften abgibt, leidet erst durch Retardationen und dann durch Präokkupationen. Die erste Zeit wollen die Menschen dem keinen Wert zugestehen, СКАЧАТЬ