CONRAD. Nun da seht Ihr, daß Ihr doch einer Seele lieb und theuer seid, und so werdet Ihr noch mehrere finden, recht wackre brave Menschen. Laßt's nur gut sein, jeder findet doch endlich seinen Bruder aus diesem irdischen Getümmel heraus.
KARL. Hast Du ihn herausgefunden?
CONRAD. Nein.
KARL. Nun so schweig davon. Ich fühl's, daß sich alles vor mir zurückneigt; schon als Kind, wenn man meinem Bruder schmeichelte, ließen mich alle einsam stehn und meine Mutter ließ mich aus dem Zimmer führen, wenn ich dann in Unmuth schrie und weinte. Mein Bruder Reinhard schien mich zu lieben, als er ein Knabe war, kaum war er zu Verstande gekommen, als er mich auch haßte.
CONRAD. Wollt Ihr denn Euer ganzes Leben unter diesen traurigen Phantasieen aufzehren?
KARL. Sieh, Conrad, so steh ich in einer schrecklichen Einsamkeit; ich bin nicht leicht, gewandt und schnell, ich habe keinen behenden Verstand, ich habe keinen Ruf, Niemand weiß von mir, Niemand mag von mir wissen. –
CONRAD. Liebster Karl!
KARL. Und so mag denn das Gewitter heraufziehn! Warum sollt' ich mich fürchten? Mich wird es nicht suchen!
CONRAD küßt ihm die Hand. Hört auf, so zerbrecht Ihr mir doch nur das Herz.
KARL, der ihn in die Arme nimmt und herzt. Alter Mann! siehst Du, Du bist der einzige, der mich liebt und Dich lieb' ich auch dafür von ganzer Seele. Du bist meine Welt, mein Nachruhm, meine Geliebte, Du bist mir Mutter und Vater. Glaube ja nicht, daß ich es Dir je vergessen kann, wenn ich auch zuweilen ein verdrüßlich Gesicht machen, und Dich wie die übrigen anfahren sollte; so finster ich auch äußerlich sein mag, so steht mein Herz für Dich doch immer im Sonnenschein der Liebe.
CONRAD. Wie soll ich mich darüber genug freuen?
KARL. Aber dafür laß mich auch die übrige Welt so hassen, wie sie es verdient. – Sieh dies Schwert.
CONRAD. Ich habe mich schon längst gewundert, wie es in Eure Hände kömmt.
KARL. Warum?
CONRAD. Hängt es wieder dort hin, ich bitte Euch.
KARL. Du bist seltsam.
CONRAD. Laßt es immer seltsam und thöricht klingen, wenn ich Euch sage, mir graut recht innerlich davor, aber es ist so.
KARL. Desto besser; – siehst Du, Conrad, das ist das große Rachschwert, wodurch ich den Geist meines Vaters versöhnen will.
CONRAD. O hängt es, hängt es weg. – Seht, es ist für Euch zu gewichtig.
KARL. Hältst Du mich für einen Knaben?
CONRAD. Es ist ein gefährliches, furchtbares Eisen.
KARL. Das soll es sein.
CONRAD. Es ist, o laßt mich nicht vergeblich bitten, es ist ein Mörderschwert.
KARL. Ich will's behalten, Conrad, ich habe es mir zur Rache auserlesen und eingeweiht.
CONRAD. Komm' ich mir doch selbst als ein Kind vor, daß mir so viel dran liegt. – Aber so muß ich Euch denn sagen, es ist dasselbe Schwert, mit dem Ulfo seinen Bruder erschlug. – Ihr wißt doch die Geschichte?
KARL nachdenkend. Ja.
CONRAD. Und darum ist es ein ruchloser Stahl und zu keinem edlen Werke brauchbar.
KARL. Laß ihn, er soll geadelt werden, ich will das Bruderblut mit dem Blut eines Mörders und Ehebrechers abwaschen. – Zu welchen seltsamen und widersprechenden Endzwecken sich ein todtes Werkzeug muß gebrauchen lassen! So ist es auch vielleicht mit dem Menschen. Die dunkle Bestimmung geht hinter uns, und wir nehmen es nicht wahr, wie sie uns vor sich hintreibt; wir wundern uns dann als schwache Menschen, wenn wir in Wüsten stehn, wenn unsre Schritte sich gegen einen Abgrund richten und wagen es nicht, uns umzudrehn. Siehst Du, Conrad, so ist es, und darum will ich dies gute Schwert mit mir nehmen. – Die Nacht kömmt schon herauf, das Gewitter zieht näher. – Horch, wie seltsam diese Panzer und Schilde an einander klirren. – Hörst Du nichts?
CONRAD. Nein.
KARL. Wie der Anfang eines wunderbaren Gesprächs; es sind die Geister meiner Vorfahren, die über uns flattern und mir ihr Wohlgefallen zu erkennen geben. – Komm. – sie gehn ab.
(Ein finstres Gemach, im Hintergrunde eine Thür, zu der einige Stufen führen.)
MATHILDE mit einer Lampe. Wie gewaltig das Wetter leuchtet! – Ist es die Sünde, das Verbot des Richters, das in meinem Gewissen herbergt, und mein unruhiges Herz von Leopold abwendet? – Ach, was ist dann die Sünde für ein Gewinn, selbst in diesem irdischen Leben! – Oder ist es die Veränderlichkeit des Menschen und seines unbegreiflichen Willens? Was ist dann Liebe und Freundschaft, die wir so gern für das wahre Element unsrer Seele halten möchten? – Alles was ich von Walther fürchtete, quält mich nun beständig in Leopolds Gestalt, in der Gestalt, die mir einst so theuer war. – Er will diese Nacht kommen. – Horch, es donnert! – Ich kenne mich selbst nicht mehr, so sehr bin ich verändert. – Ach Gott! es kann ja vielleicht noch alles gut werden. – Ich fühle mich so einsam, mein Muth, meine frohe Laune ist hin, – wenn er nur bald käme! – Und kann ich denn zurücktreten? – Und was wär' ich, wenn ich es thäte? – Wie unglücklich würd' ich sein, wenn er mich verließe und nun alles, alles nur ein Traum war, und vorüber wäre? Wenn dann die Erinnerungen die Vergangenheit schöner machten als sie war, alle traurigen Stunden mit weißen Schleiern verdeckten – o über die Untreue der Männer! – sie geht ab.
KARL tritt auf. Nein, es soll nicht sein. – Dulde es nicht länger, mein Herz, daß mein Vater selbst noch im Grabe entehrt wird. – Das Gewitter zieht nach und nach näher, Donner und Blitz, er geht umher das Schwert unterm Arm und setzt sich auf die Stufen vor dem Schlafgemach nieder. Wie der Sturm heraufbraust, wie das Wetter schwer näher zieht. – Wie ein Gespenst sitz' ich hier in der dunkeln, einsamen Nacht, mein Herz schlägt ungeduldig und die furchtbare Stunde rückt mir meinen Feind immer näher und näher.
LEOPOLD tritt auf.
LEOPOLD. Alles in der Burg schläft, nur Mathilde wacht. – Ich wundre mich über mich selbst, daß ich immer noch diesen gewohnten Weg gehe und seiner doch noch nicht überdrüßig bin. – Unser Vergnügen liegt nur in der Einbildung. – Doch sie wartet, um eine zärtliche Versöhnung mit mir zu feiern. Er nähert sich dem Schlafgemach.
KARL. Zurück!
LEOPOLD. Zurück? – Wer ist es, der das ruft? –
KARL. Karl von Berneck.
LEOPOLD. Wie kommt Ihr, in der einsamen Nacht, hieher, Ritter!
KARL. Ueber die seltsame Frage! – Dies ist die Burg meines Vaters, müßt Ihr wissen, ich bin sein Sohn, ich sitze hier vor dem Schlafgemach meiner Mutter und kann nicht begreifen, welcher Weg Euch hieherführt.
LEOPOLD. Ihr habt darnach nicht zu fragen.
KARL. Gut.
LEOPOLD. Und so werd' ich also ungehindert meinen Weg fortsetzen.
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