Название: Dracula
Автор: Брэм Стокер
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Horror bei Null Papier
isbn: 9783954180080
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Ich war froh, dass der Küstenwart herankam mit seinem Fernrohr unter dem Arm. Er blieb stehen, um mit mir zu sprechen, wie er es immer tat; aber er sah dabei immer hinaus auf ein fremdes Schiff.
»Ich kann es nicht herausbringen«, sagte er, »dem Aussehen nach ist es ein Russe; aber es wird ja in der tollsten Weise herumgeworfen. Es weiß sich nicht im geringsten zu helfen; es scheint den Sturm kommen zu sehen und kann sich nicht entschließen, entweder nordwärts in See zu gehen oder den Hafen anzulaufen. Schauen Sie nur wieder hin! Es wird sonderbar gesteuert; überhaupt scheint gar keine Hand das Steuer zu führen; mit jedem Windstoß dreht es sich. Ich glaube, wir hören noch mehr davon, ehe der morgige Tag kommt.«
Ausschnitt aus dem »Dailygraph« vom 8. August.
(In Minas Tagebuch geklebt)
Von einem Korrespondenten
Eines der schwersten und plötzlichsten Unwetter, deren sich Whitby erinnern kann, hat gestern hier gewütet, und zwar unter seltsamen, einzigartigen Begleitumständen. Das Wetter war etwas schwül, aber keineswegs anders, als man es im August erwarten kann. Samstag Abend war es so schön wie je, und der größte Teil der Sonntagsausflügler besuchte gestern Mulgrave Woods, Robin Hood’s Bay, Rig Mill, Runswick Staithes und die anderen zahlreichen Erholungsplätze in der Umgebung Whitbys. Die Dampfer »Emma« und »Scarborough« vermittelten den Verkehr der Küste entlang, und es war ein ungewöhnlicher Andrang von Ausflüglern. Der Tag war besonders schön, bis nachmittags einige der Spaziergänger, die den Kirchhof auf der Ostklippe zu besuchen pflegen, von dessen mächtiger Höhe aus man einen weiten, prächtigen Rundblick nach Norden und Osten über die See hin genießt, die Aufmerksamkeit auf eine plötzlich hoch am nordwestlichen Himmel auftauchende Sturmwolke lenkten. Der Wind blies sanft aus Südwest; in der Sprache der Meteorologen würde man ihn als »No. 2, leichte Brise«, bezeichnen. Der diensttuende Küstenwart machte sofort Meldung, und ein alter Fischer, der seit mehr als einem halben Jahrhundert von der Ostklippe aus auf die Wetterzeichen zu achten hat, sagte in bestimmtester Weise einen schweren Sturm voraus. Der Sonnenuntergang war so prächtig, so grandios in der Fülle reichgefärbter Wolken, dass sich eine große Menge Menschen in dem alten Friedhof auf der Klippe versammelte, um die Schönheit zu bewundern. Ehe die Sonne hinter den schwarzen Massen von Kettleness versank, das sich scharf vom westlichen Himmel abhob, war ihr Weg von Tausenden von Wolken jeder Farbe, feuerrot, purpur, rosa, grün, violett, und allerlei goldigen Tinten direkt übersät. Dazwischen schmale Streifen von vollkommener Schwärze, die sich in verschiedenen Formen, wie ungeheure Silhouetten, ausnahmen. Diese seltene Farbenpracht haben jedenfalls die Maler nicht unbenützt vorübergehen lassen und werden nächsten Mai mehrere Bilder »Vor dem Sturm« die Wände der R. I. und der R. A.1 schmücken. Mehr als ein Kapitän wird sich wohl entschlossen haben, sein »cobble« oder »mule«, wie man dort die verschiedenen Arten von Fahrzeugen bezeichnet, im Hafen das Ende des Sturmes abwarten zu lassen. Der Wind flaute gegen Abend immer mehr ab, und um Mitternacht war es totenstill; eine drückende Schwüle und jene vorausahnende Spannung, die beim Herannahen eines Gewitters sensitive Personen ergreift, lag über allem. Nur wenige Lichter waren noch auf See zu bemerken; denn sogar die Küstendampfer, die sonst dicht am Ufer entlangfahren, hielten sich heute bedächtig seewärts, und nur einzelne Fischerboote waren in Sicht. Das einzige bemerkenswerte Schiff war ein fremder Schoner, der, alle Segel gesetzt, augenscheinlich westwärts ging. Die Ungeschicklichkeit oder Unwissenheit der Offiziere war ein fruchtbares Thema für die Zuschauer, so lange das Schiff in Sehweite war; man bemühte sich sogar ihm zu signalisieren, dass es angesichts der drohenden Gefahr weniger Segel setzen solle. Ehe die Nacht noch völlig hereingebrochen war, sah man es mit schlappen Segeln draußen sich graziös auf den Wellen wiegen, »so faul wie ein gemaltes Schiff auf den gemalten Wogen«.
Kurz von 10 Uhr wurde die Stille der Luft geradezu beängstigend, und das Schweigen war so tief, dass man das Blöken eines Schafes oder das Bellen eines Hundes aus der Stadt herüber deutlich vernehmen konnte. Die Musikkapelle auf dem Pier mit ihren lieblichen französischen Weisen war förmlich ein Misston in der großen Harmonie der schweigenden Natur. Kurz nach Mitternacht fuhr ein scharfer Laut über die See, und hoch in den Lüften begann ein seltsames, schwaches, hohles Brausen.
Dann, ohne besondere Anzeichen, brach der Sturm los. Mit einer Schnelligkeit, die zu dieser Zeit wirklich unerhört war; und selbst nachträglich ist es schwer zu schildern, wie das ganze Aussehen der Natur sich auf einmal veränderte. Die Wogen erhoben sich in wachsender Wut, jede über ihre Vorgängerin hinwegstürzend, sodass in wenigen Minuten die bisher spiegelglatte See in ein tosendes, allverschlingendes Ungeheuer verwandelt war. Weißgekrönte Wellen schlugen wie toll über die flachen Sandbänke und leckten an den steilen Klippen hinauf; andere brachen über den Damm, und ihr Gischt fegte über die Lichter der Leuchttürme, die an den Enden der beiden Piers des Hafens von Whitby aufragen. Der Wind brüllte wie Donner und blies mit solcher Gewalt, dass selbst starke Männer sich kaum auf den Füßen zu halten vermochten, und fuhr mit grimmigem Klatschen durch die eisernen Gitter. Man musste den ganzen Pier von der Masse der Zuschauer räumen, da sich sonst die Unfälle dieser Nacht bis ins Ungeheure vermehrt hätten. Die Schwierigkeiten und Gefahren wurden dadurch noch erhöht, dass Massen von Meeresnebeln landeinwärts fegten – weiße, feuchte Wolken, die wie Gespenster vorbeihuschten, so nass und dumpf und kalt, dass man sich leicht einbilden konnte, die Geister derer, die draußen auf der See ihr Grab gefunden, berührten ihre lebenden Brüder mit ihren kalten, klebrigen Totenhänden. So mancher mochte wohl schaudern, wenn die weißen Nebelfetzen an ihm vorbeistrichen. Zeitweilig klärten sich die Nebel und man sah das Meer im Scheine der Blitze, die unausgesetzt die Wolken durchfurchten, gefolgt von solch furchtbaren Donnerschlägen, dass der ganze Himmel über uns unter den schweren Fußtritten des Sturmes zu erzittern schien. Die ganze Szene war von unsagbarer Schönheit und hinreißendem Interesse. СКАЧАТЬ