Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik. Andreas Suchanek
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Читать онлайн книгу Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik - Andreas Suchanek страница 89

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      All das hier war nicht real! Kraft ging vom Geist aus. Eine tolle Erkenntnis. Doch er war müde, wollte sich treiben lassen. Fort von Kampf und immer wieder neuen Grausamkeiten. Er verfing sich in der Wärme des Loslassens.

      Vor seinem inneren Auge entstanden Bilder.

      Alfie, der mit einer Waffe in der Hand einen Gang-Chef anbrüllte. Sein Bruder war ohne ihn verloren.

      Mum, die auf der Couch lag und schlief, die Zigarette noch in der Hand, die das Potenzial barg, die gesamte Wohnung abzufackeln.

      Jen, die bleich und verschwitzt dem Tod entgegentrieb.

      Er bäumte sich auf, schleuderte die Leiber mit der Kraft seines Geistes von sich. Der Hof verschwand. Wieder schwebte er in der allumfassenden Schwärze. Der Kern des Artefaktes lag direkt vor ihm. Es wollte ihn nicht, das spürte er ganz deutlich. Doch er kam.

      »Hey, Schatz, lange nicht gesehen.« Ohne weiter darüber nachzudenken, drängte er den Ekel zurück, warf sich in die schleimige Schwärze und riss sie an sich.

      Die Reaktion hätte nicht stärker ausfallen können. Ein gutturaler Laut ertönte, so tief, uralt und grausam, dass Alex' Körper wimmernd zusammensackte. Pure Angst erfasste sein Denken. Doch es war ein Todesschrei. Das Artefakt zerbarst. Er konnte spüren, wie die Bewusstseine der Lichtkämpfer und Schattenkrieger verwehten, als sie endlich ihre ewige Ruhe fanden.

      Die Sigile rasten fort.

      Er lag wimmernd am Boden, lächelte jedoch zufrieden. In den nächsten Stunden würden überall auf der Welt neue Lichtkämpfer und Schattenkrieger entstehen. Die Sigile suchten sich ihre Erben.

      »Ha, ich bin nicht mehr der neueste.«

      Er fühlte sich wie nach einem Marathon. Ausgebrannt und müde schleppte er sich nach unten. Als er in der Küche eintraf, erwachte Jen gerade. »Du wirst nicht glauben, was ich gerade erlebt habe.«

      »Ich habe es mitbekommen«, unterbrach sie ihn. »Durch die Verbindung zwischen diesem Ding und mir. Das war«, sie suchte nach Worten, »wirklich mutig und beeindruckend. Ich kann verstehen, warum du als Erbe ausgewählt wurdest.«

      Er grinste. »Danke. Wie wäre es mit einer Belohnung?« Alex schürzte die Lippen.

      »Kent.« Sie kam schwankend auf die Beine.

      »Ja?«

      »Wenn du die nächsten Minuten überleben willst, roll deine Lippen wieder ein. Selbst in diesem Zustand stecke ich dich noch locker in die Tasche.«

      »Undank ist der Welten Lohn«, kommentierte er nur.

      Tilda, die kurz hinausgeeilt war, kam strahlend zurück. »Der Schleier ist fort.« Schon war sie wieder weg.

      »Okay, sie will hier definitiv weg«, sagte er. »Und ich ehrlich gesagt auch.«

      Sie verließen das verlorene Castillo. Jen stellte über ihren Kontaktstein eine Verbindung zu Johanna her, die versprach, einen Sprungmagier zu schicken. Doch bevor sie gingen, mussten sie das Gebäude sichern. Es barg noch immer ein paar Artefakte und wertvolle Schriften. Alex ließ einen Sandwirbel entstehen, der das Castillo umfing. Jen transformierte ihn zu Gestein. Am Ende war eine hübsche kleine Anhöhe daraus geworden, die niemand mit einem Gebäude in Verbindung bringen würde.

      Sie standen mitten in der Wüste. Welcher? Er hatte keine Ahnung. Doch das war egal. Er fühlte sich blendend, so als Held des Tages. »Unser Castillo wird dir gefallen«, sagte er zu Tilda. »Es ist ruhig und friedlich, die Leute sind freundlich und glaub mir: Dort geht es total entspannt zu.«

      Der Sprungmagier brachte sie kurz darauf nach Alicante.

      Verblüfft schaute Alex sich um und nahm Worte auf wie »Alles abgebrannt«, »Infiltration … keiner gewusst« und »Totales Chaos«.

      Tilda ließ ihre Braue in die Höhe wandern, sagte darüber hinaus jedoch netterweise nichts.

      23. Was bringt die Zukunft?

      Der Morgen war heraufgezogen. Mittlerweile füllten zahlreiche Stimmen die Gänge des Castillos. Lichtkämpfer, die nach der Aufhebung des Siegels zurückgekehrt waren, wurden auf den neuesten Stand gebracht; Unsterbliche, die hektisch zum Ratssaal eilten, riefen Befehle umher. Es war das Chaos nach dem Sturm. Die Ruhe wäre ihm lieber gewesen.

      »Etwas hat sich verändert«, sagte Chloe. »Spürst du es?«

      Kevin nickte. »Die sind alle schockiert darüber, dass eine einzelne eingeschleuste Kreatur so etwas anrichten konnte.«

      Bei dem Wort »Kreatur« sah sie den Ekel auf seinem Gesicht. Er hatte mit dem Wechselbalg wochenlang zusammengelebt, ihn nicht als das erkannt, was er war. Der Gedanke, dass Max nur wenige Meter entfernt gefangen gehalten worden war, kochte ihre Wut wieder hoch. Ihr Hass auf die Schattenkrieger kannte keine Grenzen.

      Sie saßen im Krankenflügel. Max lag in einem Einzelraum im Bett. Theresa hatte es so entschieden. Vermutlich würde er aufgrund des Martyriums Narben auf seiner Seele zurückbehalten. Gerade die Anfangszeit nach dem Erwachen würde schwierig für ihn werden und sie wollte nicht, dass er vor anderen die Fassung wahren musste.

      Chloe saß auf der einen, Kevin auf der anderen Seite neben dem Bett des Freundes. Vor einigen Minuten hatte Clara Kaffee vorbeigebracht, dann war sie wieder davongeeilt. Sie hatte der Freundin angeboten, sich ein wenig zu ihnen zu setzen, doch Clara wollte nicht. Gryffs Tod lag erst so kurze Zeit zurück, sie würde ihn auf ihre eigene Weise verarbeiten.

      Chris schaute auch immer wieder vorbei, half ansonsten bei den Aufräumarbeiten in der Bibliothek und den Ordnungsmagiern bei der Überprüfung aller Fälle, die sie hatten stoppen müssen. Vor wenigen Minuten war er mit der Nachricht hereingeplatzt, dass der Onyxquader Hunderte neue Erben aufgezeigt hatte. Niemand wusste, warum, denn es war nachweislich keiner gestorben. Doch damit mussten weitere Teams zu den Neuerweckten, sie schützen und in das Castillo bringen. Chris war einer dieser Gruppen zugeteilt worden, was ihn unglaublich freute. Endlich wieder im Einsatz!

      Kevin strich Max zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann wandte er sich schnell ab.

      »Was ist?«, fragte Chloe.

      Er presste die Lippen zusammen, rang mit sich. »Ich schäme mich.«

      »Was?!«

      »Ich habe es nicht bemerkt. Wie kann das sein? Wochenlang habe ich mit diesem Ding zusammengelebt.«

      »Kevin, der Wechselbalg hatte Max' Erinnerungen.« Sie deutete auf den schlafenden Freund. »Es war vollständig er. Von der Haarspitze bis zu den Zehen, von der ersten Erinnerung bis zur aktuellsten. Niemand hätte das durchschauen können. Wie denn? Dieses Ding dachte selbst, dass es Max ist!«

      »Aber ich …«

      »Nein.« Chloe unterbrach ihn gnadenlos. Sie hatte all das auch durchlebt. Die Schuldzuweisungen, die innere Zerrissenheit, die Selbstzerfleischung. »Du konntest es weder bemerken noch verhindern. Und jetzt hör auf damit. Das ist ein Befehl.«

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