Название: Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор: Walther Kabel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075835246
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Ich wandte mich der im Tale liegenden Stadt zu, kam über ein reißendes Flüßchen, dessen Holzbrücke unlängst von meinen bisherigen Kameraden erneuert worden war, und sah nun links die Lichtreihen des Bahnhofs und rechts einzelne helle Villen in alten, dicht bewachsenen Gärten herüberwinken.
Um die literarischen Größen meiner Heimat hatte ich mich gerade nur so viel gekümmert, daß mir noch rechtzeitig im Hotel Düsterburg eingefallen war, hier in der Stadt wohne die berühmte geistvolle Frau, deren Werke in alle Sprachen übersetzt worden sind. Ich wußte auch, daß sie hier eine burgähnliche Villa besaß, die in einem uralten Schloßparke lag.
Es galt also, die Villa zu suchen. Denn nur diese Frau mit dem goldenen Herzen würde mir helfen. Ohne sie war diese Vergnügungsreise sehr bald zu Ende.
Die Straßen des Villenvororts waren wie ausgestorben. Nur Katzen und Hunde verrieten trotz des erbärmlichen Wetters das Nahen des Frühlings. Ich beobachtete verschiedene vierbeinige Liebespärchen, die je nach Charakterveranlagung die Schäferstündchen laut oder leise vorbereiteten. Katzen pflegen sich hierbei ja zumeist ziemlich pöbelhaft zu benehmen. Wenn all die süßen menschlichen Fräuleins auch so Mark und Bein durchdringend kreischen wollten, würde die vielgequälte Polizei noch mehr zu tun haben.
Unter einer Laterne lehnte schlaftrunken ein Polizist. Es ist ein wahres Glück, daß die Herren Polizeiminister noch immer so rückständig sind, ihre Leute in eine weithin erkennbare Uniform zu stecken. Wie leicht könnte man, wenn die Beamten schlichten Spießbürgern glichen, ihnen in die Arme laufen.
Ich machte einen Bogen um besagte Laterne und spähte emsig nach einem burgähnlichen Gebäude aus. Dann stand ich vor einer Gitterpforte und betastete die eingravierten Buchstaben des Messingschildes mit den Fingerspitzen, kletterte über den Zaun und schlich die Allee entlang, bis ich rechts zwei helle Fenster im hohen Erdgeschoß bemerkte – die einzigen erleuchteten Fenster des mächtigen Heims der großen Dichterin. Vor den Fenstern zog sich ein Balkon hin, und dort stand ein Mensch, ein Mann, halb zusammengeduckt. Der matte Lichtschein zeigte mir einen verregneten Velourhut, einen hochgeklappten Ulsterkragen und ein besonnenes Profil mit sehr gerader Nase und blondem Spitzbart.
Dieser Herr störte mich. Er paßte nicht in mein Programm hinein. Wenn er stehlen wollte und wenn er sich dabei ungeschickt benahm, konnte das auch für mich unangenehme Folgen haben.
Jeder ist sich selbst der Nächste. Zumal nach acht Monaten Freiquartier im Staatshotel. Ich begann an dem eisernen Träger des Balkons emporzuklettern. Daß der Mann mich nicht hörte, dafür sorgte der Wind und der Regen und ein Katzenpaar in den nahen Büschen. Als ich den Kopf über die Balkonbrüstung hob, stand der eine Flügel der Fenstertür halb offen, und der Herr war verschwunden. Ich war zu spät gekommen und mußte die beabsichtigte Aussprache mit dem Fremden, der fraglos der Faust des einstigen Amateurmeisters des Boxklubs »King Tor« nicht gewachsen gewesen wäre, vorläufig aufgeben.
Umkehren etwa?! – Nein, denn das wäre gleichbedeutend mit freiwilliger Rückkehr ins Hotel Düsterburg gewesen. – Vor der halboffenen Tür hing innen ein Vorhang. Er bewegte sich leicht hin und her, und als ich ihn nun ein wenig zur Seite schob, erblickte ich links in einem weißlackierten, geschnitzten Bett eine blonde junge Frau aufrecht sitzen und mit beiden Händen eine blauseidene Steppdecke gegen die Brust pressen. Ihr Gesicht lag im Schatten, da die kippbare Nachttischlampe mit gelbem Trichterschirm so gedreht war, daß der Lichtschein den Fremden traf, der noch weiter links neben einem dreiteiligen Frisiertisch stand.
Der Mann sprach. Ich erhaschte nur einzelne Worte.
Eine gewisse junge Dame, deren Namen hier zu nennen zu viel Ehre für sie wäre, kann darüber Auskunft geben, weshalb Olaf Karl Abelsen niemals mehr irgend welche Gefühlsdummheiten begehen wird, zu denen ich auch meine damalige Rettung des Schnellzuges Malmö-Stockholm rechne. Die Menschen sind es nicht wert, sich irgendwie für sie aufzuopfern, und Weiber erst recht nicht.
Hier lagen die Dinge anders. Hier gedachte ich nicht den Lohengrin zu spielen, der Elsa von Brabant von einem Feinde befreit. Hier handelte es sich um mich selbst, und ich selbst war’s mir schuldig, dieser Szene da drinnen schleunigst ein Ende zu machen.
Die Stimme des blonden Kindes dort im Bett hatte eben nochmals beteuert, daß sie dem Erpresser beim heiligen Gott nichts … nichts mehr aushändigen könne, als ich den jämmerlichen Wicht schon beim Genick hatte …
Vom Bett her ein leiser Schrei …
Der Kerl flog über die Balkonbrüstung unten in eine Taxushecke, rappelte sich auf, suchte seinen Hut und rannte die Allee entlang.
Ich kehrte in das Schlafzimmer zurück. Das junge Mädchen starrte mich an und meinte weinerlich: »Ist er fort …? Sie sind wohl ein Kriminalbeamter, mein Herr?«
»Ja … Und Sie, Fräulein?«
Sie zögerte … »Sie … kennen mich also nicht?«
»Nein. Ich bin erst kurze Zeit hier in dieser Stadt, ganz kurze Zeit. Ich war bisher in einer staatlichen Anstalt beschäftigt. Ein eiliger Auftrag ruft mich außerdem noch in dieser Nacht nach Trelleborg, mein Fräulein. Könnten Sie mir irgendwie einen Anzug, einen Mantel und Wäsche und so weiter beschaffen und mir ein Fahrrad leihen?«
Ihr Gesicht konnte ich immer noch nicht deutlich erkennen, zumal ihr jetzt noch das aufgelöste blonde Haar nach vorn gefallen war.
Sie schwieg sekundenlang. Ich fühlte ihre forschenden Blicke. Und ahnte, daß sie mich durchschaut hatte.
»Sie … kommen aus Hafdengarden?« flüsterte sie …
»Ja. Ich bin der Ingenieur Olaf Karl Abelsen, der wegen Totschlags zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Vielleicht haben Sie in den Zeitungen davon gelesen. Es ist freilich schon über acht Monate her.«
»Mein Gott – – Abelsen!! – Oh, ich will Ihnen helfen … Ich … ich bin das Stubenmädchen der Dame, der diese Villa gehört. Die Dame ist verreist, und auch der Chauffeur hat Urlaub. – Drehen Sie sich um … Ich will nur einen Morgenrock überwerfen. Ich bringe Sie in die Garage, in die Stube des Chauffeurs.«
»Ich werde wieder in den Garten hinabklettern,« vereinfachte ich ihre Vorschläge. »Kommen Sie in den Garten, bitte …«
Sie kam. Sie hatte einen langen Ledermantel an, eine Autokappe auf und eine Schutzbrille vor den Augen.
In der Stube des Chauffeurs ließ sie mich allein, um das Auto zur Fahrt nach Trelleborg fertig zu machen. Die Kleider des Chauffeurs paßten mir leidlich, und nachher nahm ich auch noch einen kleinen Koffer mit, um mehr den Eindruck eines schlichten Reisenden hervorzurufen.
Wir fuhren davon. Sie saß am Steuer. Ich neben ihr. Wir tauschten wie bisher nur wenige Worte aus. Und kurz vor sechs Uhr hielten wir unweit Trelleborgs auf der Chaussee. Ich stieg aus, nahm den Koffer, dankte dem Mädchen und übersah ihre Hand, die sie mir zwanglos hinreichte – wollte sie übersehen …
»So nehmen Sie doch,« rief sie ungeduldig. »Sie brauchen doch Geld, und die drei Schminkstifte werden Sie auch zu benutzen verstehen …« – Als Nachsatz kam ein wenig verlegen: »Man würde es Ihrer Gesichtsfarbe ansehen, Herr Abelsen, woher Sie kommen …«
Ich nahm. Bevor ich jetzt jedoch, gerührt durch ihre Fürsorge, meinen Dank nochmals in herzlichere Worte kleiden konnte, wurde das Auto geschickt gewendet, sauste den Weg zurück, entschwand. Mein Händewinken, meine Zurufe blieben unbeachtet, und meine Retterin, die niemals, das hatte СКАЧАТЬ