Название: Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026872146
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Gold sah ihn von der Seite an.
»Ich habe auch niemals gehört, daß er besondere Freude darüber geäußert hätte, daß Sie sein Landsmann sind.«
Er schaute auf seine Uhr.
»Ich muß jetzt gehen. Übrigens sehen Sie gar nicht gut aus.«
»Keine Sorge, ich fühle mich wohl – nur leide ich in letzter Zeit etwas an Schlaflosigkeit.«
»Dann sollten Sie Ihre Nächte dazu benützen, nützliche Bücher zu lesen. Ich möchte Ihnen den Rat geben, mit einem kleinen Buch, das ich neulich wieder einmal in der Hand hatte, den Anfang zu machen.«
»Und was war das für ein Buch?«
»Die Polizeivorschriften Londons. Es ist ein Buch, das Anweisungen für Polizeibeamte enthält – und deshalb besonders eingehend in Verbrecherkreisen studiert wird.«
Gold lachte vergnügt, und Helder machte ein dummes Gesicht. Er wußte nicht, ob er grinsen oder ärgerlich sein sollte.
Comstock Bell und Verity kamen beide fast zur gleichen Zeit in dem Hotel an. Er begrüßte sie mit einem freundlichen Lächeln. Sie war sehr ernst und sah so hübsch aus, daß es ihm fast den Atem verschlug. Er mußte sich selbst darüber wundern, daß er von ihrer Schönheit zum erstenmal in diesem Augenblick, als er sie in der Empfangshalle des ›Great Central Hotel‹ sah, tiefer berührt wurde.
Comstock Bell war in Verity nicht verliebt – und trotzdem heiratete er sie. Jetzt mußte er sich eingestehen, daß es ihm Freude machte, bald eine so hübsche Frau zu haben. Bewundernd sah er sie an. Das einfache weiße Kleid und der breitrandige weiße Hut mit schwarzem Band standen ihr ausgezeichnet.
»Wir haben noch ungefähr fünf Minuten Zeit für uns, bevor die anderen kommen«, sagte er und führte sie zu einem Sessel.
»Werden Sie diesen Schritt auch nicht bereuen?«
»Nein ich bereue nichts«, entgegnete sie mit fester Stimme. »Der Entschluß, den ich gestern gefaßt habe, ist unwiderruflich.«
»Ich …«, begann er zögernd.
»Bitte seien Sie ruhig! Ich weiß, daß Sie mir jetzt irgend etwas sagen wollen, das mich trösten soll – und das doch nicht der Wahrheit entsprechen würde. Ich heirate Sie, weil ich weiß, daß ich Ihnen damit helfen kann. Es ist mir auch völlig klar, daß Sie mich nicht lieben – auch ich liebe Sie nicht. Wenn wir trotzdem diesen Entschluß gefaßt haben, dann nur deshalb, weil die Gründe, die Sie dazu zwingen, sehr schwerwiegend sind. Gebe Gott, daß alles gut ausgeht!«
»Ja wir wollen es hoffen«, entgegnete er ernst. »Dort kommt Gold.«
Der Beamte betrat in diesem Augenblick die Halle – ein ungewöhnlicher Anblick im Zylinder und feierlichem schwarzem Mantel. Er legte ab, begrüßte das Brautpaar und ging mit ihnen in den Speisesaal, wo an einem Ecktisch bereits ein Imbiß für sie bereitstand.
Verity rührte kaum etwas an, und auch Comstock Bell aß nicht viel. Aber Gold, der weiter keine Sorgen hatte – schließlich war es ja nicht er, der heiraten sollte –, langte tapfer zu. Abgesehen von seinem immer erstaunlich guten Appetit war er an diesem Tag schon seit in der Frühe auf den Beinen – was allerdings keiner der Anwesenden wußte.
»Wohin werden Sie Ihre Hochzeitsreise machen?« erkundigte er sich.
»Wir bleiben zuerst ein wenig in Paris«, erklärte Comstock Bell, »von dort aus fahren wir nach München, später nach Wien und vielleicht auch noch nach Rom. Weitere Pläne habe ich vorerst keine.«
»Unangenehm für Sie, daß Ihre Hand noch verbunden ist«, meinte Gold und deutete auf den Verband.
Comstock Bell lächelte.
»Tatsächlich, daran habe ich noch gar nicht gedacht! Ich habe mich jetzt schon daran gewöhnt, mit der linken Hand auf der Schreibmaschine zu schreiben, daß ich mich in Zukunft wahrscheinlich nie wieder entschließen kann, Briefe handschriftlich abzufassen.«
»Nehmen Sie Ihre Schreibmaschine mit?« fragte Gold.
»Selbstverständlich. Ich habe mir bereits eine Reiseschreibmaschine mit Spezial-Tastatur anfertigen lassen.«
»Nun, Ihre Gattin wird Ihnen vermutlich als Sekretärin ganz gute Dienste leisten können.«
»Da wird nicht viel daraus werden. Die Tastatur der Maschine ist ziemlich kompliziert.«
Die Unterhaltung stockte, und Bell winkte dem Kellner.
»Bringen Sie mir bitte ein Telegrammformular.«
Einige Minuten später lagen eine Schreibunterlage und ein Formular vor ihm.
»Soll ich es für Sie schreiben?« fragte Gold.
»Sehr freundlich, aber ich komme schon zurecht«, erwiderte Comstock Bell ein wenig verlegen. Umständlich malte er mit der linken Hand die Buchstaben. Das Telegramm war an Captain Lauder in Landview Cottage, Gravesend, gerichtet und bestand nur aus dem einzigen Wort: »Vorwärts!«
Auch Gold hätte gar zu gerne den Inhalt des Telegramms gekannt, das Bell ausgerechnet an seinem Hochzeitsmorgen abschickte. So sehr er sich den Hals verrenkte, Bell hielt das Formular so, daß er nichts lesen konnte. Als Bell fertig war, steckte er das Telegramm in ein Kuvert und gab es zusammen mit einem Fünfshillingstück dem Kellner.
»Lassen Sie dies sofort zur Post bringen, und geben Sie mir dann die Rechnung.«
Gleich darauf brachen sie auf. Sie hatten sich entschlossen, die kurze Entfernung bis zum Standesamt und anschließend zur Kirche zu Fuß zurückzulegen.
Mit Ausnahme des Kirchendieners und des Küsters war niemand in der Kirche. Ihre Schritte hallten hohl wider, als sie den breiten Mittelgang entlangschritten und vor dem Altar auf den Geistlichen warteten. Dumpf drang das Summen und der Lärm der erwachenden Großstadt durch die Mauern. Hätte Comstock Bell jemals früher an eine künftige Trauung gedacht – so hätte er sie sich bestimmt nicht vorgestellt. Auch Verity, die sich dem bedeutungsvollsten Ereignis ihres Lebens gegenübersah, war wie betäubt von der Unwahrscheinlichkeit der Situation.
Der Geistliche trat aus der Sakristei und näherte sich ihnen langsam. Feierlich sprach er die Worte, die sie fürs Leben verbanden. Die bekannten Fragen und Antworten hallten seltsam durch den hohen, leeren Raum. Ein schmaler Goldreif wurde Verity auf den Finger gestreift.
Alle zusammen gingen sie dann in die Sakristei, um ihre Unterschriften unter das Heiratsprotokoll zu setzen. Der Geistliche meinte, daß es ein schöner Tag sei und daß er hoffe, dieses Jahr endlich wieder einmal einen richtigen englischen Sommer zu erleben. Comstock erwiderte einige konventionelle Worte. Gold zahlte die Kirchengebühren und vergaß auch nicht, dem Kirchendiener, der obendrein noch den zweiten Trauzeugen gemacht hatte, ein respektables Trinkgeld zu geben. Dann trat das junge Paar als, Mr. und Mrs. Comstock Bell in das grelle Sonnenlicht des Frühlingstages hinaus.
Bell schaute auf die Uhr.
»Wir haben noch eine Stunde Zeit«, sagte er. »Dein Gepäck hast du doch schon auf den Bahnhof bringen lassen?«
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