Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich Glauser
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Читать онлайн книгу Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich Glauser страница 82

Название: Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten

Автор: Friedrich Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075834973

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СКАЧАТЬ Herr Oberst wandte sich ausschließlich an den Wachtmeister:

      »Wenn man, wie ich, auf ein Leben eiserner Pflichterfüllung im Dienste des Gemeinwohls zurückblicken kann, wenn man, wie ich, mit ruhigem Gewissen sagen kann, daß man für seinen einzigen Sohn die schwersten Opfer gebracht hat, um ihn auf den rechten Weg zu geleiten, wenn man, wie ich, in Ehren weiß geworden ist und es erleben muß, daß der Name, den man trägt, von einem mißratenen Element in den Schmutz gezogen wird, dann kann man es nicht genug verurteilen, wenn ein Arzt, ein Seelenarzt, die Partei des Sohnes gegen den Vater ergreift…«

      Studer schnitt ein Gesicht, als ob er Zahnweh habe. Dr. Laduner beugte sich vor, schien etwas sagen zu wollen, gab die Absicht auf, zog die Hände zwischen den übergeschlagenen Beinen hervor und zündete sich eine Zigarette an. Oberst Caplaun zog ein ledernes Etui hervor, und das Inbrandsetzen der Zigarre war eine heilige Handlung… Studer zündete eine Brissago an… Die Temperatur des Zimmers schien nahe dem Nullpunkt zu sein…

      »Ich habe eingewilligt«, sagte Oberst Caplaun, »daß mein Sohn, der mir nur Kummer bereitet hat, dessen Leichtsinn seiner Mutter ein frühes Grab geschaufelt hat, der mir durch seine Bosheit seit fünfundzwanzig Jahren zu schaffen macht…«

      »Sie müssen, um klar sehen zu können, zwei Dinge wissen, Studer: Herberts Mutter ist gestorben, als der Bub sechsjährig war, das wäre das eine. Und das zweite: Herbert ist jetzt neunundzwanzig Jahre alt… Seit fünfundzwanzig Jahren, sagt der Herr Oberst…«

      »Ich verbitte mir jegliche Ironie!« brauste der Oberst auf.

      Laduner schwieg.

      »Herr Dr. Laduner hat sich seinerzeit an mich gewandt und mich angefleht, ihm meinen Sohn in Behandlung zu geben – in die »›Analyse‹«, wie er sagte…« Das Wort ›Analyse‹ sprach er aus, als ob es zwischen sechs Anführungszeichen stünde… »Er versprach mir, alle Verantwortung zu übernehmen und mich dadurch zu entlasten. Zuerst erwies sich eine kurze Internierung als notwendig. Ich hätte sie länger gewünscht, aber da Herr Dr. Laduner die Verantwortung zu übernehmen gewillt war, hatte ich nichts einzuwenden. Aber, wie hat er diese Verantwortung gehandhabt? Mein Sohn ist ein Säufer, Wachtmeister, ich sage dies mit blutendem Vaterherzen, er ist aus der Art geschlagen, daheim hatte er immer das leuchtendste Beispiel vor Augen…«

      Studers Blick saß so auffällig und fest auf der knospend roten Gurkennase, daß der Oberst den Blick nicht gut ignorieren konnte. Er räusperte sich und sagte, merklich weniger pathetisch und schier entschuldigend:

      »Es ist eine Hautkrankheit…«, wozu er mit dem Finger auf seine Nase deutete.

      »Ge-wiß!« bekräftigte Dr. Laduner mit todernster Miene. »Ähämhäm«, sagte der Oberst und sog an seiner Zigarre. Er verzog das Gesicht, als sei der Rauch bitter. »Was ich sagen wollte… Mein Sohn Herbert hat sich verpflichtet, während der Dauer der… ›Analyse‹… hier im Dorfe Randlingen bei einem Gärtner zu arbeiten, sich des Alkohols zu enthalten und fleißig in die… häm… Analyse zu gehen. Er hat mir dies in die Hand versprochen, obwohl er mein Vertrauen bitter getäuscht hat, schon oft… Und was muß ich erfahren, wie ich heute nach Randlingen komme und meinen Sohn besuchen will? Daß er seit einer Woche sein Zimmer aufgegeben hat, daß er nur noch unregelmäßig arbeitet… Niemand weiß, wo er wohnt, und Herr Dr. Laduner verweigert mir jede Auskunft über den Aufenthaltsort meines Sohnes. Und als ich mich mit angstvollem Vaterherzen an den Herrn Doktor wende, was sagt mir der Herr? Was hat er die Stirne…«

      »Daß Aufregung unnötig sei, da ich ja die Verantwortung zu tragen hätte…«

      »Ich bitte Sie, Herr Studer, ist das eine Antwort? Wobei Sie nicht vergessen dürfen, daß sonderbare Dinge in der Anstalt Randlingen vorgehen. Der Herr Direktor, ein alter Freund von mir, der mir in einem vertraulichen Moment seine Zweifel, seine durch lange Erfahrung begründeten Zweifel an der modernen Behandlungsmethode des Dr. Laduner ausgedrückt hat, der Herr Direktor ist tot… Wie ist er gestorben?… Geheimnis, das Sie wohl berufener sind als ich, aufzuklären… Ich denke mir, Dr. Laduner wird durch diese neue Situation sicher nicht mehr die Muße finden, sich meinem Sohne so zu widmen, wie er es sicher gerne möchte, ich komme und biete ihm an, ihm die Verantwortung tragen zu helfen, ich biete ihm die Hand… Was antwortet mir der Herr Direktor?…«

      Armer Herbert Caplaun, dachte Studer, wenn der nicht hat zurechtkommen können auf der Welt, so ist das weiter nicht erstaunlich bei dem Vater! Und Mitleid für den verpfuschten Herbert ergriff ihn…

      »Was antwortet mir der Herr Direktor? Ich möge die Kur, die sich gut anlasse, nicht mutwillig unterbrechen… Und ich bitte Sie, worin besteht die Kur?… Die »›Analyse‹«? Daß der verdorbene Bursche die größten Lügen über seinen Vater erzählen darf – Sie dürfen mir glauben, ich habe Erkundigungen eingezogen, bei Fachleuten –, daß er sich als Märtyrer gebärdet… Und dies alles mit besonderer Erlaubnis eines Seelenarztes…«

      »Ich möchte Sie auf eines aufmerksam machen, Herr Oberst, ich bin stellvertretender Direktor, und die Zeit, die ich Ihnen widmen kann, ist beschränkt…« Blick auf die Armbanduhr. »O ja, ich werde zum Schluß kommen. Ich habe Herrn Wachtmeister Studer nur eines zu fragen: Gedenkt er den mysteriösen Unglücksfall, dem der langjährige Direktor dieser Anstalt, mein Freund Ulrich Borstli, zum Opfer gefallen ist, gewissenhaft aufzuklären, oder ist er gewillt, sich von Herrn Dr. Laduner, dem stellvertretenden Direktor« (die beiden Worte klangen besonders giftig), »So beeinflussen zu lassen, daß er seine Untersuchung in eine Richtung lenkt, die einer Vertuschung gleichkommen würde… Oder ist er gewillt, nach bestem Wissen und Gewissen…«

      Pause. Dem Herrn Oberst schien plötzlich etwas eingefallen zu sein, denn er beugte sich vor, musterte Studer aufmerksam mit seinen großen, rotgeäderten Augen – die Iris war von einem unangenehmen Blau, wie bei einer siamesischen Katze –, nickte dann, als sei ihm etwas eingefallen, und mit ganz sanfter Stimme fuhr er fort und senkte seine Blicke nicht mehr:

      »Hören Sie, Herr Wachtmeister Studer, ich erinnere mich jetzt an Sie. Es ist Ihnen einmal bitteres Unrecht geschehen. Aber es waren damals so große Interessen im Spiel, daß ich unmöglich anders handeln konnte… Wollen wir zu einer Einigung gelangen? Ich lasse Ihnen Ferien geben, Sie suchen meinen Sohn, dessen Verbleib ein gewisser Seelenarzt mir nicht verraten will, und Sie beruhigen ein schmerzendes Vaterherz. Die Untersuchung hier werde ich in andere Hände legen lassen – übrigens, geht das an, daß Sie bei einem Arzte wohnen, der an den Vorkommnissen beteiligt ist? –, in die Hände eines Unvoreingenommenen… Finden Sie meinen Sohn, so werde ich mein möglichstes tun, Ihnen Ihren weitern Lebensweg angenehm zu gestalten. Sie wissen, ich bin nicht ohne Einfluß…« die Rechte faßte den Bart am Kinn und ließ ihn sanft durch die geschlossene Hand gleiten, »und Sie können versichert sein… Nun?«

      Schweigen. Erwartungsvolles Schweigen. Dr. Laduner blickte angestrengt auf seine Kniee. Studer seufzte. Das war gar nicht so einfach… Diese Irrenhausgeschichte war eine ganz verkachelte Angelegenheit, war es nicht wirklich besser, man ließ die Finger davon?… Gefühle! Mit Gefühlen kam man nicht weiter, auch wenn sie verlockende Formen annahmen wie etwa: der ältere Bruder, der seinen Benjamin schützen will… Einmal schon hatte es einem den Kragen gekostet, weil man dem Herrn Obersten zu nahe getreten war… Noch einmal von vorne anfangen?… Mit fünfzig Jahren?… Das wollte überlegt sein. Studer sog angestrengt an seiner Brissago, behielt den Rauch lange im Munde, stieß ihn nur widerwillig aus…

      Einerseits: Man gab die Untersuchung auf, überlieferte die Brieftasche (schade, daß man den Sandsack nicht mehr hatte) zusammen mit den Beobachtungen über Pieterlen und den nächtlichen Ausflug Dr. Laduners in den Sous-sol-Gang vom R seinem Nachfolger, widmete sich dem Auffinden Herbert Caplauns… Dann war man gedeckt, ja ›gedeckt‹. Dann ging man in mindestens СКАЧАТЬ