Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich Glauser
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Читать онлайн книгу Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich Glauser страница 41

Название: Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten

Автор: Friedrich Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075834973

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СКАЧАТЬ seid Ihr reif fürs Spital. Ich würd dann an Eurer Stelle ein Auto nehmen und direkt hinfahren. Könnt noch froh sein, daß es eine trockene Brustfellentzündung ist. Aber es kann schon noch böser kommen. Und jetzt möcht ich wirklich gern wissen, warum Ihr mich so spät noch um ein Mikroskop angegangen habt. Wartet noch!« Er schüttete aus etlichen Gutteren verschiedene Flüssigkeiten in ein Glas, füllte heißes Wasser nach und ließ Studer trinken. Es schmeckte gruusig. Studer schüttelte sich. Dann bekam er noch eine Einspritzung, durfte sich wieder anziehen, wollte aufstehen.

      »Liegen bleiben!« schnauzte ihn der Arzt an.

      Und Studer blieb liegen. Die Lampe auf dem Schreibtisch hatte einen grünen Blechschirm. Dicke Bücher standen auf den Regalen an der Wand. Im Raum roch es nach Apotheke. Studer lag auf dem Rücken, die Hände hatte er im Nacken verschränkt.

      »Also?« fragte der Doktor.

      Studer atmete tief. Es war das erste Mal an diesem Tage, daß er wieder so richtig tief atmen konnte.

      »Die Pulverspuren«, sagte er, »sie waren das letzte Glied, wie es so schön in den Romanen heißt. Ich hätt' es eigentlich nicht gebraucht. Denn es war schon vorher alles klar…«

      Und er erzählte von der Fahrt nach Thun, von Sonjas Aussage, vom Besuche bei Armin Witschi, von der Fahrt nach Bern.

      »Ich hab heut schon einmal mikroskopiert«, sagte er und lächelte gegen die Decke, dicke Schweißtropfen liefen ihm übers Gesicht, hin und wieder fuhr er sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Und wissen Sie, Doktor«, Studer sprach plötzlich hochdeutsch, aber diesmal war es nicht irgendein Ärger, der ihn den heimatlichen Dialekt vergessen ließ, es war eher das Fieber, »die Kugel, die im Kopfe des Herrn Wendelin Witschi gefunden worden ist – und Herr Wendelin Witschi war nach der Aussage von Dr. Giuseppe Malapelle vom Gerichtsmedizinischen Institut in Bern eine Alkoholleiche mit über 2 pro Mille im Blut, – die Kugel also sie stammte aus dem Revolver, den ich bei dem Einbrecherdilettanten Augsburger heute morgen gefunden habe.« Studer kicherte wie ein Schulbub. »Wenn der Untersuchungsrichter wüßte, daß ich ihm den Revolver gestaucht habe! Guter Kerl, der Untersuchungsrichter, aber jung! Und wir so alt! Nicht wahr, Doktor? Uralt. Wir verstehen alles, wir müssen alles verstehen. Wie hat die Frau Hofmann gesagt? Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet! Sehr richtig! Ausgezeichnet! Wer hat das schon gesagt? Ich weiß es nicht mehr. Und dann war doch die Frage leicht zu lösen, woher der Revolver stammte. Aber das verrät der Studer nicht. – Es ist so heiß bei Ihnen, Herr Doktor, haben Sie im Mai auch geheizt? Wie der Untersuchungsrichter? Ich hab einmal einen großartigen Traum gehabt, von einem Daumenabdruck, von einem riesigen Daumenabdruck. Sie sind doch kein Daumendeuter, eh… Traumdeuter, Herr Doktor? Ich habe einmal einen Fall bearbeiten müssen, der spielte in einem Irrenhaus. Und da hab ich es mit einem Herrn zu tun gehabt, der war – warten Sie einmal, wie heißt das schon? – Ja, der war Psychoanalytiker. Er deutete die Träume und konnte Ihnen dann ganz genau sagen, was mit Ihnen los war. Ist gestorben, der Herr Analytiker, seine ganze Traumdeutung hat ihm nichts genützt. Aber was wollte ich Ihnen erzählen? Es geht alles durcheinander… – Sie haben wissen wollen, wo ich den Pulverstaub gefunden hab? Warten Sie noch… – Kennen Sie den Cottereau? Den Obergärtner? Ja? Was halten Sie von dem Mann? Ein wenig greisenhaft vertrottelt, hab ich nicht recht? Er wußte etwas, aber ein paar Burschen haben ihn verprügelt. Er hat ihn gesehen, denjenigen, welchen… Ich will seinen Namen nicht nennen. Er hat ihn gesehen an jenem Abend, oder wenn Sie lieber wollen, in jener Nacht. Wann endet eigentlich der Abend und wann beginnt die Nacht? Können Sie mir das definieren, Herr Doktor?… – Sie kennen doch die Taschen an den Seitentüren der Autos, dort, wo man gewöhnlich die Landkarte versorgt? Den Staub dort, den hab ich aus so einer Tasche herausgekratzt. Das letzte Glied, Herr Doktor, der Wachtmeister Studer hat sich nicht blamiert. Aber der Wachtmeister Studer hat keine Ahnung, wie die ganze Geschichte ausgehen wird. Keine Ahnung! Denken Sie!… Ich will schlafen«, sagte plötzlich Studer. Er schloß den Mund, die runzligen Lider fielen ihm über die Augen, er tat einen tiefen Seufzer.

      »Armer Kerl!« sagte Dr. Neuenschwander. Er ging einen Nachbarn holen. Zu zweit trugen sie Studer ins Gastzimmer, zogen ihn aus und deckten ihn ordentlich zu. Neuenschwander füllte noch eine Bettflasche mit heißem Wasser, legte sie an Studers Füße, die eiskalt waren. Er ließ die Zimmertüre offen und ging zurück an seinen Schreibtisch. Dort las er bis gegen ein Uhr. Alle Stunden sah er nach dem Wachtmeister. Der mußte schwere Träume haben. Er murmelte oft, fast immer die gleichen Worte:

      ›Mikroskop‹, war zu verstehen, ›Daumenabdruck‹. Und noch ein Mädchenname. ›Sonja‹.

      Um vier Uhr stand Dr. Neuenschwander noch einmal auf. Studers Temperatur war auf siebenunddreißig gefallen.

      Der Fall Wendelin Witschi zum letztenmal

       Inhaltsverzeichnis

      Ein trübes Begräbnis.

      Natürlich regnete es wieder. Im Lättboden des Friedhofs füllten sich die Fußstapfen, kaum daß man den Schuh aus der zähen Erde gezogen hatte, mit gelbem Wasser. Wendelin Witschis Grab war nur von zehn Regenschirmen umstanden, und die Tropfen, die auf die zehn gespannten schwarzen Tücher fielen, trommelten einen leisen, traurigen Wirbel.

      Der Pfarrer machte es kurz. Sonja schluchzte. Frau Witschi stand aufrecht neben ihrer Tochter. Sie weinte nicht. Armin war nicht gekommen. Nach dem Pfarrer sprach der Gemeindepräsident Aeschbacher ein paar Worte. Sie machten ihm sichtlich Mühe.

      Studer stand neben Dr. Neuenschwander und war froh, daß er sich auf den Arm des Arztes stützen konnte. Aber als nun alle langsam auf das Friedhofstor zuschritten, machte sich Studer von seinem Begleiter los, holte den Gemeindepräsidenten ein und sagte:

      »Herr Gemeindepräsident, ich sollt' mit Euch reden.«

      »Mit mir, Wachtmeister?«

      »Ja«, sagte Studer.

      »So kommt!«

      Aeschbachers Auto stand auf der Straße. Der Gemeindepräsident öffnete den Schlag, zwängte sich auf den Sitz vor das Steuerrad, winkte Studer. Der Wachtmeister stieg ein. Er schüttelte dem Arzte zum Abschied die Hand, dann schlug er selbst den Schlag zu.

      Es war wenig Platz vorhanden, denn beide waren sie nicht gerade mager. Aeschbacher drückte auf den Anlasser. Studer starrte auf die Tasche, die am Wagenschlag angebracht war.

      Aeschbacher schwieg. Das Auto kehrte, fuhr ins Dorf zurück, fuhr vorbei an den vielen, vielen Ladenschildern. Gerzenstein, das Dorf der Läden und Lautsprecher! – Wann hatte Studer das Dorf so genannt? War das lange her? Am Samstag. Und heute war Dienstag. Zwei Tage nur lagen dazwischen!

      Die Lautsprecher waren nicht zu hören. Entweder war es noch zu früh, oder der Lärm des Autos übertönte ihre Musik, ihre Reden.

      Das Dorf Gerzenstein! Ein Dorf? Wo waren die Bauern in diesem Dorfe? Man sah nichts von ihnen. Sie wohnten wohl hinter der Fassade der Läden , irgendwo, in den Hintergründen.

      Aeschbacher schnaufte. Den Mann mußte viel bedrücken.

      Und während der Wagen in die Bahnhofstraße einbog, auf dem kleinen Stück Weges, der von der Hauptstraße bis zur Druckerei des ›Gerzensteiner Anzeigers‹ führte, erlebte Studer noch einmal den gestrigen Abend.

      Der Cottereau, der sich endlich entschlossen hatte zu sprechen. Der Cottereau, der gesehen hatte, wie Aeschbacher den Browning in eine jener Taschen versorgt СКАЧАТЬ