Название: Butler Parker Jubiläumsbox 6 – Kriminalroman
Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Butler Parker
isbn: 9783740931360
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Noch im Treppenhaus öffnete Parker die beiden Briefe.
Der erste Brief war eine Antwort auf ein Bewerbungsschreiben, das Frank Carpenter an eine Ingenieurfirma in Los Angeles gerichtet hatte. Die Bewerbungsunterlagen wurden zurückgeschickt. Man bedauerte mit wenigen dürren Worten, im Moment keine freie Stelle für Mr. Carpenter zu haben.
Parker klammerte das Foto von den Bewerbungsunterlagen ab. Hier hatte er endlich einen Beweis in der Hand, daß der Erhängte im ›Jackson‹ mit Frank Carpenter identisch war. Das Brustbild zeigte unverkennbar den Toten, den Parker am Kleiderständer entdeckt hatte.
Der zweite Brief stammte von der San Francisco State Bank. Mr. Frank Carpenter wurde mitgeteilt, daß sein Kreditantrag in Höhe von 2000 Dollar abgelehnt worden sei.
Parker überlegte einen Moment, nahm die schwarze steife Melone vom Kopf und barg die beiden Briefe darin. Er schob sie unter die Stahleinlage. Immerhin hatte er in den vergangenen Stunden ausgiebig mit Taschendieben zu tun gehabt. Er wollte sich nicht bestehlen lassen. Die beiden Briefe waren recht interessant. Sie deuteten darauf hin, daß Frank Carpenter in einigen Schwierigkeiten gesteckt haben mußte.
Parker verließ das Appartementhaus.
Er hakte den Regenschirm über den linken Unterarm, rückte sich die schwarze Melone zurecht und wollte die Mason Street in Richtung Hafen hinuntergehen.
Sah er nicht, daß sich hinter ihm ein Wagen vom Straßenrand löste? Merkte er nicht, daß ihn dieser Wagen augenscheinlich verfolgte? Parker schritt steif und würdevoll aus. Er dachte an sein Gespräch mit Helen Angus, an den erhängten Mr. Carpenter und an die beiden Briefe. Je mehr er über sie nachdachte, desto interessanter erschienen sie ihm. Er wurde sich klar darüber, daß er die Engineering Development‹ so schnell wie möglich besuchen mußte. Dort erfuhr er gewiß mehr über den Erhängten.
»Hallo, können Sie mir helfen?«
Parker fühlte sich angesprochen.
Er wandte sich zur Seite.
Etwa anderthalb Meter von ihm entfernt hielt ein dunkler Buick am Straßenrand. Der Beifahrer hatte sich aus dem Fenster gebeugt und winkte Parker zu.
Der Butler stutzte unmerklich. Selbst ein genauer und aufmerksamer Beobachter hätte es kaum bemerkt.
Parker spürte augenblicklich, daß Gefahr drohte. Sein fein ausgebildeter Instinkt warnte ihn. Situationen dieser Art kannte er schließlich mehr als genug.
Doch Parker ließ sich nichts anmerken.
»Ich hoffe sehr, Ihnen helfen zu können«, sagte er höflich, lüftete seine schwarze Melone und trat an den Wagenschlag heran. »Wenn mich nicht alles täuscht, soll ich Ihnen mit meinen, wenn auch bescheidenen Ortskenntnissen aushelfen, nicht wahr?«
Der Mann auf dem Beifahrersitz starrte ihn entgeistert an. Solch eine gewundene, barock zu nennende Antwort hatte er ganz sicher nicht erwartet.
»Wie war das?« fragte er. Er verzog sein breites, grobes Gesicht, als habe er in eine besonders saure Zitrone gebissen.
»Wohin oder was möchten Sie?« präzisierte Parker seine Frage.
»Ach so, jetzt geht mir ein Licht auf«, meinte der Beifahrer und grinste. »Sehen Sie sich das hier mal genauer an, Alterchen.«
Er ließ den Lauf einer 38er im Ausschnitt des Wagenfensters erscheinen.
»Wenn mich nicht alles täuscht, eine Schußwaffe«, stellte Parker fest.
»Mann, Sie haben Nerven, oder Sie sind ein Vollidiot«, knurrte ihn der Mann mit dem groben Gesicht an. »Wenn ich den Zeigefinger bewege, sind Sie ein toter Mann. Ist das klar?«
»Nicht unbedingt«, widersprach Parker höflich. »Es kommt darauf an, wie gut oder schlecht Sie schießen.«
»Ich schieße sogar erstklassig«, warnte ihn der Mann. »Steigen Sie ein, Alterchen. Wenn Sie parieren, passiert Ihnen nichts. Wenn Sie Ärger machen, sind Sie Dauergast im Spital!«
»Ihre Argumente überzeugen mich im Moment«, stellte Parker fest. »Aber ich möchte dennoch nicht versäumen, in aller Form gegen diese Art des Menschenraubs zu protestieren.«
»Mach’ schon, Alter.« Der Mann zischte wie eine gereizte Klapperschlange. »Deinen Unsinn werde ich dir schon schnell austreiben …!«
Parker stieg ein und hielt den Mund.
Er hätte sich selbstverständlich zur Wehr setzen können. Er verzichtete darauf. Kontakt mit Gangstern jeden Kalibers war immer wichtig. Nur so erfuhr man schließlich, wie die Figuren im tödlichen Spiel verteilt waren …
*
Der Mörder aus dem ›Jackson‹, der Frank Carpenter erhängt hatte, konnte es einfach nicht fassen. Immer wieder nahm er die Brieftasche hoch, die vor ihm auf dem Tisch lag. Und immer wieder murmelte er Flüche, die von Minute zu Minute eindeutiger und wütender wurden.
Er hatte allen Grund, sich so zu verhalten. Die Brieftasche vor ihm auf dem Tisch war nicht die, die man ihm aus der Brusttasche geschlitzt hatte. Es war die Brieftasche des jungen Taschendiebes. Und die war für den Mörder natürlich vollkommen wertlos.
Er konnte es nicht riskieren, zurück ins ›Jackson‹ zu gehen. Nach seiner Flucht, nach dem Niederschießen des Hausdetektivs, durfte er sich dort nicht mehr sehen lassen. Es war überhaupt gefährlich für ihn, sich auf den Straßen sehen zu lassen. Schließlich wußte zumindest der Taschendieb, wie er aussah.
Wie komme ich an die Brieftasche heran? fragte sich der Mörder. Umsonst habe ich Carpenter schließlich nicht umgebracht. Die Brieftasche stellt für mich ein Vermögen dar. Und abgesehen vom Geld garantiert sie sogar mein Leben. Kann ich sie nicht zurückholen, dann dürfte es mir an den Kragen gehen. Dann ist nicht nur die Polizei hinter mir her, sondern dann muß ich auch mit ein paar ausgesuchten Berufsmördern rechnen. Und die dürften gefährlicher sein als die Polizei. Sie werden mich aufspüren, ganz gleich, wo ich mich auch verstecke …
Der Mörder zuckte zusammen.
Das Telefon in seinem Hotelzimmer schrillte unangenehm laut. Allein dieses Geräusch war wie eine Mahnung. Der Mörder riß sich zusammen, gab sich einen Ruck und hob den Hörer aus der Gabel.
»Hier Hyman«, meldete er sich.
»Hier ist der Kaiser von China«, lautete die ironische Antwort. »Sie wissen, wer ich bin?«
»Natürlich.« Walt Hyman spürte, daß sein Mund trocken wurde.
»Wie sieht’s denn mit der Ware aus?« erkundigte sich der Mann am anderen Ende. »Ich soll sie doch gegen Abend bekommen, ja?«
»Das geht klar«, antwortete Walt Hyman gegen seinen Willen. Die Angst vor dem Anrufer war größer als sein Mut, die Wahrheit zu bekennen.
»Sehr schön.« Die Stimme des Anrufers klang wohlwollend. »Ich wußte doch, daß ich mich auf Sie verlassen kann, Hyman. Wann sehen wir uns?«
»Gegen 22.00 Uhr. Auf den Twin Peaks.«
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