Название: Der Münchner im Himmel
Автор: Ludwig Thoma
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027211357
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»Sie, Herr Nachbar, hamm S’ a Schnellfeuer?«
»Zündholz?« – Habe ich nicht. Gebe ihm meine Zigarre. Er brennt seinen Stummel damit an.
Bläst den Rauch hinaus und sagt:
»Schön’s Wetter. Wenn’s so bleibt.«
»Jawoll. Sehr hübsch.«
»Aba warm.«
»Mhm, ja.«
Er gibt mir die Zigarre zurück. Schaut mich an. Schaut meinen Freund an.
»Die Herren san g’wiß fremd hier?«
»Nein.«
»Net? So? I ho mir denkt, Sie san fremd. Is schad, daß S’ net fremd san.«
»Warum?«
»I hätt’ Eahna die Gegend erklärt für a Maß Bier.«
»Kennen alles selbst. Sind Münchner.«
»So? Münchna? Sie, da san ma ja Landsleut! Vielleicht spitzen S’ a Maß?«
Gebe ihm zwanzig Pfennig.
Der Mensch dankt und sagt, er wolle sich Bier kaufen. Müsse Kraft haben. Viel zu arbeiten. Schweres Stück zu machen.
Frage ihn, was er vorhabe.
Auftrag vom Magistrat. Einen Mordsauftrag. Müsse die Ludwigstraße umgraben. Ganz umgraben. Werde asphaltiert. Der Kerl geht kopfschüttelnd weg. Holt seinen Rock auf der andern Seite. Zieht ihn an. Schreit nochmal herüber: »Dös gibt a Mordsarbeit.«
Geht ins Wirtshaus.
Der Kohlenwagen
Ein großes, schwer beladenes Kohlenfuhrwerk fuhr auf dem Tramwaygeleise, als eben ein Wagen der elektrischen Straßenbahn daher kam.
Der Kutscher des Kohlenfuhrwerks sagte: »Wüst, ahö, wüst«, und fuhr so langsam aus dem Geleise, als wäre die elektrische Bahn nur eine Straßenwalze.
Er bewerkstelligte auch, daß er gerade noch mit dem hinteren Rade an den Wagen stieß. Das Rad brach, und der Kohlenwagen senkte sich krachend mitten in das Geleise.
»Du Rammel, du g’scheerter, kannst net nausfahren?« schrie der Kondukteur.
»Jetzt nimma, du Rindviech!« antwortete der Kutscher. Und er hatte ganz recht, denn eine Kohlenfracht kann man nicht auf drei Rädern wegbringen.
Der Kondukteur legte dem Fuhrmanne noch einige Fragen vor. Ob er glaube, daß er das nächstemal aufpassen wolle; ob er vielleicht nicht aufpassen wolle, und ob noch ein solcher dummer Kerl Fuhrmann sei.
Dies alles brachte den Kutscher nicht aus seiner Ruhe.
Er stieg ab und stellte fest, daß das Rad vollständig kaputt sei. Und da er infolge dieser Tatsache die Meinung gewann, daß sein Aufenthalt von längerer Dauer sein werde, zog er die Tabakpfeife aus der Tasche und begann zu rauchen.
Erst jetzt faßte er den Kondukteur näher ins Auge, und als er ihn genug besichtigt hatte, erklärte er dem sich ansammelnden Publikum, daß er nicht aufpasse, weder auf die Tramway, noch auf den Kondukteur.
Und dann lud er die Aktiengesellschaft, sowie deren sämtliche Bedienstete zu einer intimen Würdigung seiner Rückseite ein. In diesem Augenblick drängte sich ein Schutzmann durch die Menge und stellte sich vor den Wagen hin.
»Was gibt’s da? Was ist hier los?« fragte er.
»A hinters Radl is los«, sagte der Kutscher.
»So? Das wer’n wir gleich haben«, erwiderte der Schutzmann, und ich glaubte, daß er ein Mittel angeben wolle, wie man dem umgestürzten Wagen am schnellsten auf die Räder hilft.
Der Schutzmann zog ein dickes Buch aus der Brusttasche, öffnete es und nahm einen Bleistift heraus, der an dem Deckel steckte.
Während er ihn spitzte, kam wieder ein elektrischer Wagen angefahren. Der Lenker desselben machte großen Lärm, als er nicht vorwärts konnte, und der Schaffner blies heftig in sein silbernes Pfeifchen.
»Was ist denn das für ein unverschämtes Gefeife? Wollen S’ vielleicht aufhören zu feifen?« fragte der Schutzmann und blickte den Schaffner durchdringend an, während er den Bleistift mit der Zunge naß machte.
»So«, sagte er dann, indem er sich wieder zu dem Kutscher wandte, »jetzt sagen Sie mir, wie Sie heißen tun.«
»Matthias Küchelbacher.«
»Mat-thi-as Kü-chelbacher. Wo tun Sie geboren sein?«
»Han?«
»Wo Sie geboren sein tun?«
»Z’ Lauterbach.«
»So? In Lau-ter-bach. Glauben S’ vielleicht, es gibt bloß ein Lauterbach? Wollen S’ vielleicht sagen, wo das Höft ist? Tun S’ ein bissel genauer sein, Sie!«
Inzwischen hatte sich die Menge, welche den Wagen umstand, immer mehr vergrößert.
Ein Herr in der vordersten Reihe untersuchte mit sachverständiger Miene den Schaden. Er bückte sich und sah den Wagen von unten an; dann ging er vor und faßte die lange Seite scharf ins Auge, und dann bückte er sich wieder und klopfte mit seinem Stocke auf die drei ganzen Räder. Und dann sagte er, es sei bloß eines kaputt, und wenn es wieder ganz wäre, könne man sofort wegfahren.
Die Umstehenden gaben ihm recht. Ein Arbeiter sagte, man müsse versuchen, ob man den Wagen nicht wegschieben könne. Er spuckte in die Hände und stellte sich an das hintere Ende des Wagens. Dann sagte er: »öh ruck! öh ruck!« und schüttelte den Wagen, und spuckte immer wieder in seine Hände, bis ihn die Schutzleute zurücktrieben. Diese entwickelten jetzt eine große Tätigkeit. Sie gaben acht, daß die Zuschauer sich anständig benahmen und in einer geraden Linie standen. Das war nicht leicht. Wenn sie oben fertig waren, drängten unten die Neugierigen wieder vor, und deshalb liefen sie hin und her und wurden ganz atemlos dabei.
Noch dazu mußten sie acht geben, daß jeder Schutzmann, der hinzukam, seinen Platz erhielt; wenn ein Vorgesetzter erschien, mußten sie ihm alles erzählen, und wenn ein neuer Tramwaywagen daherfuhr, mußten sie dem Kondukteur einschärfen, daß er nicht durch die anderen Wagen durchfahren dürfe.
Ich weiß nicht, wie die Sache ausgegangen ist, weil ich nach zwei Stunden zum Abendessen gehen mußte. Aber ich las am nächsten Tage mit Befriedigung in den Blättern, daß der Polizeidirektor, der Minister des Innern und unsere zwei Bürgermeister am Platze erschienen waren.
Der Münchner im Himmel