Название: Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten
Автор: Sven Elvestad
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027212743
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Plötzlich ließ er den Spiegel sinken, legte ihn weg, steckte das Löschpapier in die Tasche und verließ mit einem knappen Gruß eiligst das Telegraphenamt.
»Haben Sie bemerkt, wie blaß er war?« sagte einer der Telegraphisten. »Das wird eine ernste Geschichte!«
Asbjörn Krag eilte unterdessen dem Hotel in der Kirchengasse zu, höchst befriedigt von dem, was er dem unschuldigen Löschpapier entlockt hatte. Bei sich selbst dachte er, daß auch der schlaue, geniale Barra hier vermutlich an einer Bagatelle gescheitert war, einem kleinen, gedankenlosen Fehlgriff.
»Heute ist Dienstag,« sagte der Detektiv im Hotelsalon zu seinen zwei wartenden Freunden. »Donnerstag will Barra seinen Plan zur Ausführung kommen lassen. Und da brauche ich in besonderem Grade Euren Beistand.«
»Wir sind ungeheuer gespannt,« sagte der Arzt, »mehr zu erfahren. Daß wir Ihnen die ganze Zeit zur ausschließlichen Verfügung stehen, wissen Sie.«
Asbjörn Krag zündete eine seiner dunklen Havannas an und setzte sich in der Sofaecke bequem zurecht.
»Es bestätigt sich diesmal, wie schon so oft,« begann er langsam, während er den Zigarrenrauch in großen Ringen von sich blies, »daß der sorgsamst berechnete Plan versagt, weil der Betreffende eine Bagatelle übersehen oder halb unbewußt einen ganz kleinen Fehlgriff begangen hat. Gerade diese kleinen Fehler werden zu den großen Löchern. In diese Spalten dringen wir Detektive ein und erweitern sie, bis sie zu dem Abgrund werden, in den der Verbrecher kopfüber stürzt.«
»Ingenieur Barra hat also solch eine kleine Spalte? Sie haben sie in seinem Plan gefunden?« fragte der Doktor gespannt.
»Ja, und hier ist sie,« erwiderte Krag mit einem Lächeln, indem er das Löschpapier hervorzog.
Die beiden anderen studierten es genau, ohne etwas Besonderes zu entdecken. Das Löschpapier schien noch wenig gebraucht, war ihre hauptsächlichste Beobachtung.
»Ja, Gott sei Dank,« sagte der Detektiv. »Eben darum druckt es besser ab, und Barra hätte die Folgen dieses Abdrucks bedenken müssen.«
»Aha, ich verstehe,« rief der Arzt, sprang rasch auf und hielt das Löschpapier vor den Salonspiegel.
»Das ist ja die Kopie eines Telegramms nach Fredrikshavn,« rief der Doktor. »Donnerstag, Barra, steht da. Was soll das bedeuten?«
»Wollen Sie die Güte haben, das Löschpapier umzudrehen?« sagte Krag.
»Ah,« rief der Arzt, »das ist ja ein ganzer Brief!«
»Richtig. Seien Sie so freundlich, ihn auf ein Papier aufzuzeichnen, die Worte und die Linien, die Sie herausbringen können.«
»Ab und zu ist es ganz unleserlich,« sagte Holst, »andere Stellen fehlen total.«
»Ja, ja, sie haben eine miserable Tinte im Telegraphenamt. Aber schreiben Sie nur.«
Als die Abschrift ausgeführt war, sah sie so aus:
... und mit Hil ... 000 Kronen könn ... die Erfindung ... führt werden ... Ic ... age alles bei dieser ... on ... ie müssen die Ve ... ung für die Schienen und die Lan ... se übern ... Wenn je ... er seine Pflicht... muß der C ... gelingen. Wir treffen uns wie vereinbart.
»Ausgezeichnet,« sagte Krag, als er das Abgeschriebene durchgelesen hatte.
»Das ist nicht schwer zu vervollständigen. Der letzte Teil der Mitteilung, den wir hier haben, lautet: ›Und mit Hilfe von soundsoviel Tausend Kronen können die Erfindungen ausgeführt werden. Ich wage alles bei dieser Spekulation. Sie müssen die Verantwortung für die Schienen und die Landstraße übernehmen.‹ Der Rest ist ganz deutlich, da die Tinte am Schluß des Schreibens noch nicht so trocken war wie im Anfang.«
»Ich muß gestehen,« sagte der Doktor, »daß ich noch nicht recht verstehe.«
»Nun ja, Sie wissen ja auch noch nicht alles, was ich weiß. Vom Telegraphenamt ging ich in die Zentralbank und erfuhr von einem zuverlässigen Freund, den ich dort habe, daß mit den Schnellzügen der Südbahn häufig große Sendungen Goldgeld kommen und gehen, als Ein- und Abzahlungen der großen Institute der verschiedenen Länder. Diese Sendungen werden natürlich so geheim als möglich gehalten. Man kündigt sie telegraphisch an und sendet immer einen Wächter mit, der sich die ganze Zeit in dem rückwärtigsten Wagen aufhält, wo die Goldkörbe untergebracht sind. Wir können davon ausgehen, daß Donnerstag eine solche große Goldsendung abgeschickt werden wird, und daß Barra davon erfahren hat.«
»Aha,« rief der Telegrapheningenieur. »Das hat er unten in dem Küstendorf aufgeschnappt.«
»Gewiß. Oder wir gehen jedenfalls davon aus, daß es der Fall ist. Doch ist Barra offenbar ein großer Schurke, der gegebenenfalls vor nichts zurückscheut. Schon gar nicht, wenn es sich um seine Sonderstellung als Gelehrter und Erfinder handelt. Dann sind Menschen und Institutionen für ihn nicht mehr wert, als die toten Zahlen, mit denen er kaltblütig rechnet. Jetzt beschäftigt er sich mit großen Erfindungen, in denen er eine neue Epoche für die Wissenschaft und Reichtum und Ehre für sich selbst sieht. Das beweisen seine Experimente in dem Küstendorf, sein Handhaben der Elektrizitätskräfte hier in der Stadt ganz deutlich.
Er wollte seiner Sache erst ganz sicher sein und hat sie hier in dem fernen Norwegen ausprobiert, wo er glaubte, daß seine Intelligenz leicht alle besiegen würde, die es wagten, sich ihm in den Weg zu stellen. Er steht, kurz gesagt, knapp am Ziele. Jetzt handelt es sich nur darum, das nötige Geld zu beschaffen. Was ist da natürlicher, als daß er mit allen seinen Kräften einen kühnen Coup wagt, den er bis auf die kleinste Kleinigkeit berechnet zu haben glaubt, um sich dieses elende Gold zu erwerben. Jetzt werden Sie natürlich fragen, in welcher Verbindung das Fredrikshavner Telegramm mit dieser Sache steht. Hier kann nach meiner Wahrscheinlichkeitsberechnung nur eine Kombination möglich sein. Ich denke mir Barras Plan als eine Entgleisung des Wagens, in dem das Gold ist. Aber von der Entgleisungsstelle müssen die Werte doch rasch weitergebracht werden. Darum das Telegramm nach Fredrikshald: Haltet das Automobil für Donnerstag parat. Das Gold soll offenbar von der Entgleisungsstelle per Automobil nach – ja, wohin gebracht werden? Hier gibt uns das Fredrikshavner Telegramm die Antwort. Kommt es Ihnen nicht wahrscheinlich vor, daß das Wort ›Donnerstag‹ sagt, daß sein Mithelfer an diesem Tage dort unten an einer vereinbarten Stelle z. B. mit einem kleinen Dampfboot warten soll. Barra könnte doch nicht gut einen norwegischen Dampfer benützen. Da wäre das Risiko zu groß. Bis dahin ist, glaube ich, meine Kombination des Sachverhalts unangreifbar.«
»Absolut!« rief der Doktor, begeistert über die Klarheit, mit der Asbjörn Krag seine scharfsinnigen Anschauungen dargelegt hatte. »Aber nun ist noch eines unaufgeklärt: wo soll diese Entgleisung herbeigeführt werden?«
»Richtig. Vorläufig kann man nur annehmen, daß es ein Punkt in der Nähe der See sein muß. Viel spricht für einen Ort in der Nähe von Moß, genügend weit von Christiania in verhältnismäßig ödem Landdistrikt. Gegen den ganzen Zug und seine vielen Passagiere wagt Barra offenbar kein Attentat. Darum hat er sich einen sinnreichen Apparat ausgesonnen, den letzten Wagen mit dem Bankdiener und dem Gold plötzlich abzukoppeln. Uebernehmen Sie die Verantwortung für die Schienen, das heißt, daß sein Mechanismus korrekt wirken wird.«
»Ausgezeichnet!« rief der Doktor.
»Nun kommen wir«, fuhr der Detektiv fort, »zu dem Punkt, der mir noch dunkel ist. Ich СКАЧАТЬ