Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
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Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

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СКАЧАТЬ erlaubte mir, hierher zu kommen.«

      »Das war recht«, stimmte der Gewaltige zu, mit einem wohlwollenden Blick über sein Doppelkinn weg. »Es freut mich, daß in eurer Bude drüben doch noch jemand ist, der den Staatssekretär eines gelegentlichen Vertrauens nicht für unwert hält.«

      Der Kommissar lächelte belustigt.

      »Ich war tatsächlich der Meinung, daß in diesem Falle Heat besser ersetzt würde durch –«

      »Oh! Heat? Ein Esel – wie?« rief der große Mann ausgesprochen feindselig.

      »Durchaus nicht. Wollen Sie bitte, Sir Ethelred, meinen Worten nicht diese ungerechte Auslegung geben.«

      »Was also? Um die Hälfte zu schlau?«

      »Auch nicht – oder doch nicht immer. Alle Unterlagen für meine Vermutungen habe ich von ihm. Das einzige, was ich allein entdeckt habe, ist, daß er den Menschen privat benützt hat. Wer wollte ihn tadeln? Er ist ein alter Polizeimann. Er sagte mir wörtlich, daß er Werkzeuge zur Arbeit brauche. Dabei fiel mir ein, daß dieses Werkzeug der Abteilung für besondere Verbrechen ganz übergeben werden sollte, anstatt das private Eigentum des Hauptinspektors Heat zu bleiben. Meine Auffassung unserer Dienstpflichten geht bis zur Unterdrückung der Geheimagenten. Aber Hauptinspektor Heat ist eine langjährige Stütze der Abteilung. Er würde mir vorwerfen, daß ich die guten Sitten untergrabe und zugleich die Arbeit erschwere. Er würde es bitter eine Vorschubleistung nennen, die sich noch auf die Verbrecherkaste der Revolutionäre erstrecke. Es würde ihm eben so erscheinen.«

      »Ganz recht. Aber was meinen Sie?«

      »Ich meine zunächst, daß es nur ein schwacher Trost ist, erklären zu können, daß irgendein Gewaltakt – durch den Eigentum beschädigt oder Leben vernichtet wurde – nicht den Anarchismus, sondern etwas durchaus anderes zur Ursache hat, irgendeine Art behördlich geschützter Schurkerei. Das ist meiner Meinung nach weit öfter der Fall, als wir vermuten. Dann liegt es auch auf der Hand, daß das Dasein dieser Leute im Solde fremder Regierungen die Wirksamkeit unserer eigenen Überwachung in gewisser Beziehung aufhebt. Ein Spion dieser Art kann es sich leisten, rücksichtsloser zu sein, als der rücksichtsloseste Verschwörer. Seine Tätigkeit kennt keine Hemmungen. Er braucht nicht die Treue, die zu völliger Verneinung, und nicht einmal soviel Gesetzesfurcht, wie noch zur völligen Gesetzlosigkeit gehört. Drittens räumt das Vorhandensein dieser Spione innerhalb der Revolutionsgruppen, deren Beherbergung man uns vorwirft, mit jeder Art von Sicherheit auf. Sie haben vor einiger Zeit von Hauptinspektor Heat beruhigende Versicherungen erhalten. Die waren durchaus nicht unbegründet – und doch geschieht nun dieser Zwischenfall. Ich nenne es einen Zwischenfall, weil der ganzen Sache meiner Meinung nach der Charakter des Endgültigen fehlt. Es fehlt der, wenn auch noch so wilde, leitende Grundgedanke. Das geht für mich gerade aus den Einzelheiten hervor, die den Hauptinspektor Heat so ratlos überraschen. Ich enthalte mich aller Einzelheiten, Sir Ethelred.«

      Der Gewaltige am Kamin hatte mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört.

      »Ist recht. Fassen Sie sich so kurz wie möglich.«

      Der Kommissar deutete durch eine Gebärde aufrichtiger Ergebenheit an, daß er bestrebt sei, sich so kurz wie möglich zu fassen.

      »Die Ausführung der Sache zeigt so viel Widersinn und Schwäche, daß ich die starke Hoffnung habe, ihr auf den Grund kommen und etwas ganz anderes dahinter finden zu können, als einen Ausbruch von persönlichem Fanatismus. Zweifellos handelt es sich um einen vorbereiteten Plan. Der wahre Täter scheint an der Hand bis an den Tatort geführt und dann eilig sich selbst überlassen worden zu sein. Es wird angenommen, daß er eigens zur Durchführung dieses Anschlags von weit weg hergeholt wurde. Zugleich aber drängt sich der Schluß auf, daß er nicht genügend englisch verstand, um sich durchfragen zu können, wenn man nicht die etwas phantastische Möglichkeit gelten lassen will, daß er taubstumm war. Nun frage ich mich nur – – Aber das ist müßig. Er ist durch einen Unfall umgekommen, ganz offenbar. Kein außergewöhnlicher Unfall. Aber ein außergewöhnlicher kleiner Umstand, bleibt: die Adresse in seinem Überrock, die gleichfalls durch blanken Zufall entdeckt wurde. Das ist ein unglaublicher, kleiner Umstand, so unglaublich, daß seine Aufklärung notwendig auch den Schlüssel zu der ganzen Sache darstellen muß. Anstatt nun Heat das Weitere in diesem Falle zu überlassen, habe ich vielmehr die Absicht, diesen Schlüssel persönlich zu suchen – alleine, meine ich – und dort, wo er liegen muß, das ist in einem gewissen Laden in der Brett Street und bei einem gewissen Geheimagenten, der seinerzeit einmal der vertraute Spion des seligen Barons Stott-Wartenheim war, des Gesandten einer Großmacht beim Hof von St. James.«

      Der Kommissar machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Die Burschen sind tatsächlich eine Pest.« Um seinen schrägen Blick zu dem Gesicht des Sprechers erheben zu können, hatte der Gewaltige am Kamin ruckweise den Kopf hinübergesenkt, was seinem Aussehen eine unerhörte Erhabenheit verlieh.

      »Warum lassen Sie Heat nicht machen?«

      »Weil er ein alter Beamter ist. Und die haben ihre eigene Moral. Meine Art, die Untersuchung zu führen, würde ihm völlig pflichtwidrig erscheinen, denn für ihn ist es ein klares Gebot der Pflicht, die Schuld auf so viele bekannte Anarchisten zu wälzen, als es ihm auf Grund der schwachen Anzeichen, die er an Ort und Stelle gefunden hat, nur möglich ist; während ich, so würde er sagen, mich bemühe, ihre Unschuld zu erweisen. Ich versuche, mich so deutlich wie möglich auszudrücken, wenn ich Ihnen nun diese verzwickte Angelegenheit ohne Einzelheiten auseinandersetze.«

      »Würde er das, hä?« klang es aus luftiger Höhe von Sir Ethelreds stolzen Lippen.

      »Ich fürchte, ja, und zwar mit einer Entrüstung und einem Abscheu, von dem weder Sie noch ich einen Begriff haben. Er ist ein ausgezeichneter Beamter. Wir dürfen seine Pflichttreue nicht unnütz auf die Probe stellen. Das ist immer ein Fehler. Überdies möchte ich freie Hand haben – freiere Hand, als es vielleicht angezeigt wäre, dem Hauptinspektor Heat zu gewähren. Ich habe nicht die leiseste Absicht, diesen Mann Verloc zu schonen. Er wird, stelle ich mir vor, höchlichst bestürzt sein, wenn er sieht, daß seine Beteiligung an dieser Sache, welcher Art sie auch immer sein mag, so schnell aufgedeckt wurde. Es wird wohl nicht allzu schwer halten, ihn einzuschüchtern. Unser wahres Ziel aber liegt irgendwo hinter ihm. Ich erbitte Ihre Erlaubnis, ihm die Gewähr persönlicher Sicherheit zusagen zu dürfen, die ich für angemessen halte.«

      »Gewiß«, sagte der Gewaltige am Kamin. »Bringen Sie heraus, soviel Sie können; bringen Sie es auf Ihre Weise heraus.«

      »Ich muß ohne Zeitverlust darangehen, heute abend noch«, sagte der Kommissar.

      Sir Ethelred schob eine Hand unter den Rockschoß, warf den Kopf zurück und sah den Kommissar fest an.

      »Wir werden heute eine lange Nachtsitzung haben«, sagte er. »Kommen Sie mit Ihren Entdeckungen ins Parlament, wenn wir noch dort sind. Ich werde Toodles sagen, daß er nach Ihnen ausschauen soll. Er wird Sie in mein Zimmer führen.«

      Die zahlreiche Familie und der Bekanntenkreis des jugendlichen Privatsekretärs erhofften für ihn ein erhabenes Los. Unterdessen wurde er von der Gesellschaft, die er in seinen Mußestunden zu schmücken liebte, mit dem erwähnten Spitznamen belegt. Sir Ethelred, der ihn täglich von seiner Frau und seinen Töchtern (meistens beim Frühstück) aussprechen hörte, hatte ihn ernsthaft übernommen und damit geadelt.

      Der Kommissar war freudig überrascht.

      »Gewiß will ich meine Entdeckungen ins Parlament bringen, für den Fall, daß Sie Zeit finden sollten –«

      »Ich werde keine Zeit haben«, unterbrach der Gewaltige, »aber ich werde СКАЧАТЬ