Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
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Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

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СКАЧАТЬ sagte der Kommissar, »den habe ich. Ich will nicht sagen, daß Sie an Michaelis überhaupt nicht gedacht haben; sie geben aber der Tatsache, die Sie erwähnen, eine Wichtigkeit, die mir nicht ganz sauber vorkommt, Herr Heat. Wenn die Untersuchung wirklich diese Fährte ergeben hat, warum haben Sie sie dann nicht sofort verfolgt, entweder persönlich oder indem Sie einen Ihrer Leute in das Dorf geschickt haben?«

      »Glauben Sie, Herr, daß ich hierin meine Pflicht vernachlässigt habe?« fragte der Hauptinspektor in einem Tone, den er sich mühte, einfach nachdenklich klingen zu lassen. Da er sich unerwartet gezwungen sah, mit allen Kräften nur das Gleichgewicht zu bewahren, so war er darauf verfallen, und setzte sich damit einer Abfuhr aus; denn der Kommissar bemerkte mit leichtem Stirnrunzeln, daß er die Frage durchaus unangebracht fände.

      »Da Sie sie aber gestellt haben,« fuhr er kalt fort, »so will ich Ihnen sagen, daß dies nicht meine Ansicht ist.«

      Er verstummte, doch in dem unverwandten Blick seiner tiefliegenden Augen war die unausgesprochene Fortsetzung zu lesen: »Und Sie wissen es.« Der Vorstand der Abteilung für sogenannte besondere Verbrechen, durch seine Stellung daran gehindert, persönlich im Außendienst Geheimnisse in schuldigen Herzen aufzuspüren, fühlte plötzlich die Lust, sein beträchtliches Talent in der Entdeckung peinlicher Wahrheiten bei seinem eigenen Untergebenen zu üben. Das konnte schwerlich als Schwäche bezeichnet werden, es war nur natürlich. Er war der geborene Detektiv. Dies hatte unbewußt seine Berufswahl bestimmt und wenn jemals, so hatte es ihn vielleicht bei dem einen ungewöhnlichen Anlaß seiner Ehe im Stich gelassen – was abermals natürlich war. Nun wirkte sich diese Veranlagung, da ihr die freie Betätigung versagt war, an den Menschen aus, die in seiner amtlichen Abgeschlossenheit mit ihm in Berührung kamen. Wir können nie aufhören, wir selbst zu sein.

      Den Ellenbogen auf den Tisch gestützt, die dünnen Beine gekreuzt, die Wange in die magere Hand gelegt, nahm der Kommissar, dem die besonderen Verbrechen zugeteilt waren, den Fall mit wachsender Anteilnahme in die Hand. Sein Hauptinspektor war, wenn schon nicht der unbedingt würdigste, so doch der würdigste Gegenstand für seinen Forschertrieb, der ihm erreichbar war. Dem Kommissar als geborenem Detektiv lag das Mißtrauen gegen festgeprägten Leumund. Er rief sich die Erinnerung an einen gewissen reichen, eingeborenen Häuptling wach, alt und fett, dem die aufeinanderfolgenden Gouverneure der entlegenen Kolonie in lieber Gewohnheit vertraut und als einem verläßlichen Freunde und Helfer der von den Weißen geschaffenen Ordnung große Ehre erwiesen hatten; während eine unbefangene Untersuchung doch ergeben hatte, daß er nur sein eigener und sonst niemandes guter Freund war. Nicht gerade ein Verräter, aber doch ein Mann, dessen Treue nicht unerheblich begrenzt war durch vielerlei Rücksichten auf seinen Vorteil, sein Wohlleben und seine Sicherheit; ein Bursche, der in seiner kindlichen Zwiespältigkeit unschuldig, aber doch gefährlich war. Er war nicht leicht zu überführen gewesen, er war auch körperlich groß, und Hauptinspektor Heats Erscheinung erinnerte (mit Ausnahme der Farbe natürlich) seinen Vorgesetzten an ihn. Die Augen und die Lippen stimmten nicht ganz. Merkwürdig. Aber berichtet nicht Alfred Wallace in seinem berühmten Buch über den Malaiischen Archipel, daß er unter den Bewohnern der Insel Aru einen alten, nackten, dunkelhäutigen Wilden fand, der einem lieben Freunde des Verfassers verblüffend ähnlich sah?

      Zum erstenmal, seit er seinen Posten übernommen, hatte der Kommissar das Gefühl, als könnte er nun für sein Gehalt wirklich etwas leisten. Und das war durchaus erfreulich. »Ich will ihn umstülpen, wie einen alten Handschuh«, dachte der Kommissar, während er seinen Blick nachdenklich auf dem Inspektor ruhen ließ.

      »Nein, das war nicht mein Gedankengang«, hob er wieder an. »Es besteht kein Zweifel darüber, daß Sie Ihr Geschäft verstehen – durchaus kein Zweifel; und eben darum möchte ich –« Er unterbrach sich und wechselte den Ton: »Was haben Sie Schlüssiges gegen Michaelis vorzubringen? Ich meine außer der Tatsache, daß die der Tat verdächtigen zwei Leute – Sie sind sicher, daß es zwei waren – von einer Station herkamen, etwa drei Meilen von dem Dorf weg, wo Michaelis augenblicklich lebt?«

      »Das allein muß für uns ein genügender Anhaltspunkt sein«, sagte der Hauptinspektor, der seine Fassung wiedergewann. Das kurze, zustimmende Kopfnicken des Kommissars reichte bei weitem nicht hin, um die gekränkte Verwunderung des bewährten Offiziers zu beheben. Denn Hauptinspektor Heat war ein guter Mann, ein ausgezeichneter Gatte und liebreicher Vater; und das öffentliche und dienstliche Vertrauen, dessen er sich erfreuen konnte, machte ihn, wie bei seiner Gutartigkeit nicht anders zu erwarten, geneigt, den aufeinanderfolgenden Kommissaren, denen er in diesem selben Raume schon gegenübergestanden hatte, freundliche Gefühle entgegen zu bringen. Er hatte drei erlebt. Der erste, ein militärischer, kurz angebundener Mann mit weißen Augenbrauen in einem roten Gesicht und zu Ausbrüchen geneigt, ließ sich an einem seidenen Faden lenken. Er schied aus, weil er die Altersgrenze erreicht hatte. Der zweite, ein vollkommener Gentleman, der ein bewunderungswürdiges Feingefühl dafür hatte, was sich für ihn wie für jedermann sonst geziemte, ging ab, um außerhalb Englands einen höheren Posten anzutreten und bekam dabei einen Orden für (tatsächlich) Inspektor Heats Verdienste. Es war ein Stolz und eine Freude gewesen, mit ihm zu arbeiten. Der dritte, zunächst ein unbeschriebenes Blatt, war nach Ablauf von achtzehn Monaten für die Abteilung immer noch ein unbeschriebenes Blatt. Im ganzen genommen hielt ihn Inspektor Heat für harmlos; übel aussehend, aber harmlos. Er sprach nun, und der Inspektor hörte ihm mit äußerlicher Ehrerbietung zu (die Pflicht und darum nichtssagend ist), innerlich aber mit wohlwollender Duldsamkeit.

      »Michaelis hat sich abgemeldet, bevor er aus London auf das Land reiste?«

      »Jawohl, Herr, das hat er.«

      »Und was tut er wohl dort?« fuhr der Kommissar fort, der ja darüber genau Bescheid wußte. In einen alten Armstuhl gezwängt, vor einem wurmstichigen Eichentisch, im Oberstock eines Landhäuschens mit moosigem Ziegeldach, schrieb Michaelis Nacht und Tag mit zittriger, schiefer Handschrift die »Lebensgeschichte eines Sträflings«, ein Buch, das zu einer Offenbarung in der Geschichte der Menschheit werden sollte. Die günstigen Vorbedingungen für seine Erleuchtung waren gegeben – der beengte Raum, die Abgeschlossenheit und Einsamkeit. Er konnte sich wie im Gefängnis fühlen, abgesehen davon, daß er von dem Zwang verschont war, sich Bewegung zu machen, der zu der tyrannischen Zeiteinteilung seiner früheren Anstalt gehört hatte. Er konnte nicht sehen, ob die Sonne noch auf die Erde schien oder nicht. Der Schweiß geistiger Arbeit tropfte ihm von der Stirne. Eine köstliche Begeisterung trieb ihn voran. Es war die Befreiung seines Innersten, er ließ seine Seele in die weite Welt hinaus. Und sein von argloser Eitelkeit genährter Eifer (erstmals durch das Verlagsangebot von fünfhundert Pfund geweckt) wirkte vorherbestimmt und heilig.

      »Es wäre natürlich höchst wünschenswert, genaue Nachricht darüber zu haben«, beharrte der Kommissar hinterhältig.

      Hauptinspektor Heat empfand angesichts dieser Gründlichkeit neuen Ärger und sagte, daß der Landpolizei Michaelis’ Ankunft sofort angezeigt worden, und daß eine genaue Meldung in wenig Stunden zu haben sei. Ein Telegramm an den Postenkommandanten –

      Das sagte er langsam und schien in Gedanken schon die Folgen zu erwägen. Ein leichtes Zusammenziehen der Brauen deutete darauf hin. Doch wurde er durch eine Frage unterbrochen.

      »Sie haben dieses Telegramm schon abgeschickt?«

      »Nein, Herr«, antwortete er, wie überrascht.

      Der Kommissar stellte plötzlich beide Füße auf den Boden. Die Bewegung war unvermittelt und stand im Widerspruch mit der leichten Art, in der er die Frage hinwarf:

      »Glauben Sie zum Beispiel, daß Michaelis mit der Herstellung der Bombe irgend etwas zu tun hatte?«

      Der Inspektor machte ein nachdenkliches Gesicht.

      »Das möchte ich nicht sagen. Es ist auch nicht nötig, СКАЧАТЬ