Название: Gesammelte Werke
Автор: Henrik Ibsen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237722
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Dagny in heftiger Erregung. Da irrst Du, Hjördis – und gleich jetzt sollen alle es wissen, daß Du unter dem Dach eines Feiglings wohnst!
Sigurd heftig. Dagny, was tust Du!
Gunnar. Feigling?
Hjördis mit Hohnlachen. Du sprichst im Wahnwitz!
Dagny fährt fort. Nicht länger soll es verschwiegen werden. Ich blieb still, als Du meinen Vater und meine gefallenen Brüder verhöhntest; blieb still, solange Oernulf zugegen war – denn er sollte nicht hören, daß Thorolf von eines Buben Hand gefallen. Nun aber – nun rühme Du Gunnar nimmermehr um jene Tat auf Island, denn Gunnar ist feige! Das Schwert, das blank und bloß zwischen Dir und dem Entführer lag, das hängt an meines Gatten Seite – und der Ring, den Du vom Arm Dir zogst, – gegeben hast Du ihn Sigurd! Sie zieht den Ring ab und hält ihn hoch empor. Da ist er!
Hjördis wild. Sigurd!
Die Menge. Sigurd! Sigurd vollbrachte die Tat!
Hjördis bebend vor innerer Erregung. Er, Er!– Gunnar, ist es wahr?
Gunnar mit edler Ruhe. Alles ist wahr! Nur das nicht, daß ich feige bin; – ich bin weder ein Feigling, noch ein Bube!
Sigurd bewegt zu Gunnar. Das bist Du nicht, und bist es nie gewesen! Zu den übrigen. Auf, meine Mannen, fort von hier!
Dagny im Abgehen zu Hjördis. Wer ist der erste Mann hier in der Halle – mein Eheherr oder Deiner?
Ab mit Sigurd und seinem Gefolge.
Hjördis für sich. Jetzt hab' ich eine Tat noch zu vollbringen, nur auf eine Tat noch zu sinnen: Sigurd muß sterben – oder ich!
Dritter Akt
Hjördis sitzt auf einer Bank, dem kleineren Hochsitze gegenüber, und flicht eine Bogensehne; auf dem Tische liegt ein Bogen mit mehreren Pfeilen.
Hjördis, indem sie die Sehne dehnt. Sie ist geschmeidig und stark, die Sehne – Mit einem Blick auf die Pfeile. Die Pfeile sind scharf und wuchtig – Läßt die Hände in den Schoß sinken. Doch wo findet sich die Hand, die – Heftig. Verhöhnt, verhöhnt von ihm – von Sigurd! Ihn muß ich mehr hassen als alle andern, das fühl' ich wohl. Aber nur wenig Tage noch, dann hab' ich – Grübelnd. Doch der Arm, der Arm, der die Tat vollbringt –? Gunnar kommt schweigsam und nachdenklich.
Hjördis nach kurzer Pause. Wie geht Dir's, mein Gemahl?
Gunnar. Schlecht, Hjördis! Was gestern geschah, will nicht weichen, – schwer lastet es mir auf dem Herzen.
Hjördis, Tu wie ich: mache Dir etwas zu schaffen!
Gunnar. Ich muß wohl. Pause. Gunnar macht einige Schritte, wird aufmerksam und nähert sich Hjördis.
Gunnar. Was machst Du da?
Hjördis ohne aufzublicken. Ich flechte eine Bogensehne, wie Du siehst.
Gunnar. Eine Bogensehne – aus Deinem eignen Haar!
Hjördis lächelnd. In jeder Stunde wird jetzt eine große Tat geboren! Du erschlugst meinen Pflegebruder – und ich flechte an diesem Strang seit Tagesgrauen.
Gunnar. Hjördis! Hjördis!
Hjördis blickt auf. Was soll ich?
Gunnar. Wo warst Du diese Nacht?
Hjördis. Diese Nacht?
Gunnar. Du warst nicht im Schlafgemach.
Hjördis. Das weißt Du?
Gunnar. Ich konnte nicht schlafen. Unruhige Träume schuf mir das – was mit Thorolf geschehen; es war mir, als ob er erschiene – genug, ich wachte. Da ertönte ein wunderbar lieblicher Gesang durchs Haus; ich stand auf, schlich durch die Tür herein: Du saßest hier am Reisigfeuer – es brannte blau und rot – schäftetest Pfeile und sangst Zaubersprüche darüber.
Hjördis. Es war nötig. Denn hart ist die Brust, die heute getroffen werden soll.
Gunnar. Ich verstehe Dich – Du willst Sigurds Fall.
Hjördis. Hm, vielleicht!
Gunnar. Das soll Dir nie gelingen! Mit Sigurd halt' ich Frieden, so sehr Du mich auch aufreizest.
Hjördis lächelnd. Meinst Du?
Gunnar. Das steht fest bei mir.
Hjördis reicht ihm die Sehne. Sag', Gunnar, kannst Du diesen Knoten lösen?
Gunnar versucht es. Nein, er ist zu fest und zu künstlich geschlungen.
Hjördis erhebt sich. Der Norne Gespinst ist noch künstlicher geschlungen; das kannst Du noch weniger lösen.
Gunnar. Die Wege der Gewaltigen sind wirr – und unbekannt Dir wie mir.
Hjördis. Eins aber weiß ich bestimmt: uns beiden wird Sigurd noch ein unselig Los bereiten.
Pause. Gunnar steht in sich versunken.
Hjördis, die ihn im stillen beobachtet hat. Woran denkst Du?
Gunnar. An einen Traum, den ich jüngst hatte. Mir war's, als hätt' ich die Tat vollbracht, die Du begehrst: Sigurd lag erschlagen auf dem Felde – Du standest daneben totenbleich. Da sagte ich: »Freust Du Dich nun, daß Dein Wunsch erfüllt ist?« – Du aber lachtest und antwortetest: »Mehr noch würd' ich mich freuen, lägest Du, Gunnar, an Sigurds Stelle.«
Hjördis mit erzwungnem Lachen. Schlecht kennst Du mich, wenn ein so törichter Traum Dich zu beirren vermag.
Gunnar. Sag' an, Hjördis, wie gefällt Dir diese Halle?
Hjördis. Die Wahrheit, Gunnar: mitunter dünkt sie mich zu eng.
Gunnar. Ja, ja, ich dacht' es mir: wir sind um Einen zuviel.
Hjördis. Vielleicht auch um zwei.
Gunnar, der ihre Äußerung nicht gehört hat. Doch dem soll abgeholfen werden!
Hjördis sieht ihn fragend an. Abgeholfen werden? – So hast Du vor –?
Gunnar. Meine Schiffe zu rüsten und das Land zu verlassen. Ich will die Ehre zurückgewinnen, die ich verloren, weil ich Dich über alles liebte.
Hjördis gedankenvoll. Du willst das Land verlassen? – Ja, das wird wohl das Beste sein für uns beide.
Gunnar. Schon als wir von Island aufbrachen, sah ich voraus, daß es nicht gut mit uns enden würde. Dein Sinn ist stolz und stark; es gibt Zeiten, da ich fast Furcht vor Dir habe, doch – seltsam – gerade darum hab' ich Dich so lieb, ein zaubrisches Grauen umgibt Dich, – mir ist, als könntest СКАЧАТЬ