Ein Buch, das gern ein Volksbuch werden möchte. Marie von Ebner-Eschenbach
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Название: Ein Buch, das gern ein Volksbuch werden möchte

Автор: Marie von Ebner-Eschenbach

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066116248

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СКАЧАТЬ bleiben nicht! Sie gehen – weil Ihre Gegenwart uns kompromittiert,“ rief Graf W., der mit bestürzter Miene in den Salon zurückgekehrt war.

      Ein Wortwechsel entspann sich ...

      „Doktor, ich beschwöre Sie, eilen Sie dem Kreishauptmann entgegen, suchen Sie ihn so lange als möglich auf der Treppe aufzuhalten,“ flehte die Herrin des Schlosses und drängte Rosenzweig zur Tür.

      „Ich werde tun, was ich kann; ich empfehle mich, meine Herrschaften!“ antwortete er und verließ den Salon, im Grund der Seele höchlich ergötzt über das Ende, das die Versammlung der Verschwörer genommen hatte.

      Vom Gange aus sah er den Kreishauptmann soeben in das Haus treten. Ein behäbiger, feiner, mit äußerster Sorgfalt gekleideter Herr. Der Deckel seines Zylinders glänzte in der Vogelperspektive, in der er sich zuerst dem Doktor zeigte, wie die Mondesscheibe. Nicht minder glänzte der Lackstiefel an dem kleinen Fuße, den der Beamte auf die erste Stufe der niederen Treppe setzte, als Rosenzweig bei ihm anlangte.

      „Ich habe die Ehre, Euer Hochwohlgeboren zu begrüßen!“ sprach der Doktor, seinen Hut feierlich schwenkend.

      „Wie, mein lieber Doktor? Sind Sie es wirklich? Was?“ sprach der Beamte mit dem gnädigsten Lächeln, „auch Sie im Neste der Verschwörer?“

      „– Herausgefallen, als ein noch nicht flügges Vöglein! – Wie befinden sich Euer Gnaden?“

      „Gut. Dank Ihren Ordonnanzen.“

      „Und der Pünktlichkeit, mit der Euer Gnaden ihnen nachkommen. Sie sind ein so vortrefflicher Patient, daß Sie verdienen würden, immer krank zu sein.“

      „Sehr verbunden für den christlichen Wunsch ... Entschuldigen Sie – da habe ich mich versprochen.“ Und nun kam die Frage, die der Kreishauptmann dem Doktor auch bei der flüchtigsten Begegnung nicht erließ. „Aber, mein lieber Doktor, wann werden Sie sich denn endlich taufen lassen?“

      Auf die stehende Frage erfolgte die stehende Antwort:

      „Ich weiß es noch nicht genau.“

      „Entschließen Sie sich! Sie sind ja ohnehin nur ein halber Jude.“

      „Ich würde vermutlich auch nur ein halber Christ sein.“

      „Oho! das ist etwas andres!“ entgegnete der Beamte streng. „Wir sprechen noch davon; jetzt sagen Sie mir –“ seine Miene blieb unverändert, aber seine kleinen klugen Augen blickten den Doktor durchdringend an: „Ist er oben, der Sendbote? Haben Sie ihn gesehen?“

      „Welchen Sendboten?“

      „Hier im Hause wird er als Herr von Roswadowski vorgestellt.“

      Auf dem Gesichte Rosenzweigs malte sich ein so aufrichtiges Erstaunen, daß der Beamte ausrief:

      „Sie sind nicht eingeweiht! – Nun, ich will Ihnen Ihre politische Unschuld nicht rauben ... Ganz scharmant, diese Konspiranten! besonders die Damen. Übrigens haben wir uns weniger in acht vor ihnen zu nehmen, als sie sich selbst vor – andern. Es ballt sich ein Gewitter über ihren Häuptern zusammen, von dessen Aufsteigen sie keine Ahnung haben. Diese harmlosen Unzufriedenen, die sich für bedrohlich halten, sind selbst von ganz anders Unzufriedenen, in ganz anders gefährlicher Weise bedroht.“

      Rosenzweig konnte eine Erklärung dieser Worte nicht mehr erbitten. Auf der Höhe der Treppe erschien soeben die Hausfrau, strahlend vor Freundlichkeit, und der Kreishauptmann schwebte ihr in zierlichen Schritten eiligst entgegen.

       Inhaltsverzeichnis

      Rosenzweig ließ seinem Kutscher den Befehl erteilen, anzuspannen und ihm auf der Straße nachzufahren. Er selbst ging zu Fuße voraus und schlug bald einen schmalen Weg ein, der, die Felder quer durchschneidend, in der Nähe eines steinernen Kreuzes in die Landstraße ausmündete. Dort wollte er seinen Wagen erwarten.

      Er sehnte sich danach, tüchtig auszuschreiten, frische, freie Luft zu atmen und den gesunden Erdgeruch einzuziehen, der aus den aufgerissenen Schollen emporstieg. Nur Wunder nahm es ihn, daß er die Wonne und Wohltat, der parfümierten Salonluft und Gesellschaft entronnen zu sein, nicht so recht zu empfinden vermochte.

      Ein tiefinnerliches Unbehagen erfüllte ihn; ein unbestimmtes Etwas ging ihm nach, von dem er sich keine andre Rechenschaft zu geben wußte, als daß es sehr quälend sei.

      Plötzlich rief er mehrmals hintereinander laut aus: „Narr! Narr!“

      Die Apostrophe galt dem, den der Kreishauptmann soeben einen Sendboten genannt, und die Erinnerung an das unverdiente Lob, das dieser Mensch ihm gespendet hatte, das war's, was dem Doktor die Laune verdarb. Jedes Wort, das der „Narr“ gesprochen, jeder Zug seines durchgeistigten Apostelgesichts, der Ausdruck der schwärmerischen Ehrfurcht, mit dem seine tiefblauen Augen auf ihm geruht – alles hörte, alles sah er wieder, und eine zornige Beschämung erfüllte ihn.

      Er, der trockene, auf seinen Vorteil bedachte Nathanael Rosenzweig – ein Menschenfreund und Samariter? – So einsam er da wandelte auf dem Felde, ihm schoß das Blut in die Wangen, daß sie glühten. Er gedachte all der Hände, die sich im Verlauf seines langen Lebens flehend zu ihm ausgestreckt, und sagte sich: „Nie hast du geholfen außer im Beruf. Und was wir dem zuliebe tun, tun wir uns selbst zuliebe.“ Seine Schuldigkeit hatte er in ihrem ganzen Umfang erfüllt; aber Schuldigkeit – es liegt schon im Worte – ist nur ein Tausch. Mehr als getauscht hatte er nie. Seine Kraft, sein Talent, die Früchte seines rastlos vermehrten Wissens gegen den Wohlstand, den er durch sie erwarb, und gegen die Achtung der Menschen. So hatte er bisher gehalten und – Nathanael warf den Kopf zurück in seinen breiten Nacken – so wollte er es auch ferner halten. Möge erst jeder seinem Beispiel folgen! Möge diese, im Grunde niedere Stufe der Moral erst von der Mehrzahl erreicht sein, dann werden sie zu Worte kommen, die Idealisten, die Träumer von einem goldenen Zeitalter allgemeiner Nächstenliebe. Früher – nicht!

      Jetzt hatte er sich wieder zurechtgefunden und schritt rüstig und sorglos weiter in gewohnter Seelenruhe.

      Lange vor seinem Wagen, von dem trotz allen Ausblickens keine Spur zu entdecken war, erreichte er das steinerne Kreuz. An dessen Fuße kauerte eine klägliche Gestalt. Ein alter Mann, die Knie heraufgezogen bis ans Kinn, eine hohe Schafspelzmütze auf dem Kopfe, um die Schultern die Reste eines blauen Fracks, den vermutlich dereinst in Tagen schlummernden Nationalgefühls der verewigte Gutsherr getragen. Die mageren Beine des Greises wurden von einer ausgefransten Leinwandhose umschlottert und befanden sich, wie sein ganzer kleiner Körper, in einer unaufhörlich zitternden Bewegung.

      Als der Doktor sich ihm näherte und ihn ansprach, erhob er langsam, mühsam das juchtenfarbige, faltige Gesicht und blickte aus halberloschenen, rotumränderten Augen mit dem demütigen Leidensausdrucke eines alten Jagdhundes zu ihm empor.

      „Was tust du hier?“ fragte Rosenzweig.

      „Ich warte, mein gnädiger Herr, ich bete und warte,“ antwortete der Angeredete und streckte seine knöcherne Rechte aus, an deren Fingern ein vielgebrauchter Rosenkranz hing, „ich warte immer auf einen Brief von unserm lieben Herrgott.“

      „Was soll denn unser lieber Herrgott СКАЧАТЬ