Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Ich aber bin ein Segnender und ein Ja-sager, wenn du nur um mich bist, du Reiner! Lichter! Du Licht-Abgrund! – in alle Abgründe trage ich da noch mein segnendes Ja-sagen.
Zum Segnenden bin ich worden und zum Ja-sagenden: und dazu rang ich lange und war ein Ringer, dass ich einst die Hände frei bekäme zum Segnen.
Das aber ist mein Segnen: über jedwedem Ding als sein eigener Himmel stehn, als sein rundes Dach, seine azurne Glocke und ewige Sicherheit: und selig ist, wer also segnet!
Denn alle Dinge sind getauft am Borne der Ewigkeit und jenseits von Gut und Böse; Gut und Böse selber aber sind nur Zwischenschatten und feuchte Trübsale und Zieh-Wolken.
Wahrlich, ein Segnen ist es und kein Lästern, wenn ich lehre: »über allen Dingen steht der Himmel Zufall, der Himmel Unschuld, der Himmel Ohngefähr, der Himmel Übermuth.«
»Von Ohngefähr« – das ist der älteste Adel der Welt, den gab ich allen Dingen zurück, ich erlöste sie von der Knechtschaft unter dem Zwecke.
Diese Freiheit und Himmels-Heiterkeit stellte ich gleich azurner Glocke über alle Dinge, als ich lehrte, dass über ihnen und durch sie kein »ewiger Wille« – will.
Diesen Übermuth und diese Narrheit stellte ich an die Stelle jenes Willens, als ich lehrte: »bei Allem ist Eins unmöglich – Vernünftigkeit!«
Ein Wenig Vernunft zwar, ein Same der Weisheit zerstreut von Stern zu Stern, – dieser Sauerteig ist allen Dingen eingemischt: um der Narrheit willen ist Weisheit allen Dingen eingemischt!
Ein Wenig Weisheit ist schon möglich; aber diese selige Sicherheit fand ich an allen Dingen: dass sie lieber noch auf den Füssen des Zufalls – tanzen.
Oh Himmel über mir, du Reiner! Hoher! Das ist mir nun deine Reinheit, dass es keine ewige Vernunft-Spinne und –Spinnennetze giebt: –
– dass du mir ein Tanzboden bist für göttliche Zufälle, dass du mir ein Göttertisch bist für göttliche Würfel und Würfelspieler! –
Doch du erröthest? Sprach ich Unaussprechbares? Lästerte ich, indem ich dich segnen wollte?
Oder ist es die Scham zu Zweien, welche dich erröthen machte? – Heissest du mich gehn und schweigen, weil nun – der Tag kommt?
Die Welt ist tief –: und tiefer als je der Tag gedacht hat. Nicht Alles darf vor dem Tage Worte haben. Aber der Tag kommt: so scheiden wir nun!
Oh Himmel über mir, du Schamhafter! Glühender! Oh du mein Glück vor Sonnen-Aufgang! Der Tag kommt: so scheiden wir nun! –
Also sprach Zarathustra.
Von der verkleinernden Tugend
1
Als Zarathustra wieder auf dem festen Lande war, gieng er nicht stracks auf sein Gebirge und seine Höhle los, sondern that viele Wege und Fragen und erkundete diess und das, also, dass er von sich selber im Scherze sagte: »siehe einen Fluss, der in vielen Windungen zurück zur Quelle fliesst!« Denn er wollte in Erfahrung bringen, was sich inzwischen mit dem Menschen zugetragen habe: ob er grösser oder kleiner geworden sei. Und ein Mal sah er eine Reihe neuer Häuser; da wunderte er sich und sagte:
Was bedeuten diese Häuser? Wahrlich, keine grosse Seele stellte sie hin, sich zum Gleichnisse!
Nahm wohl ein blödes Kind sie aus seiner Spielschachtel? Dass doch ein anderes Kind sie wieder in seine Schachtel thäte!
Und diese Stuben und Kammern: können Männer da aus- und eingehen? Gemacht dünken sie mich für Seiden-Puppen; oder für Naschkatzen, die auch wohl an sich naschen lassen.
Und Zarathustra blieb stehn und dachte nach. Endlich sagte er betrübt: »Es ist Alles kleiner geworden!«
Überall sehe ich niedrigere Thore: wer meiner Art ist, geht da wohl noch hindurch, aber – er muss sich bücken!
Oh wann komme ich wieder in meine Heimat, wo ich mich nicht mehr bücken muss – nicht mehr bücken muss vor den Kleinen!« – Und Zarathustra seufzte und blickte in die Ferne. –
Desselbigen Tages aber redete er seine Rede über die verkleinernde Tugend.
2
Ich gehe durch diess Volk und halte meine Augen offen: sie vergeben mir es nicht, dass ich auf ihre Tugenden nicht neidisch bin.
Sie beissen nach mir, weil ich zu ihnen sage: für kleine Leute sind kleine Tugenden nöthig – und weil es mir hart eingeht, dass kleine Leute nöthig sind!
Noch gleiche ich dem Hahn hier auf fremdem Gehöfte, nach dem auch die Hennen beissen; doch darob bin ich diesen Hennen nicht ungut.
Ich bin höflich gegen sie wie gegen alles kleine Aergerniss; gegen das Kleine stachlicht zu sein dünkt mich eine Weisheit für Igel.
Sie reden Alle von mir, wenn sie Abends um’s Feuer sitzen, – sie reden von mir, aber Niemand denkt – an mich!
Diess ist die neue Stille, die ich lernte: ihr Lärm um mich breitet einen Mantel über meine Gedanken.
Sie lärmen unter einander: »was will uns diese düstere Wolke? sehen wir zu, dass sie uns nicht eine Seuche bringe!«
Und jüngst riss ein Weib sein Kind an sich, das zu mir wollte: »nehmt die Kinder weg! schrie es; solche Augen versengen Kinder-Seelen.«
Sie husten, wenn ich rede: sie meinen, Husten sei ein Einwand gegen starke Winde, – sie errathen Nichts vom Brausen meines Glückes!
»Wir haben noch keine Zeit für Zarathustra« – so wenden sie ein; aber was liegt an einer Zeit, die für Zarathustra »keine Zeit hat«?
Und wenn sie gar mich rühmen: wie könnte ich wohl auf ihrem Ruhme einschlafen? Ein Stachel-Gürtel ist mir ihr Lob: es kratzt mich noch, wenn ich es von mir thue.
Und auch das lernte ich unter ihnen: der Lobende stellt sich, als gäbe er zurück, in Wahrheit aber will er mehr beschenkt sein!
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