Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ klingt in ge­wis­sen Ohren, wie als ob die Cor­rup­tion fort­ge­schrit­ten wäre: und ge­wiß ist, daß der Mensch sich nicht der »Na­tur« an­ge­nä­hert hat, von der Rous­seau re­det, son­dern einen Schritt wei­ter gethan hat in der Ci­vi­li­sa­ti­on, wel­che er per­hor­re­s­cir­te. Wir ha­ben uns ver­stärk­t: wir sind dem 17. Jahr­hun­dert wie­der nä­her ge­kom­men, dem Ge­schmack sei­nes En­des na­ment­lich (Dan­court, Le­sa­ge, Re­gnard).

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      121.

      Cul­tur con­tra Ci­vi­li­sa­tion. – Die Hö­he­punk­te der Cul­tur und der Ci­vi­li­sa­ti­on lie­gen aus­ein­an­der: man soll sich über den ab­gründ­li­chen Ant­ago­nis­mus von Cul­tur und Ci­vi­li­sa­ti­on nicht irre füh­ren las­sen. Die großen Mo­men­te der Cul­tur wa­ren im­mer, mo­ra­lisch ge­re­det, Zei­ten der Cor­rup­ti­on; und wie­der­um wa­ren die Epo­chen der ge­woll­ten und er­zwun­ge­nen Thier­zäh­mung des Men­schen (»Ci­vi­li­sa­ti­on« –) Zei­ten der Un­duld­sam­keit für die geis­tigs­ten und kühns­ten Na­tu­ren. Ci­vi­li­sa­ti­on will et­was An­de­res, als Cul­tur will: viel­leicht et­was Um­ge­kehr­tes …

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      122.

      Wo­vor ich war­ne: die dé­ca­dence-In­stink­te nicht mit der Hu­ma­ni­tät zu ver­wech­seln;

      :die auf­lö­sen­den und no­thwen­dig zur *dé­ca­dence trei­ben­den Mit­tel* der Ci­vi­li­sa­ti­on nicht mit der Cul­tur zu ver­wech­seln;

      :die Li­ber­ti­na­ge, das Prin­cip des »lais­ser al­ler«, nicht mit dem Wil­len zur Macht zu ver­wech­seln (– er ist des­sen Ge­genprin­cip).

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      123.

      Die un­er­le­dig­ten Pro­ble­me, die ich neu stel­le: das Pro­blem der Ci­vi­li­sa­ti­on, der Kampf zwi­schen Rous­seau und Vol­taire um 1760. Der Mensch wird tiefer, miß­traui­scher, »un­mo­ra­li­scher«, stär­ker, sich-selbst-ver­trau­en­der – und in­so­fern »na­tür­li­cher«: das ist »Fort­schritt«. – Da­bei le­gen sich, durch eine Art von Ar­beits­t­hei­lung, die ver­bö­ser­ten Schich­ten und die ge­mil­der­ten, ge­zähm­ten aus­ein­an­der: so­daß die Ge­sammt­t­hat­sa­che nicht ohne Wei­te­res in die Au­gen springt …

      Es ge­hört zur Stär­ke, zur Selbst­be­herr­schung und Fas­ci­na­ti­on der Stär­ke, daß die­se stär­ke­ren Schich­ten die Kunst be­sit­zen, ihre Ver­bö­se­rung als et­was Hö­he­res emp­fin­den zu ma­chen. Zu je­dem »Fort­schritt« ge­hört eine Um­deu­tung der ver­stärk­ten Ele­men­te in’s »Gute«.

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      124.

      Daß man den Men­schen den Muth zu ih­ren Na­tur­trie­ben wie­der­giebt –

      Daß man ih­rer Selb­st­un­ter­schät­zung steu­ert ( nicht der des Men­schen als In­di­vi­du­ums, son­dern der des Men­schen als Na­tur …) –

      Daß man die Ge­gen­sät­ze her­aus­nimmt aus den Din­gen, nach­dem man be­greift, daß wir sie hin­ein­ge­legt ha­ben –

      Daß man die Ge­sell­schafts-Idio­syn­kra­sie aus dem Da­sein über­haupt her­aus­nimmt (Schuld, Stra­fe, Ge­rech­tig­keit, Ehr­lich­keit, Frei­heit, Lie­be u. s. w.) –

      Fort­schritt zur »Na­tür­lich­keit«: in al­len po­li­ti­schen Fra­gen, auch im Ver­hält­niß von Par­tei­en, selbst von mer­kan­ti­len oder Ar­bei­ter- oder Un­ter­neh­mer-Par­tei­en, han­delt es sich um Macht­fra­gen – »was man kann« und erst dar­auf­hin, was man soll.

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      125.

      Der So­cia­lis­mus – als die zu Ende ge­dach­te Ty­ran­nei der Ge­rings­ten und Dümms­ten, d.h. der Ober­fläch­li­chen, Nei­di­schen und der Drei­vier­tels-Schau­spie­ler – ist in der That die Schluß­fol­ge­rung der »mo­der­nen Ide­en« und ih­res la­ten­ten An­ar­chis­mus: aber in der lau­en Luft ei­nes de­mo­kra­ti­schen Wohl­be­fin­dens er­schlafft das Ver­mö­gen, zu Schlüs­sen oder gar zum Schluß zu kom­men. Man folgt, – aber man fol­gert nicht mehr. Des­halb ist der So­cia­lis­mus im Gan­zen eine hoff­nungs­lo­se säu­er­li­che Sa­che: und Nichts ist lus­ti­ger an­zu­sehn, als der Wi­der­spruch zwi­schen den gif­ti­gen und ver­zwei­fel­ten Ge­sich­tern, wel­che heu­te die So­cia­lis­ten ma­chen – und von was für er­bärm­li­chen ge­quetsch­ten Ge­füh­len legt gar ihr Stil Zeug­niß ab! – und dem harm­lo­sen Läm­mer-Glück ih­rer Hoff­nun­gen und Wünsch­bar­kei­ten. Da­bei kann es doch an vie­len Or­ten Eu­ro­pa’s ih­rer­seits zu ge­wal­ti­gen Hand­strei­chen und Über­fäl­len kom­men: dem nächs­ten Jahr­hun­dert wird es hie und da gründ­lich im Lei­be »ru­mo­ren«, und die Pa­ri­ser Com­mu­ne, wel­che auch in Deutsch­land ihre Schutz­red­ner und Für­spre­cher hat, war viel­leicht nur eine leich­te­re Un­ver­dau­lich­keit ge­we­sen im Ver­gleich zu dem, was kommt. Trotz­dem wird es im­mer zu viel Be­sit­zen­de ge­ben, als daß der So­cia­lis­mus mehr be­deu­ten könn­te als einen Krank­heits-An­fall: und die­se Be­sit­zen­den sind wie Ein Mann Ei­nes Glau­bens »man muß Et­was be­sit­zen, um Et­was zu sein«. Dies aber ist der äl­tes­te und ge­sün­des­te al­ler In­stink­te: ich wür­de hin­zu­fü­gen »man muß mehr ha­ben wol­len, als man hat, um mehr zu wer­den«. So näm­lich klingt die Leh­re, wel­che Al­lem, was lebt, durch das Le­ben sel­ber ge­pre­digt wird: die Moral der Ent­wick­lung. Ha­ben und mehr ha­ben wol­len, Wachst­hum mit ei­nem Wort – das ist das Le­ben sel­ber. In der Leh­re des So­cia­lis­mus ver­steckt sich schlecht ein »Wil­le zur Ver­nei­nung des Le­bens«: es müs­sen miß­rat­he­ne Men­schen oder Ras­sen sein, wel­che eine sol­che Leh­re aus­den­ken. In der That, ich wünsch­te, es wür­de durch ei­ni­ge große Ver­su­che be­wie­sen, daß in ei­ner so­cia­lis­ti­schen Ge­sell­schaft das Le­ben sich sel­ber ver­neint, sich sel­ber die Wur­zeln ab­schnei­det. Die Erde ist groß ge­nug und der Mensch im­mer noch un­aus­ge­schöpft ge­nug, als daß mir eine der­art prak­ti­sche Be­leh­rung und de­mons­tra­tio ad ab­sur­dum, selbst wenn sie mit ei­nem un­ge­heu­ren Auf­wand von Men­schen­le­ben ge­won­nen wür­de, nicht wün­schens­werth er­schei­nen müß­te. Im­mer­hin, schon als un­ru­hi­ger Maul­wurf un­ter dem Bo­den ei­ner in Dumm­heit rol­len­den Ge­sell­schaft wird der So­cia­lis­mus et­was Nütz­li­ches und Heil­sa­mes sein kön­nen: er ver­zö­gert den »Frie­den auf Er­den« und die gänz­li­che Ver­gut­müthi­gung des de­mo­kra­ti­schen He­er­dent­hie­res, er zwingt die Eu­ro­pä­er, Geist, näm­lich List und Vor­sicht üb­rig zu be­hal­ten, den männ­li­chen und krie­ge­ri­schen Tu­gen­den nicht gänz­lich ab­zu­schwö­ren, – er schützt Eu­ro­pa einst­wei­len vor dem ihm dro­hen­den ma­ras­mus fe­mi­nis­mus.

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