Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Wir haben den Begriff »Tschandala« auf die Priester, Jenseits-Lehrer und die mit ihnen verwachsene christliche Gesellschaft übertragen, hinzugenommen was gleichen Ursprungs ist, die Pessimisten. Nihilisten, Mitleids-Romantiker, Verbrecher, Lasterhaften, – die gesammte Sphäre, wo der Begriff »Gott« als Heiland imaginirt wird …
Wir sind stolz darauf, keine Lügner mehr sein zu müssen, keine Verleumder, keine Verdächtiger des Lebens …
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117.
Fortschritt des neunzehnten Jahrhunderts gegen das achtzehnte (– im Grunde führen wir guten Europäer einen Krieg gegen das achtzehnte Jahrhundert –):
1) »Rückkehr zur Natur« immer entschiedener im umgekehrten Sinne verstanden, als es Rousseau verstand; – weg vom Idyll und der Oper!
2) immer entschiedener antiidealistisch, gegenständlicher, furchtloser, arbeitsamer, maßvoller, mißtrauischer gegen plötzliche Veränderungen, antirevolutionär;
3) immer entschiedener die Frage der Gesundheit des Leibes der »der Seele« voranstellend: letztere als einen Zustand in Folge der ersteren begreifend, diese mindestens als die Vorbedingung der Gesundheit der Seele.
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118.
Wenn irgend Etwas erreicht ist, so ist es ein harmloseres Verhalten zu den Sinnen, eine freudigere, wohlwollendere, Goethischere Stellung zur Sinnlichkeit; insgleichen eine stolzere Empfindung in Betreff des Erkennens: sodaß der »reine Thor« wenig Glauben findet.
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119.
Wir »Objektiven«. – Das ist nicht das »Mitleid«, was uns die Thore zu den fernsten und fremdesten Arten Sein und Cultur aufmacht; sondern unsre Zugänglichkeit und Unbefangenheit, welche gerade nicht »mitleidet«, sondern im Gegentheil sich bei hundert Dingen ergötzt, wo man ehedem litt (empört oder ergriffen war, oder feindselig und kalt blickte –). Das Leiden in allen Nuancen ist uns jetzt interessant: damit sind wir gewiß nicht die Mitleidigeren, selbst wenn der Anblick des Leidens uns durch und durch erschüttert und zu Thränen rührt: – wir sind schlechterdings deshalb nicht hülfreicher gestimmt.
In diesem freiwilligen Anschauen-wollen von aller Art Noth und Vergehen sind wir stärker und kräftiger geworden, als es das 18. Jahrhundert war; es ist ein Beweis unseres Wachsthums an Kraft (– wir haben uns dem 17. und 16. Jahrhundert genähert). Aber es ist ein tiefes Mißverständniß, unsre »Romantik« als Beweis unsrer »verschönerten Seele« aufzufassen. Wir wollen starke sensations, wie alle gröberen Zeiten und Volksschichten sie wollen. (Dies hat man wohl auseinander zu halten vom Bedürfniß der Nervenschwachen und décadents: bei denen ist das Bedürfniß nach Pfeffer da, selbst nach Grausamkeit.)
Wir Alle suchen Zustände, in denen die bürgerliche Moral nicht mehr mitredet, noch weniger die priesterliche (– wir haben bei jedem Buche, an dem etwas Pfarrer- und Theologenluft hängen geblieben ist, den Eindruck einer bemitleidenswerthen niaiserie und Armuth). Die »gute Gesellschaft« ist die, wo im Grunde Nichts interessirt, als was bei der bürgerlichen Gesellschaft verboten ist und üblen Ruf macht: ebenso steht es mit Büchern, mit Musik, mit Politik, mit der Schätzung des Weibes.
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120.
Die Vernatürlichung des Menschen im 19. Jahrhundert (– das 18. Jahrhundert ist das der Eleganz, der Feinheit und der sentiments généreux). – Nicht »Rückkehr zur Natur«: denn es gab noch niemals eine natürliche Menschheit. Die Scholastik un- und wider-natürlicher Werthe ist die Regel, ist der Anfang; zur Natur kommt der Mensch nach langem Kampfe, – er kehrt nie »zurück« … Die Natur: d. h. es wagen, unmoralisch zu sein wie die Natur.
Wir sind gröber, direkter, voller Ironie gegen generöse Gefühle, selbst wenn wir ihnen unterliegen.
Natürlicher ist unsre erste Gesellschaft, die der Reichen, der Müßigen: man macht Jagd auf einander, die Geschlechtsliebe ist eine Art Sport, bei dem die Ehe ein Hinderniß und einen Reiz abgiebt; man unterhält sich und lebt um des Vergnügens willen; man schätzt die körperlichen Vorzüge in erster Linie, man ist neugierig und gewagt.
Natürlicher ist unsre Stellung zur Erkenntniß; wir haben die Libertinage des Geistes in aller Unschuld, wir hassen die pathetischen und hieratischen Manieren, wir ergötzen uns am Verbotensten, wir wüßten kaum noch ein Interesse der Erkenntniß), wenn wir uns auf dem Wege zu ihr zu langweilen hätten.
Natürlicher ist unsre Stellung zur Moral. Principien sind lächerlich geworden; Niemand erlaubt sich ohne Ironie mehr von seiner »Pflicht« zu reden. Aber man schätzt eine hülfreiche, wohlwollende Gesinnung (– man sieht im Instinkt die Moral und dédaignirt den Rest. Außerdem ein paar Ehrenpunkts-Begriffe –).
Natürlicher ist unsre Stellung in politicis: wir sehen Probleme der Macht, des Quantums Macht gegen ein anderes Quantum. Wir glauben nicht an ein Recht, das nicht auf der Macht ruht, sich durchzusetzen: wir empfinden alle Rechte als Eroberungen.
Natürlicher ist unsre Schätzung großer Menschen und Dinge: wir rechnen die Leidenschaft als ein Vorrecht, wir finden Nichts groß, wo nicht ein großes Verbrechen einbegriffen ist; wir concipiren alles Groß-sein als ein Sich-außerhalb-stellen in Bezug auf Moral.
Natürlicher ist unsre Stellung zur Natur: wir lieben sie nicht mehr um ihrer »Unschuld«, »Vernunft«, »Schönheit« willen, wir haben sie hübsch »verteufelt« und »verdummt«. Aber statt sie darum zu verachten, fühlen wir uns seitdem verwandter und heimischer СКАЧАТЬ