Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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So brachte nun Jeder alle Woche Etwas, das er von seinem Verdienst erübrigen konnte, und Einer bemühte sich mehr, als der Andere, in die Ersparnißkasse zu legen. Einige wurden so begierig, daß sie beinahe Weib und Kind verhungern ließen, um desto mehr Geld zusammenzuscharren.
Das verdroß den Schulmeister, und er hob an zu reden: »Es ist wohl gut, daß ihr mäßig seid, aber Weib und Kind müssen nicht hungern. Wer wohlgenährt ist, der hat auch Kraft und Muth, zu arbeiten. Freilich, manche Frau, die auch wohl im Felde arbeiten, oder sonst Geld verdienen könnte, muß jetzt zu Hause bleiben, und ihre Zeit beim Kochen verlieren. Wäre für jede Haushaltung von selbst schon Gekochtes da, so würde man kein Holz kaufen und bezahlen, oder es mit Zeitverlust im Walde zusammenlesen müssen, sondern man könnte vielleicht sogar jährlich von dem Gabenholz, das die Gemeinde gibt, an Andere verkaufen und Geld daraus lösen. Dabei wäre schön zu sparen. Aber wir müssen das auf andere Weise anfangen.«
»Ihr wisset, wir haben in theuern Zeiten elende Sparsuppen gegessen. Warum sparten wir damals, da wir nichts hatten, und nicht weit lieber jetzt, wo etwas zu sparen wäre? – Wir haben jetzt Erdäpfel, Obst und Mehl und Brod und Fleisch in wohlfeilerm Preis. Wir können jetzt mit demselben Gelde, wie in der theuern Zeit, bessere Kost haben und viel ersparen. Wenn jetzt Einer für uns Alle kocht, ersparen viele Frauen Zeit, und können auf andere Weise arbeiten und verdienen. Unter dreißig Kesseln und Häfen braucht es zwanzigmal mehr Holz an einem Tage, als unter einem einzigen Kessel für dreißig Haushaltungen. Das begreift ihr; dabei ist Gewinn. Aber wo für viele Menschen zusammen gekocht wird, ist auch an Salz und Schmalz und Zuthat und Geschirr Ersparniß. Lasset uns einen Versuch machen.«
So sprach Oswald. Viele wollten; Andere wollten nicht. Oswald ging zum Müller und beredete ihn, die Sparsuppe zu kochen, und dreimal wöchentlich Fleisch dazu, besonders zum Verkauf. Diejenigen, welche dazu einstanden, sagten, wie viel Suppe und Fleisch sie täglich begehrten; es waren ihrer zuerst siebenzehn Haushaltungen.
Nun mußte der Reihe nach jede Haushaltung, eine um die andere, wenn der Tag an sie kam, das Holz zum Kochen, und beim Kochen einen Aufwärter oder Gehülfen geben. Die Müllerin führte beim Kochen die Aufsicht. Alle Tage war Abwechslung in Suppe und Gemüse. Wer kein Geld hatte, konnte seine Portionen mit Mehl, Obst, Gemüs und Erdäpfeln zahlen. Das ward Keinem zu schwer. Nur wer Fleisch nahm, zahlte Geld dafür. – Die Frau Müllerin verstand das Kochen. Die andern Bauernweiber und Mädchen, wenn der Tag an sie kam, da sie helfen mußten, lernten viel dabei, was sie vorher nicht wußten.
So geschah, daß die zusammenstehenden Familien, wozu auch der Schulmeister und der Müller gehörten, besser und nahrhafter aßen, als andere Leute im Dorfe und doch weit wohlfeiler. Alle Tage Suppe und Gemüs dazu, dreimal wöchentlich Fleisch und Braten auf allerlei Art zugerichtet. – Wie dies die Andern sahen, daß es da keine Säutränke oder elende Sparsuppen gab, und daß es noch für kranke Personen und Genesende gesunde Nahrung nebenbei gab, traten sie auch bei, und Viele, die gar nicht zum Goldmacherbund gehörten. Denn sie merkten bald, daß da viel an Holz, Mühe und Zeit, viel an Speisezuthat erspart und Alles weit wohlfeiler gemacht werden konnte.
Es wurden für die Garküche der Müllerin endlich der Theilhaber zu viel, obgleich sie täglich mehrere Gehülfinnen erhielt. Da legte der Adlerwirth zu seinem Vortheil auch eine solche Küche an. Aber alle, die zum Goldmacherbund gehörten, blieben beim Müller. Sie hatten die verständigsten Hausväter unter sich ausgeschossen, die mußten den Ankauf der Vorräthe und deren Verwendung beaufsichtigen. Denn die Garküche sollte keinem Einzelnen zum Gewinn dienen, sondern Allen zum Vortheil gereichen.
16.
Wie sich die Wirthshäuser im Dorfe vermindern, und was die alten Bauern dazu sagen.
In der Küche des Adlerwirth s ging es anders zu. Er kochte Sausuppe. Davon wollte Keiner essen. So blieben seine Kunden weg, weil sie nicht ihr theures Geld dafür geben wollten. Sie traten unter einander zusammen, und wollten es machen, wie die Leute bei der Müllerin. Aber es ging nicht, weil keine Ordnung war und weil Einer den Andern betrog. Da lachte der Adlerwirth und freute sich, daß es bei Andern nicht besser ginge, als bei ihm.
Bei ihm ging es aber doch schlechter als bei Andern, weil er ein hartherziger, schlechter Mann war. Er hatte viel Geld auf böse Weise zusammengescharrt; aber unrecht Gut gedeiht nicht. Wenn in der theuern Zeit Steuern und milde Gaben für die armen Leute nach Goldenthal gekommen waren, damit man Sparsuppen kochen und austheilen könne, hatte er die Gemeindsvorsteher beredet, lieber das baare Geld an die armen Leute auszuzahlen. Dann trat er mit dem Löwenwirth zusammen, und sie verkauften den armen Leuten Mehl und Brod in ganz ungeheuerm Preise. So kam das Geld alles wieder in ihren eigenen Sack zurück. Wenn Leute im Dorfe von ihrem Heu, Vieh oder liegende Gütern aus Noth etwas öffentlich an die Steigerung bringen wollten, so trat er mit dem Löwenwirth und andern Vorstehern zusammen, und sie machten Satz mit einander, um alles wohlfeil zu bekommen. Sie boten erst kleine Summen, und legten etwas zu. Dann trat Einer nach dem Andern zurück, und bot nicht mehr, weil es zu viel und die Waare zu schlecht sei. So sagte Einer nach dem Andern. Und weil man sie für die verständigsten Männer hielt, getraute sich kein Anderer, mehr zu bieten. So bekamen sie die Sachen wohlfeil. Wenn aber doch ein Anderer klug war und mehr bieten wollte, schreckte man ihn mit Drohworten, zumal wenn ein solcher ihnen schuldig war; und sie sagten: »Hast du Geld genug für so schlechte Waare, und willst du meinen Freund überbieten: so verlange ich, du sollst mir vorher deine Schuld bezahlen.«
So machte es der Adlerwirth. Aber unrecht Gut gedeiht nicht. Er war ein stolzer und zornmüthiger Mann, und hatte beständig Händel und Prozesse vor Gericht. Sogar mit seinen Brüdern und Schwestern hatte er einen Rechtsstreit gehabt, weil er sie in der väterlichen Erbschaft durch Betrug und List bei der Theilung sehr verkürzt hatte. Viele Leute im Dorfe waren von ihm durch das Prozessiren zu Grunde gerichtet worden.
Ueberhaupt war die Streitsucht in Goldenthal eine Hauptursache von der Verarmung des Dorfs gewesen. Denn so lange die Leute noch im Wohlstand waren, wollten sie großthun; wer einen Prozeß zu führen hatte, meinte, er habe etwas Großes und Ehrenvolles, weil Jedermann mit ihm davon sprach. Dann kamen arglistige Advokaten und hetzten noch mehr auf, weil sie gern durch die Dummheit und Prozeßwuth der Bauern Verdienst hatten. Die prozeßlustigen Leute waren dann so sehr auf ihre Sache erpicht, daß sie tausendmal schworen, lieber Alles daran zu setzen, als nachzugeben. Das gefiel den Advokaten sehr wohl. Da wurden die Prozesse durch allerlei Kunst in die Länge gezogen, Jahr ein Jahr aus; da wurde replizirt, triplizirt, appellirt und den einfältigen Leuten das Geld aus dem Sack herausgeführt, bis der Handel zehnmal mehr gekostet, als er werth war. Wer dann verlor, schimpfte über Parteilichkeit der Richter und sog an den Hungerpfoten. Die Advokaten aber aßen Braten.
Seit Oswald ins Dorf gekommen, hatte er viele Leute vom Prozessiren abgehalten. Denn wenn ihn Einer um Rath befragte, richtete er es immer so ein, daß die Sache in der Güte abgethan wurde. Und er redete und sprach: »Einst fanden zween Hunde, die sich auf einem schmalen Steg über dem Wasser begegneten, ein Stück Fleisch auf dem Brücklein. Und sie geriethen in Streit, wem es gehöre. Ein dritter Hund, der das Fleisch auch gern gehabt hätte, kam dazu und sagte bald diesem, bald jenem ins Ohr: »Gib nicht nach. Es gehört dir von Rechtswegen allein!« Also fingen die Beiden an, sich zu raufen und zu beißen, bis Beide in der Balgerei hinab ins tiefe Wasser fielen. Dann ging der Dritte gemächlich zum Fleisch und fraß es, und sah zu wie die Andern schwammen. So geht es den streitführenden Parteien in Prozessen.
»Rechthaberei kostet viel Geld, und bringt Spott und Schande nach. Wer einen Prozeß anhebt, hat schon die Hälfte von dem verloren, was er gewinnen will. Boshafte Advokaten sind wie СКАЧАТЬ