Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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Der Gemeindsvorsteher Brenzel sagte: »Wenn das Unwesen so fortgeht, muß ich die Wirtschaft aufgeben. Aber ich merk' es wohl, das ist ein infames Komplott gegen mich. Man will mich zu Grunde richten. Aber ehe das geschieht, soll das Dorf zu Grunde gehen. Wenn ich nur dahinter kommen könnte, wer diese Teufelei angerichtet hat.
Sogar dem Herrn Pfarrer war die Sache aufgefallen. Er rechnete nach und fand, daß die Aenderung so vieler Menschen angefangen hatte seit dem Sonntag, da er eine sehr lange Predigt über die christliche Wiedergeburt durch den Glauben gehalten hatte. Er meinte, damit habe er Alles ausgerichtet, und sagte es auch. Nun aber verfolgten ihn seit einiger Zeit die Gemeindsvorsteher, wo sie konnten, und die Wirthe spielten ihm allerlei böse Streiche hinterrücks, und gingen fast gar nicht mehr zur Kirche.
Der Adlerwirth, um sein saures Bier anzubringen, verkaufte es um halben Preis; er schwefelte seinen Wein, und machte ihn süß, und bezahlte alle Sonntage Spielleute, die mußten lustig aufspielen. Aber von den zweiunddreißig Hausvätern, ihren Söhnen und Töchtern kam Niemand.
Der Löwenwirth suchte gleichfalls seine Kunden wieder an sich zu locken, that freundlich, schenkte Manchem umsonst ein und fragte: »Warum kommst du gar nicht mehr trinken?« Sie antworteten: »Wir haben kein Geld!« – Dann rief er: »Ei, Dummheit! Ihr wisset ja, ich bin nicht so streng, und borge schon. Ihr seid mir lange gut genug.« – Aber die Leute kamen doch nicht.
Da gerieth der grimmige Löwe in Wuth und sprach: »Wenn ihr mir' s so macht, will ich euch die Faust auch zeigen. Ihr sollt an den Löwenwirth Brenzel glauben lernen!«
15.
Die Schuldbücher werden aufgethan. Die Sparkasse und die Garküche.
Nun schlich bald der Eine, bald der Andere von den armen Leuten, die zu dem Goldmacherbund gehörten, in das Haus des Schulmeisters, und klagte seine Noth und sprach: »Siehe, Oswald, meine Gelübde, so schwer sie sind, halte ich sie doch pünktlich. Nun ist's ein halbes Jahr, ich bete und arbeite. Nun ist's ein halbes Jahr, ich spiele, saufe und zanke nicht mehr. Mein Haus ist schön säuberlich, Weib und Kind gehen reinlich. Keiner kann über mich klagen. Aber die Ortsvorsteher plagen mich auf allerlei Weise. Ich bin dem und diesem von ihnen schuldig. Nun drohen sie, mich aus meinem Hause zu treiben, wenn ich ihnen nicht zahle, oder nicht bei ihnen trinke. Hilf mir, Oswald, sonst kann ich das Gelübde nicht halten. In sechs und einem halben Jahre habe ich Geld vollauf; strecke mir eine Summe vor, ich will sie dir dann wieder zahlen.«
Oswald antwortete: »Das vierte Gelübde heißt: Beten, arbeiten, keine Schulden mehr machen. Ich darf dir also kein Geld borgen. Aber laß sehen, wem und wieviel du schuldig bist; dann wollen wir nachdenken, wie aus der Noth kommen.«
So sprach er, nahm eine Schreibfeder und Papier, setzte sich hin und schrieb das auf, was man ihm antwortete, wenn er fragte. Er fragte aber Jeden einzeln: »Wem bist du schuldig? Wie viel und mit welchem Zins? Wofür hast du die Schuld gemacht, und hast du Unterpfand gegeben?«
Nachdem er die ganze Schuldsumme des Mannes kannte, fragte er wieder: »Womit willst Du bezahlen? Wie viel kannst du, oder können Weib und Kind in der Woche mit Taglohn verdienen? Wie viel Land und Vieh hast du? und was kannst du wohl in mittlern Jahren von dem verkaufen, was du ärntest? Wie ernährst du dich mit den Deinigen? Was brauchst du zur Nahrung in einer Woche, in einem Tag? Wie steht es mit den Kleidern und Wäsche und Geräth? Was muß angeschafft werden, und wo kann man ohne Schaden sparen?«
Das alles schrieb Oswald von Jedem sorgfältig auf. Nun kam die lüderliche Haushaltungsordnung erst recht an Tageslicht. Denn Mancher wußte nicht einmal genau, wie viel er schuldig war, und hatte nichts aufgezeichnet. Da mußte man sich erst bei den Gläubigern erkundigen. Mancher war drei, vier, fünf Zinse zu bezahlen rückständig. Da mußte man erst für diese sorgen. Mancher mußte an Gemeindsvorsteher, von denen er in der Noth Geld entliehen hatte, acht, auch zwölf vom Hundert verzinsen. Da mußte Oswald in die Stadt gehen, an drei und vier Prozent Geld aufnehmen, und gut dafür sprechen, damit die Wucherer bezahlt wurden, und nicht mehr durch Wucher einen armen Mann zu Grunde richten konnten. Mancher hatte wohl gar mehr Schulden als Vermögen. Da war schwer helfen. Doch sprach Oswald Allen Muth ein und sagte: »Sparen und arbeiten soll euch mit Gottes Hülfe schuldenfrei machen. Folget nur in allen Dingen meinem Rath!«
Nun erst sah er von diesen Leuten, wie schlecht sie gehauset hatten; und dies that den Leuten nun selbst in der Seele weh. Nun erst erfuhr Jeder, was er nach Abzug aller Schulden von seinem Vermögen, als wahres Eigentum, betrachten könne. Das war oft blutwenig, und ihnen schauderte die Haut vor Angst und Entsetzen darüber. Nun wollten Alle sparen, Alle arbeiten. Aber wie sollten sie es anfangen?
Oswald hatte unbeschreiblich viel Mühe. Aber die Mühe machte ihm Freude, weil er ein wahrer Menschenfreund war. Er machte Jedem ein Haus- und Schuldenbüchlein, worin Jeder den Zustand seines Vermögens deutlich sah. Dann ging er wieder in die Stadt, und suchte für Kinder und Erwachsene Arbeit von allerlei Art. Das gelang ihm nach und nach. Und was so mit Taglöhnen verdient wurde, das mußte wöchentlich aufgeschrieben und aufgespart werden. Einige gaben das Geld dem Oswald in Verwahrung; Andere gaben es ihm wöchentlich, um damit nach und nach ein für sie aufgenommenes Kapital abzutragen.
Als dies Mehrere thaten, und Oswald am Ende hundert und mehr Gulden beisammenliegen sah, dachte er: »Wozu soll dies Geld da todt und ohne Nutzen liegen? Wenn es jährlich Zins trüge, hülfe es den armen Leuten ohne ihre Mühe schon wieder zu einem kleine Gewinn und verminderte die Schuld.«
Also machte er sich ein Buch und schrieb hinein, was Jeder wöchentlich von seinem Verdienst in die Ersparnißkasse zurücklegte. Dann ging er in die Stadt und beredete einen rechtschaffenen Herrn, daß er monatlich das ersparte Geld, wären es auch nur zehn oder zwanzig Gulden, annehmen und auf Zins austhun wolle. Es wäre zum Besten armer, sparsamer Leute. Der Herr, welche ein reicher Kaufmann war und gern das Gute beförderte, nahm das Geld und that es an Zins, und wenn am Ende des Jahren die Zinsen einkamen, that er sie wieder als ein kleines Kapital aus, also, daß die Zinsen wieder Zinsen eintragen mußten. Oswald aber schrieb in sein Ersparnißkassenbuch zu Hause immer auf, wie viel jeder von seinen Leuten an den Zinsen Antheil habe.
Es war aber ein großes Glück, daß die Leute und ihre Kinder, da sie Arbeit bekamen, auch arbeiten konnten, und fast nie krank wurden. Das war sonst nicht so. Denn wenn sie sich ehemals am Sonntage vollgesoffen hatten, waren sie am Montag nicht zum Arbeiten aufgelegt, und hatten Kopfweh und Uebelkeit. Und weil sie sich insgesammt oft kämmten, wuschen, und gar reinlich hielten, waren sie von allen Uebeln und Krankheiten befreit, welche die natürlichen Strafen und Folgen der Unreinlichkeit sind.
Wie nun Oswald den mit ihm Verbündeten erzählte, daß er eine Ersparnißkasse errichtet habe, und daß das Geld, welche sie ihm wöchentlich zum Aufbewahren brächten, Zinsen tragen müsse, erstaunten sie gar sehr und freuten sich. Und Jeder sah im Buche nach, wie viel Geld er schon zusammengebracht habe, und wie viel Zins er am Ende des Jahres dafür zu erwarte habe. Anfangs hatten nur wenige Haushaltungen dem Oswald ihr Geld gebracht. Nun aber sagten es die Einen den Andern. Und wie Einer hörte, der Andere habe schon fünfzehn, zwanzig und dreißig Gulden und mehr zurückgelegt, wurde er mißvergnügt und wollte es auch so haben, und nahm sein weniges Geld und trug es auch zum Oswald und sprach: »Ei, Lieber, warum hast du mir nichts von der Ersparnißkasse gesagt? Lege mein Geld, das ich wöchentlich entbehren kann, auch hinein, es sei viel oder wenig. Denn wenn ich es im Hause СКАЧАТЬ