Название: Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman
Автор: Kathrin Singer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heimatkinder Staffel
isbn: 9783740918057
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»Du kannst mir also nicht verzeihen?«
»Ich wäre längst weg, wenn mir mein Großvater nicht leid täte. Nur seinetwegen halte ich es hier noch aus.«
Ulrich wurde blass. Er senkte den Kopf. »Und an Tobias denkst du gar nicht?«, fragte er gepresst.
»Natürlich denke ich an den Jungen, den ich gernhabe, aber mir ist inzwischen klargeworden, dass es auf mich im Grunde gar nicht ankommt. Ihr seid die dicken Freunde, du und Tobias. Du wirst rasch eine andere Frau finden, die dich gern zum Manne nimmt und die nett zu Tobias ist. Und um mehr geht es ja wohl nicht.«
»Ich liebe dich, Betti, wie kann ich mir da irgendeine andere Frau suchen?«
»Worte, nichts als Worte«, höhnte sie verzweifelt.
Ulrich schüttelte den Kopf. Melancholie verschattete seine Augen. »Was wird geschehen? Ich kann Tobias nicht adoptieren, wenn ich allein bleibe. Man wird ihn anderweitig vermitteln, man wird ihn den Leuten anvertrauen, die er nicht leiden kann.«
»Du warst entschlossen, eine Mutter für den Jungen zu finden, und du wirst sie finden. Dauert es eben ein paar Wochen länger, na und? Am besten, du wendest dich an ein Heiratsinstitut.«
»Du könntest dich nicht entschließen, es wenigstens einmal mit mir zu versuchen – dem Jungen zuliebe?«
»Nein!«, schrie sie ihn unvermittelt an. Und leiser, aber immer noch erregt fuhr sie fort: »Was bildest du dir ein? Eine Ehe ist doch kein Versuch, jedenfalls nicht für mich! Tobias ist ein robuster, unkomplizierter Junge. Er wird mit jeder andern halbwegs annehmbaren Mami einverstanden sein, solange du ihm nur die Stange hältst, als sein großer Held und Freund. So, das wär’s! Damit ist die Diskussion beendet, und zwar ein für alle Mal. Wir werden uns in Zukunft nicht aus dem Weg gehen können, denn dir gehört das Haus und ich möchte meinen Großvater nicht im Stich lassen, aber ich wünsche von dir nicht belästigt zu werden.«
»Belästigt?«, fragte Ulrich fassungslos.
»Ja – belästigt!«, wiederholte sie eigensinnig in scharfem Tonfall, und ihre Augen sprühten. Dann wandte sie sich abrupt ab, eilte in den Gemüsegarten und begann Unkraut auszurupfen, als hinge ihr Leben davon ab.
*
Vierzehn Tage waren seit dieser Auseinandersetzung vergangen. Vierzehn Tage voller Unsicherheit und seelischer Qualen.
Ulrichs Verzweiflung wuchs. Fast an jedem Nachmittag war er mit Tobias zum Forsthaus hinausgefahren, hatte sich extra viel Zeit genommen und seine Arbeit in der Firma mehr und mehr vernachlässigt. Olaf Neumann, der Heimleiter, ahnte glücklicherweise noch nicht, dass die Verlobung geplatzt war. Andernfalls hätte er die Ausflüge mit dem Jungen sicher nicht mehr gestattet. Auch Tobias wusste nichts von dem Damoklesschwert, das über ihm schwebte, denn Bettina verhielt sich ihm gegenüber unverändert herzlich.
Wie sollte es nur weitergehen? Vierzehn Tage lang hatte Ulrich verzweifelt versucht, eine neue Brücke zu dem geliebten Mädchen zu schlagen. Bettina fühlte sich hintergangen und getäuscht, das konnte er verstehen, aber warum vermochte sie nicht endlich einzusehen, dass er sie wirklich liebte?
All seine Bemühungen waren vergeblich. Wenn Betti den Kopf mit der ihr eigenen trotzigen Bewegung in den Nacken warf und ihn eisig oder spöttisch musterte, erstarrte Ulrichs Herz.
Gab es kein Zurück mehr?
Es erschien Ulrich völlig undenkbar, Tobias jemals wieder zu verlieren. Der Junge war ihm ans Herz gewachsen wie ein eigener Sohn. Irgendetwas musste geschehen, um dem Schicksal in die Speichen zu fallen, um jeden Preis!
Es kam der Tag, an dem Ulrich zum ersten Mal das zweite Los, das er zusammengefaltet in ein Nebenfach seiner Brieftasche gesteckt hätte, in der Hand hielt. Er musterte das kleine Stück Papier, als könne es jeden Moment explodieren.
Hatte ihm die Glücksgöttin nicht von vornherein eine zweite Chance zugespielt?
Aber er liebte Bettina! Wie konnte er mit dieser Liebe im Herzen versuchen, eine andere zu erobern?
Mit einem schweren Seufzer schob Ulrich das Los wieder in die Tasche. Nein.
Doch eines Tages, als er Tobias aus dem Heim abholen wollte, stellte sich ihm Olaf Neumann in den Weg.
»Nun, habt ihr inzwischen geheiratet?«, erkundigte sich der bärtige Heimleiter beiläufig.
Ulrich schluckte aufgeregt und bemühte sich um Gelassenheit. »Noch nicht.«
»Es wird aber Zeit, würde ich sagen. Wenn ihr die entsprechenden Adoptionspapiere nicht bald unterschreibt, und zwar als Ehepartner, sehe ich schwarz für euren Antrag.«
»Natürlich«, murmelte Ulrich und senkte betreten den Kopf.
»Ich werde mich demnächst persönlich mit Bettina in Verbindung setzen, um ihr die Sachlage zu verdeutlichen.«
»Nein, das brauchst du nicht, ich werde es selbst tun!«, ereiferte sich Ulrich. Es galt, ein Zusammentreffen zu verhindern!
»Eine Fürsorgerin wird dem Forsthaus sowieso in Kürze einen Besuch abstatten.«
»Aber warum denn, wieso denn?«, stammelte Ulrich entsetzt.
»Das ist üblich. – Ich verstehe deine Erregung nicht. Hast du irgendetwas zu verbergen?«
»Unsinn!« Ulrich hatte es plötzlich sehr eilig, sich von dem ehemaligen Schulkameraden zu verabschieden.
Im Forsthaus musste er zutiefst enttäuscht feststellen, dass Bettina nicht daheim war. In letzter Zeit richtete sie es immer häufiger so ein, nicht mit ihm zusammenzutreffen.
Während Tobias im Garten und auf dem Hof mit dem Kater herumtobte, saßen sich Ulrich und der pensionierte Forstmeister im Wohnzimmer gegenüber. Der Alte setzte seine Pfeife in Brand.
»Ich gebe die Hoffnung allmählich auf, dass Betti doch noch zur Vernunft kommt«, seufzte Ulrich.
Der alte Herr nickte betrübt. »Betti verfügt über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, aber andererseits auch über einen schrecklichen Dickschädel. Das war schon als Kind so.«
Ulrich presste die Faust an die Stirn. »Ich liebe Betti, dass sie das nicht einsehen will!«
Der alte Forstmeister zuckte die Schultern. »Tja, was soll man machen. Alles könnte so einfach und so schön sein. Einen besseren Mann findet sie nie. Das habe ich ihr auch gesagt. Ihr passt so gut zueinander, ganz fabelhaft. Ihr seid aus dem gleichen guten Holz geschnitzt, nicht zu hart, nicht zu weich.«
Ulrich spürte, wie es bei diesen Worten des alten Herrn in seiner Kehle würgte. Angestrengt starrte er an die Wand.
An diesem Abend musste er Tobias ins Heim zurückbringen, ohne Bettina gesehen zu haben, obwohl er seinen Besuch im Forsthaus so lange wie möglich ausgedehnt hatte. Deutlicher konnte sie ihm wohl kaum noch zu verstehen geben, wie sie zu ihm stand. In der Nacht schlief Ulrich wenig. Schweißgebadet wälzte er sich von einer Seite auf die andere.
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