Название: Kandide oder Die beste aller Welten
Автор: Вольтер
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Alsbald schleppt' ihn Kandide in des Wiedertäufers Stall und gab ihm ein paar Bissen Brot, und als er sich wieder ein wenig erquickt hatte, fragt' er ihn: Nun, und Kunegunde? Ist tot, erwiderte jener. Bei diesen Worten sank Kandide in Ohnmacht; sein Freund brachte ihn mit einem paar Tropfen verdorbnem Weinessig wieder zu sich, der sich von ungefähr im Stalle fand. Kandide (die Augen aufschlagend): Tot! Kunegunde tot! Oh, wo bist du beste der Welten ? – Aber woran starb sie? Gab ihr das den Tod, daß sie mich aus ihres Herrn Vaters schönem Schlosse mit derben Fußstößen hinausjagen sahe?
Panglos. Das nicht! Bulgarische Soldaten schlitzten ihr den Bauch auf, nachdem sie selbige zuvor auf's möglichste genotzüchtigt hatten; den Baron, der ihr beistehn wollen, hatten sie vor'n Kopf geschossen; die Frau Baronin in Stücken zerhauen; meinem armen Untergebnen nicht besser mitgespielt als seiner Baroneß Schwester; und was das Schloß anlangt, da ist kein Hammel, keine Ente am Leben geblieben, kein Stein auf dem andern, keine Scheune, kein Stall, kein Baum auf seinem alten Fleck. Wir haben aber Genugtuung bekommen, völlige Genugtuung. Die Abaren haben's auf einem benachbarten bulgarischen Rittersitz ebenso gemacht.
Kandide sank bei der Erzählung abermals in Ohnmacht; nachdem er aber wieder zu sich gekommen war und ein gehöriges Lamento angestimmt hatte, erkundigt' er sich nach der Ursach und Wirkung und dem zureichenden Grunde, der Panglosen in einen so erbärmlichen Zustand versetzt.
Panglos. Ach Liebe war's, Liebe, sie, die Trost auf das ganze menschliche Geschlecht herabströmt, das ganze Universum umfaßt und erhält, sie, der Lebensquell aller fühlenden Geschöpfe; Liebe war's, der zärtlichste aller Affekte. Kandide. Auch ich hab sie gekannt, diese Liebe, sie, die alle Herzen beherrscht, Leben und Licht in unsre Seele bringt; und der Lohn, den sie mir gab, bestand aus einem Kuß und zwanzig Fußtritten in den Hintern; ein beßrer Lohn ward mir nie. Wie konnte aber diese schöne Ursach so abscheuliche Wirkungen bei Ihnen hervorbringen?
Panglos. Sie haben doch die Gertrud gekannt, lieber Kandide, das niedliche Zöpfchen von dem königlichen Weibe der alten Baronessin? In ihren Armen hab' ich Paradieseswonne geschmeckt, und eben die hat das Höllenfeuer in all' meinen Adern angefacht, das mich jetzt so wütig anfleckt. Das arme Mädchen war angesteckt und ist vielleicht schon nicht mehr. Gertrud hatte von einem hochgelahrten Franziskanermönch dies Geschenk, das er aus der ersten Hand bekommen hatte; denn er hatte es von einer alten Reichsgräfin, die Gräfin von einem Dragonerhauptmann, der Hauptmann von einer Marquise, die Marquise von einem Pagen, der Page von einem Jesuiten, und der Jesuit noch in seinem Probestande recta via von einem Gefährten des Christoph Kolumbus. Ich meines Orts, werd's niemanden mitteilen, denn ich sterbe.
Kandide. O Panglos! Eine gar sonderbare Sippschaft! Der Teufel ist wohl gar der Stammvater?
Panglos. Behüte! Die beste aller möglichen Welten konnte ohne diese Krankheit nicht bestehen; sie war ein unumgänglich nötiges Ingredienz; denn hätte nicht Kolumbus in einer amerikanischen Insel diese Seuche geholt, die den Zeugungsquell vergiftet, seine Wirkungen oft völlig entkräftet und dem großen Zwecke der Natur augenscheinlich entgegenarbeitet, so hätten wir weder Schokolat noch Koschenille.
Überdies muß man bemerken, daß sie lediglich nur uns Europäern anhängt, so wie die Sucht zu polemisieren. Türken und Inder, und die da wohnen in China und Siam und Japan wissen davon noch nichts bis auf den heutigen Tag. Indes gibt's einen zureichenden Grund, daß in den Folgejahrhunderten auch an diese Völker die Reihe kommen wird, sie kennenzulernen. Derweil' aber macht sie bei uns ganz erstaunend Schnelle Fortschritte, zumal in den großen Armeen, welche aus lauter wackern, wohlerzogenen Mietlingen bestehn, die das Schicksal der Staaten entscheiden. Man kann behaupten, wenn dreißigtausend Mann gegen eine eben so starke Armee in Schlachtordnung stehn, daß sich auf jeder Seite ungefähr an die zwanzigtausend befinden, die die Lustseuche haben.
Kandide. Alles gut, lieber Magister, aber jetzt müssen Sie auf Ihre Kur denken.
Panglos. Auf meine Kur denken, und habe keinen Heller. Sie müssen wissen, liebes Kind, auf Gottes weitem, rundem Erdboden gibt's keine Seele nicht, die einem zur Ader läßt oder ein Klistier setzt, wenn man's nicht bezahlen kann, oder nicht einen hat, der's an unsrer Stelle tut.
Panglosens letzte Worte bestimmten Kandiden; er flog zu seinem mitleidigen Wiedertäufer, warf sich ihm zu Füßen und malte seines Freundes Zustand mit so warmem, kräftigem Pinsel, daß dieser Biedermann den Magister ohn' alle Schwierigkeit annahm und ihn auf seine Kosten heilen ließ.
Panglos verlor bei der Kur nur ein Auge und ein Ohr. Schreiben könnt' er wie der geschickteste Kanzelist und rechnen wie Euler; darum macht' ihn Wiedertäufer Jakob zu seinem Buchhalter.
Als er nach Verlauf von zwei Monaten in Handlungsangelegenheiten nach Lissabon gehen mußte, nahm er seine beiden Philosophen mit. Panglos bewies ihm deutlich, es sei alles auf das beste eingerichtet. Gewesen wohl, fiel ihm Jakob Schwezinger ein, aber jetzt nicht mehr. Durch die Menschen, denk' ich, ist die Natur um ein gut Teil verdorben worden. Wolfssinn ward ihnen nicht angeboren und doch haben sie ihn. Gott gab ihnen nicht Vierundzwanzigpfünder, nicht Bajonette, sie gössen sie sich aber, schliffen sie sich, um einander aufzureiben. Auch die Bankrotte könnt' ich hier in Anschlag bringen, und die Obrigkeiten, welche die Gläubiger um des Bankrottiers Habe prellen und es in ihren Wanst schieben. Alles das ist unumgänglich notwendig, erwiderte Magister Einauge. Es trägt zum allgemeinen Wohl bei, wenn Hinz unglücklich ist und Kunz; je mehr Privatunglücksfälle also, je besser für's Ganze.
Während des Philosophierens bewölkte sich der Himmel, die Winde bliesen aus allen vier Enden der Welt, und das schrecklichste Ungewitter packte das Schiff im Angesicht des Lissabonner Hafens.
Kapitel 5
Seesturm, Schiffbruch, Erdbeben, Schicksal des Magister Panglos, Kandidens und des Wiedertäufers Jakob Schwezinger
Nicht lange, so waren die Segel zerrissen, die Maste zerschmettert, das hinundhergeschleuderte Schiff ganz leck. Der Schreck war den meisten darauf so heftig auf die Nerven gefallen, hatte solche Revolution in ihrem ganzen Körper hervorgebracht, daß sie ganz fühllos und starr bei der sie umschwebenden Gefahr waren; die übrigen kreischten und beteten laut; wer arbeiten konnte, arbeitete; da hörte niemand, befahl niemand.
Der Wiedertäufer stand auf dem Verdeck und half ein wenig. Ein wütender Matros stürzte ihn durch einen derben Stoß zu Boden, prellte aber durch dessen Heftigkeit selbst eine Ecke zurück und über Bord kopfüber ins Wasser. Zum Glück blieb er an einem Ende des Mastes hängen. Der gutherzige Jakob springt ihm zur Hilfe, zerarbeitet und zerquält sich, ihn heraufzuziehn, und fällt darüber selbst ins Meer. Der dabeistehende Matros läßt seinen Retter untersinken, ohn' einmal auf ihn hinzublicken. Kandide kommt herzu, sieht seinen Wohltäter mit den Wellen kämpfen und einen Augenblick darauf auf ewig von ihnen verschlungen. Er will ihm nach, Philosoph Panglos hält ihn zurück und beweist ihm, die Lissabonner Reede sei ausdrücklich dazu erschaffen worden, daß Wiedertäufer Schwezinger daselbst ertrinken mußte.
Indem er dies a priori bewies, barst das Schiff. Alles, was drauf war, kam um bis auf Panglosen, Kandiden und das Ungeheuer von Matrosen, der den tugendhaften Wiedertäufer hatte ertrinken lassen. Der Schurke schwamm glücklich ans Ufer, das Panglos und Kandide gleichfalls auf einer Planke erreichten.
Wie sie sich etwas erholt hatten, gingen sie auf Lissabon zu, in der Hoffnung, mit dem kleinen Überrest ihres Geldes sich vor dem Hunger zu bergen, nachdem sie glücklich dem Schiffbruch entronnen waren; unterwegs manche Träne über den Tod ihres Wohltäters vergießend.
Kaum hatten sie den Fuß in die Stadt gesetzt, so fühlten sie die Erde unter sich dröhnen, das Meer brauste im Hafen empor und zerschellte die vor Anker liegenden Schiffe. Feuer- und Aschenwirbel СКАЧАТЬ