Название: Aufzeichnungen eines Jägers
Автор: Иван Тургенев
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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Der Kreisarzt nahm mit wütender Gebärde eine Prise und blieb einen Augenblick lang starr.
»Indessen«, fuhr er fort, »ging es der Kranken am anderen Tag, gegen meine Erwartung, nicht besser. Ich überlegte und überlegte und entschloß mich plötzlich, zu bleiben, obwohl mich andere Patienten erwarteten . . . Sie wissen doch, man darf seine Patienten nicht negligieren, die Praxis leidet darunter. Erstens befand sich aber die Kranke wirklich in einem verzweifelten Zustand; und zweitens fühlte ich mich, offen gestanden, zu ihr stark hingezogen. Außerdem gefiel mir auch die ganze Familie. Die Leute waren zwar arm, aber doch von einer seltenen Bildung . . . Der Vater war ein gelehrter Mann und sogar Schriftsteller gewesen; er war natürlich arm gestorben, hatte aber seinen Kindern eine ausgezeichnete Erziehung gegeben, hatte auch viele Bücher hinterlassen. Kam es daher, weil ich mich mit besonderem Eifer um die Kranke bemühte, oder aus einem anderen Grunde, jedenfalls darf ich sagen, daß sie mich im Hause liebgewonnen hatten wie einen Verwandten. Die Wege waren indessen noch schlechter geworden, jede Kommunikation hatte sozusagen aufgehört; selbst die Arzneien konnte man nur mit großer Mühe aus der Stadt beschaffen . . . Der Kranken ging es nicht besser . . . Ein Tag verging nach dem anderen . . . Und da . . . da . . .«
Der Kreisarzt schwieg eine Weile.
»Ich weiß wirklich nicht wie ich es Ihnen sagen soll . . .« Er nahm wieder eine Prise, räusperte sich und trank einen Schluck Tee. »Ich will es Ihnen ohne Umschweife sagen, daß sich meine Patientin . . . in mich, wie man es so nennt . . . daß sie sich in mich verliebt hat . . . oder nein, eigentlich nicht verliebt . . . übrigens aber . . . wirklich . . .«
Der Kreisarzt senkte den Kopf und errötete.
»Nein«, fuhr er lebhaft fort, »von Verliebtheit war natürlich nicht die Rede! Jeder Mensch muß doch seinen Wert kennen. Sie war ein gebildetes, kluges und belesenes Mädchen, ich habe sogar mein Latein fast ganz vergessen. Und was das Äußere betrifft« – der Kreisarzt sah mich mit einem Lächeln an, »so kann ich damit wohl nicht prahlen. Aber als Dummkopf hat mich der liebe Gott auch nicht in die Welt gesetzt: Was weiß ist, werde ich nicht schwarz nennen; ich verstehe einiges von den Dingen. Ich hatte zum Beispiel sehr gut begriffen, daß Alexandra Andrejewna – keine Liebe zu mir empfand, sondern nur eine sozusagen freundschaftliche Zuneigung, eine Art Achtung. Es ist zwar möglich, daß sie sich selbst darin täuschte, aber sie befand sich in einer solchen Lage, Sie können es sich selbst denken . . . Übrigens«, fügte der Kreisarzt hinzu, der alle diese abgebrochenen Sätze in einem Atem und in sichtlicher Verwirrung gesprochen hatte, »ich bin, glaube ich, zu weit abgeschweift . . . So werden Sie nichts verstehen . . . gestatten Sie, daß ich Ihnen alles der Reihe nach erzähle.«
Er trank sein Glas Tee aus und fuhr mit ruhigerer Stimme fort.
»So war es also. Meiner Kranken ging es immer schlimmer und schlimmer. Sie sind kein Mediziner, verehrter Herr, und können nicht begreifen, was in der Seele unsereines vorgeht, besonders in der ersten Zeit, wenn wir zu merken anfangen, daß die Krankheit uns über den Kopf wächst. Wo bleibt dann unser Selbstvertrauen! Man verliert plötzlich jeden Mut. Man glaubt, alles vergessen zu haben, was man einmal gewußt hat, man glaubt, daß der Kranke kein Vertrauen mehr hat und daß auch die anderen schon unsere Ratlosigkeit merken, daß sie uns widerwillig die neuen Symptome mitteilen und uns scheel ansehen, daß sie miteinander tuscheln – mit einem Wort, es ist schlimm! Es gibt doch wohl eine Arznei, sagt man sich, gegen diese Krankheit, und es gilt nur, sie zu finden. Ist es vielleicht diese? Man macht den Versuch, nein, es ist nicht die richtige. Man läßt der Arznei keine Zeit, ordentlich zu wirken . . . bald greift man nach dieser, bald nach jener. Man nimmt das Rezeptbuch zur Hand und denkt sich, das richtige Mittel steht doch drin! Bei Gott, manchmal schlägt man das Buch aufs Geratewohl auf und denkt sich, vielleicht hilft das Schicksal . . . Der Mensch liegt indessen im Sterben; ein anderer Arzt könnte ihn sicher retten. Du sagst, es sei ein Konsilium nötig, du wollest die Verantwortung nicht allein tragen. So dumm schaust du aber in solchen Fällen aus! Doch mit der Zeit gewöhnst du dich daran, und es macht dir nichts. Der Kranke ist gestorben, es ist nicht deine Schuld, du bist nach allen Regeln vorgegangen. Noch qualvoller ist aber dieses: Du siehst das blinde Vertrauen, das man dir entgegenbringt, und fühlst dabei, daß du nicht helfen kannst. So ein Vertrauen setzte eben die ganze Familie Alexandra Andrejewnas auf mich: Sie hatten ganz vergessen, daß ihre Tochter in Lebensgefahr schwebte. Ich suche sie auch meinerseits zu überzeugen, daß es nichts Ernstes sei, aber das Herz krampfte sich mir vor Gram zusammen. Um das Unglück voll zu machen, waren die Wege so schlecht geworden, daß der Kutscher mit den Arzneien oft ganze Tage ausblieb. Ich verlasse das Krankenzimmer nicht, kann mich von ihr nicht losreißen, erzähle ihr, wissen Sie, allerlei lustige Anekdoten, spiele Karten mit ihr. Durchwache ganze Nächte. Die Alte dankt mir mit Tränen in den Augen, ich aber denke mir: Ich verdiene diesen Dank nicht. Ich gestehe es Ihnen offen, jetzt brauche ich es nicht mehr zu verheimlichen – ich verliebte mich in meine Kranke. Auch Alexandra Andrejewna hing an mir; außer mir ließ sie niemand zu sich ins Zimmer. Sie spricht mit mir, fragt mich aus, wo ich studiert СКАЧАТЬ