Im Hause des Commerzienrates. Eugenie Marlitt
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Название: Im Hause des Commerzienrates

Автор: Eugenie Marlitt

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ und blühte es wonnig; da dufteten Maiblumen und köstliche Bouquets von Parmaveilchen zu Füßen der mächtigen Drachenbäume, des dunklen Lorbeer und der prachtvollen Decoration von silbergestreiften, metallisch glänzenden Blattpflanzen. Dieses herrliche Pflanzenbild wurde umrahmt und gleichsam in einzelne Felder getheilt durch eine Art von Blumenornamentik. Um die Säulen rankte sich die Clematis und behing die schlanken Schäfte bis hinauf in das feingebogene Rund mit weißen und lilablauen Blüthen.

      Zwischen den zwei Säulen, die einen Mittelweg in das Zimmer freiließen, stand Flora. Sie war noch in der Straßentoilette und augenscheinlich im Begriff, das Zimmer zu verlassen. Hoch hinter ihrem federgeschmückten Haupt wölbte der Springbrunnen des Wintergartens seine glitzernde Kuppel. Mit der behandschuhten Rechten hob die schöne Dame das schwere kastanienbraune Sammetkleid, dem das schräg hereinfallende Abendlicht schwachgoldige Reflexe entlockte, ein wenig über den Fuß, die unbedeckte Linke aber legte sich anmuthig stützend an die Säule, weiß und zart wie die danebenhängende Clematisblüthe.

      Beim Eintreten des hochgewachsenen Mädchens öffnete sie zuerst ihre graublauen Augen weit vor Erstaunen, aber auch ebenso rasch kniff sie die Lider zu einem blinzelnd prüfenden Blick zusammen, wobei ein sarkastisches Lächeln um ihre Lippen huschte.

      „Nun rathe, Flora, wen ich da bringe!“ rief der Commerzienrath.

      „Da brauche ich mir nicht lange den Kopf zu zerbrechen – das ist Käthe, die sich allein auf den Weg gemacht hat,“ versetzte sie in ihrer eigenthümlich nachlässigen und doch so überaus bestimmten Art und Weise. „Wer die alte Sommer gekannt hat, der weiß, daß das stämmige Mädchen da mit dem weiß und rothen Apfelgesicht ihre Enkelin sein muß, Augen und Haar aber hat sie frappant wie Clotilde, Deine verstorbene Frau, Moritz.“

      Mit einer geschmeidigen Bewegung löste sie sich gleichsam aus dem Blumenrahmen, trat auf die Schwester zu, und den Kopf in den Nacken zurückbiegend, bot sie ihr die Lippen zum Kuß. Ja, das war noch immer die unvergleichlich schöne Flora, aber das langjährige Herrscherthum über die Herzen hatte die weibliche Grazie von ihrer Ausdrucksweise genommen. Ebenso nachlässig wie bei dem kühlen Begrüßungskuß nach sechsjähriger Trennung, war ihr Wesen dem mit eingetretenen Doctor gegenüber. „Grüß Gott, Bruck!“ sagte sie und reichte ihm die Rechte, aber nicht wie eine Braut, sondern wie ein College dem anderen. Er erfaßte die Hand mit leichtem Druck und ließ es ruhig geschehen, daß sie sofort wieder zurückgezogen wurde.

      Diese äußere Zurückhaltung zwischen dem Brautpaar schien sich von selbst zu verstehen. Flora wandte unbefangen den Kopf nach dem Wintergarten zurück. „Großmama,“ rief sie mit lächelndem Spott in ihren geistreichen Zügen, „unser Goldfisch macht Dir und Deinen Bekannten die Freude, sich vier Wochen früher anstaunen zu lassen.“

      Die Präsidentin war bereits bei Flora’s ersten Worten hinter einer Camelliengruppe hervorgetreten. Ohne daß sie es vielleicht selbst wußte, hatte sie die Angekommene mit jener Spannung gemustert, welche die meisten Menschen einem sogenannten Glückskind gegenüber an den Tag legen. Flora’s boshaft übermüthiger Zuruf machte diesen Ausdruck sofort verschwinden. Die alte Dame zog unwillig die Brauen zusammen, und ein feines Roth der Verlegenheit flog über ihr bleiches Gesicht hin. „Ich erinnere mich nicht, ein so auffälliges Interesse gerade für jene Eigenschaft Deiner Schwester gezeigt zu haben,“ sagte sie kühl und mit einem streng verweisenden Blick. „Wenn ich[60] mich über Käthe’s Kommen freue und sie freundlich willkommen heiße, so geschieht das, weil sie meines lieben verstorbenen Mangold Kind und Eure Schwester ist.“

      Sie ging mit gehobenen Händen auf Käthe zu, als beabsichtige sie eine Umarmung; allein diese verbeugte sich so tief und ceremoniell, als stehe sie zum ersten Mal in ihrem Leben vor der stolzen Schwiegermutter ihres Vaters. Ein scharfer Blick hätte in dieser einen Geberde leicht das scheue Zurückweichen vor jeglicher Berührung erkannt, die Präsidentin aber sah darin offenbar nur das Anzeichen eines tiefen Respectes. Sie zog die Hände zurück und hauchte einen Kuß auf die Stirn des jungen Mädchens. „Bist Du wirklich allein gekommen?“ fragte sie, ihre Augen suchten unruhig forschend die Thür, als müsse noch irgend eine nicht gerade willkommene Reisebegleitung eintreten.

      „Ganz allein. Ich wollte auch einmal selbstständig meine Flügel probiren, und das hat meine Doctorin gern erlaubt.“ Sie strich noch einmal wie unbewußt mit den schlanken Fingern über die Stelle, welche die alte Dame mit ihren kalten Lippen berührt hatte.

      „Ei, das glaube ich Dir gern; das ist ja ganz im Sinne der alten Lukas,“ sagte die Präsidentin mit einem ganz leisen, ironischen Lächeln. „Sie war ja auch stets sehr selbstständig … Dein guter Papa hatte sie ein ganz klein wenig verzogen, mein Kind. Sie that, was ihr gefiel; selbstverständlich immer nur das Rechte –“

      „Und das Verständige; aus dem Grunde mag ihr wohl auch der Papa seine jüngste wilde Hummel anvertraut haben,“ setzte Käthe mit jener heiteren Unbefangenheit hinzu, die ihr ganzes Wesen charakterisirte. Aber gerade dieser Freimuth, diese Leichtigkeit und Sicherheit schienen unangenehm zu berühren.

      Die Präsidentin zog die Schultern leicht empor. „Dein Papa hat sicher Dein Bestes gewollt, liebe Käthe, und meine Sache ist es nie gewesen, irgend eine seiner Maßregeln zu bemäkeln. Aber er war eine vornehme Natur und hielt streng auf das Decorum – ob es ihn nun doch nicht einigermaßen in Verlegenheit gebracht hätte, wenn ihm sein heiteres Töchterchen plötzlich so sans gêne, so frank und frei in das Haus geflattert wäre?“

      „Wer weiß?“ versetzte Käthe. „Der Papa würde doch wissen, weß Geistes Kind diese Tochter ist“ – ein muthwilliger Strahl blitzte aus ihren braunen Augen – „Müllerblut, das schlägt sich tapfer und wohlgemuth durch die Welt, Frau Präsidentin.“

      Der Commerzienrath räusperte sich und strich eifrig seinen schönen Lippenbart, während die Präsidentin so betreten aussah, als habe unvermuthet ein allzukräftiger Luftzug ihr vornehmes Gesicht angeblasen, Flora aber brach in ein helles Gelächter aus. „Kind Gottes, Du bist kostbar naiv,“ rief sie, die Hände zusammenschlagend. „Ja, ja: ‚Das Wandern ist des Müllers Lust, das Wandern,‘“ recitirte sie. „Mit einer solchen Aeußerung müßte unser Jüngstes nächstens in Moritzens großer Soirée debütiren, Großmama; da würden sie die Ohren spitzen!“ Sie blinzelte die alte Dame schadenfroh an, die jedoch ihr Gleichgewicht schon wieder gefunden hatte.

      „Ich vertraue dem angeborenen Tact Deiner Schwester, mein Kind,“ sagte sie, ihre Hand nebenbei nun auch dem Doctor zur Begrüßung hinstreckend. Dazu lächelte sie mit jenem feinen Zusammenziehen der Lippen, das nur einen Schein der Zahnspitzen sehen ließ und von welchem man nie wußte, ob es süß oder sauer war.

      „Tact, Tact – der wird viel helfen,“ wiederholte Flora, den Kopf spöttisch wiegend. „Die Müllerreminiscenz ist ihr genau ebenso angeboren. Die gute Lukas hat es eben nicht verstanden, ihr ein wenig Weltklugheit einzupauken – da fehlt’s. Uebrigens bin ich wirklich froh, daß Du allein gekommen bist, Käthe; ich hoffe, es wird sich so besser mit Dir leben lassen, als wenn Du am Rock Deiner alten hausbackenen Gouvernante hängst.“

      Käthe hatte das Barett abgenommen; die schwüle Blumenluft trieb ihr das Blut heiß in die Wangen. Jetzt, mit der dicken, goldbraunen Haarflechte über der Stirn, sah sie noch größer aus.

      „Hausbacken? Meine Doctorin?“ rief sie lebhaft. „Eine poesievollere Frau läßt sich nicht denken.“

      „Ei, was Du sagst! Sie schwärmt wohl den Mond an, schreibt empfindsame Verse ab, etc. Oder dichtet sie gar selbst? Wie?“

      Das junge Mädchen richtete die glänzenden Augen mit klugem Blicke auf das Gesicht der Spötterin. „Verse nicht, aber die Manuscripte ihres Mannes schreibt sie ab, weil die Setzer der medicinischen Zeitschrift seine wunderlichen Krakelfüße absolut nicht entziffern können,“ sagte sie nach einem kurzen СКАЧАТЬ