Название: Im Hause des Commerzienrates
Автор: Eugenie Marlitt
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
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„Nein, Tante!“ Das klang aufrichtig und beruhigend, aber auch kurz abbrechend – der Commerzienrath hatte es ja gesagt, Bruck sprach nie über seinen Beruf und dessen Vorkommnisse. „Wie mich dieses Zimmer anheimelt, trotz seiner verdunkelten Wände!“ sagte er, und die Hände auf dem Rücken gekreuzt, wandelte er mit musterndem Blicke langsam nur den Tisch. „Der Friede der selbstlosen Frauenseele weht Einen an – das ist’s auch, weshalb ich so gern heimgehe in unser Stillleben mit den einfachen Möbeln und Deinem geräuschlosen Walten, Tante. Ich werde viel hier sein –“
Die alte Frau lachte. „Ja, ja, bis zu einem gewissen Junitage,“ versetzte sie schelmisch. „Zu Pfingsten wird Deine Hochzeit sein.“
„Am zweiten Pfingsttage.“ Wie seltsam er das aussprach, so kalt und fest, so unerbittlich – der ließ sich nicht eine Secunde von der festgesetzten Stunde abdingen. Käthe fühlte etwas, wie einen Angstschauer. Sie hielt den Athem zurück; nun durfte sie sich gar nicht sehen lassen. Von Minute zu Minute hoffte sie, daß der Doctor in sein Zimmer gehen werde, dann konnte sie leicht ihren hohen Standpunkt verlassen und hinausschlüpfen, ohne ihm begegnen zu müssen. Ihre ganze Natur empörte sich gegen dieses unfreiwillige Lauschen. Aber statt zu gehen, blieb er plötzlich am Tische stehen und nahm einen Brief zur Hand, der zwischen verschiedenen, noch nicht geordneten Bücherstößen lag.
Die Tante machte eine unwillkürliche Bewegung, als wolle sie ihn verhindern, zu lesen; ihr zartes Gesicht war sehr roth geworden. „Ach Gott, wie vergeßlich wird doch so ein alter Kopf!“ klagte sie. „Der Brief wurde vor einigen Stunden aus der Stadt mitgebracht. Er ist vom Kaufmanne Lenz; heute sollte er gar nicht in Deine Hände kommen, und nun habe ich ihn doch liegen lassen. Ich glaube, er enthält das Honorar – zu so ungewöhnlicher Zeit, Leo – ich fürchte –“
Der Doctor hatte das Couvert bereits erbrochen und überflog die Zeilen. „Ja, auch er lohnt mich ab,“ sagte er ruhig und warf den Brief und etwas Papiergeld auf den Tisch. „Grämst Du Dich darüber, Tante?“
„Ich? Nicht einen Augenblick, Leo, wenn ich weiß, daß Du Dir die Undankbarkeit dieser urtheilslosen Menschen nicht zu Herzen nimmst. … Ich glaube unerschütterlich an Dich und Deine Kunst und – an Deinen Stern,“ sagte die sanfte Frauenstimme warm und überzeugungsfroh. „Die Steine, die Mißgeschick und Uebelwollen Dir zeitweilig unter die Füße werfen, beirren mich nicht – Du machst Deinen Weg.“ Sie zeigte in die offene Thür des Eckzimmers. „Sieh’ Dir Dein Stübchen an! Wie ungestört und unbehelligt wirst Du hier denken und arbeiten können! Ach, und wie freue ich mich der Zeit, die wir noch traulich zusammenleben werden, wo ich noch für Dich sorgen darf –“
„Ja, Tante – aber die Einschränkungen, die Du in Folge des mißlichen Umschwungs meiner Verhältnisse während der letzten Monate allmählich eingeführt hast, müssen aufhören. Ich leide nicht mehr, daß Du stundenlang auf dem kalten Steinfußboden der Küche stehst. Wenn möglich, rufst Du noch heute unsere alte Köchin zurück. Du kannst das unbesorgt.“ Er griff in die Brusttasche, nahm eine schwere Börse heraus – sie strotzte von Goldstücken – und schüttete ihren Inhalt auf den Tisch.
Die alte Frau schlug stumm und in freudiger Ueberraschung die Hände zusammen über das rollende Gold auf ihrer einfachen Tischdecke.
„Es ist ein einziges Honorar, Tante,“ sagte er mit hörbarer Genugthuung. „Die schwere Zeit ist vorüber.“ Bei diesen Worten wandte er sich ab und trat auf die Schwelle des Eckzimmers.
Man sah, die Tante hatte Manches auf dem Herzen, aber sie fragte mit keiner Silbe, welcher Cur und welchem Patienten er diese große Geldsumme verdanke.
Käthe benutzte den günstigen Moment, um die Leiter hinabzugleiten. Wie schlug ihr das Herz, wie brannten ihre Wangen vor Beschämung darüber, daß sie diese intimen Erörterungen mit angehört hatte! Dort die Thür führte direct in den Flur. Da hinaus konnte sie unbemerkt entkommen; selbst die Tante Diaconus sollte glauben, sie habe längst das Schlafzimmer verlassen und kein Wort von Allem gehört, was gesprochen worden. Verstohlen flog ihr Blick hinüber in das Eckzimmer, wo die Beiden eben an den Schreibtisch traten. In diesem Augenblicke hörte sie den Doctor sagen: „Sieh da, die ersten Frühlingsblumen! Hast Du gewußt, daß ich die hübschen blauen Blümchen so gern habe?“
Ein Ausruf des Staunens unterbrach ihn. „Ich nicht, Leo – Käthchen, Deine junge Schwägerin, hat die Blumen in das Glas gestellt. … Nein, bin ich zerstreut und vergeßlich!“ Die alte Dame eilte herüber, aber schon drückte Käthe draußen die Thür hinter sich zu und schlüpfte durch den Flur in’s Freie.
Nun ging sie langsam und beruhigt unter den Fenstern hin. Durch die nächsten schimmerten schwach die bunten Bouquets der schief und unvollendet herabhängenden Bettgardine; dann kam sie zu den zwei Fenstern mit den hübschen Filetvorhängen im Zimmer der Tante. Ein Fensterflügel stand offen, und der Hyacinthen- und Narcissenduft wehte heraus. Plötzlich schob eine schöne kräftige Männerhand ein weißes Glas mit blauen Blumen auf den Sims, zwischen die Töpfe; es war ihr kleiner Frühlingsstrauß, den der Doctor von seinem Schreibtische entfernte und hierher brachte.
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