Название: Wilhelm Meisters Wanderjahre — Band 3
Автор: Johann Wolfgang von Goethe
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Ich betrachtete nun sorgfältig das Aufwinden. Zu diesem Zweck läßt man die Gänge des Zettels nach der Ordnung durch einen großen Kamm laufen, der eben die Breite des Weberbaums hat, auf welchen aufgewunden werden soll; dieser ist mit einem Einschnitt versehen, worin ein rundes Stäbchen liegt, welches durch das Ende des Zettels durchgesteckt und in dem Einschnitt befestigt wird. Ein kleiner Junge oder Mädchen sitzt unter dem Weberstuhle und hält den Strang des Zettels stark an, während die Weberin den Weberbaurn an einem Hebel gewaltsam umdreht und zugleich achtgibt, daß alles in der Ordnung zu liegen komme. Wenn alles aufgewunden ist, so werden durch die Rispe ein runder und zwei flache Stäbe, Schienen, gestoßen, damit sie sich halte, und nun beginnt das Eindrehen.
Vom alten Gewebe ist noch etwa eine Viertelelle am zweiten Weberbaum übriggeblieben, und von diesem laufen etwa drei Viertelellen lang die Fäden durch das Blatt in der Lade sowohl als durch die Flügel des Geschirrs. An diese Fäden nun dreht die Weberin die Fäden des neuen Zettels, einen um den andern, sorgfältig an, und wenn sie fertig ist, wird alles Angedrehte auf einmal durchgezogen, so daß die neuen Fäden bis an den noch leeren vordern Weberbaum reichen; die abgerissenen Fäden werden angeknüpft, der Eintrag auf kleine Spulen gewunden, wie sie ins Weberschiffchen passen, und die letzte Vorbereitung zum Weben gemacht, nämlich geschlichtet.
So lang der Weberstuhl ist, wird der Zettel mit einem Leimwasser, aus Handschuhleder bereitet, vermittelst eingetauchter Bürsten durch und durch angefeuchtet, sodann werden die obengedachten Schienen, die das Gerispe halten, zurückgezogen, alle Fäden aufs genaueste in Ordnung gelegt und alles so lange mit einem an einen Stab gebundenen Gänseflügel gefächelt, bis es trocken ist, und nun kann das Weben begonnen und fortgesetzt werden, bis es wieder nötig wird zu schlichten.
Das Schlichten und Fächeln ist gewöhnlich jungen Leuten überlassen, welche zu dem Webergeschäft herangezogen werden, oder in der Muße der Winterabende leistet ein Bruder oder ein Liebhaber der hübschen Weberin diesen Dienst, oder diese machen wenigstens die kleinen Spülchen mit dem Eintragsgarn.
Feine Musseline werden naß gewebt, nämlich der Strang des Einschlagegarns wird in Leimwasser getaucht, noch naß auf die kleinen Spulen gewunden und sogleich verarbeitet, wodurch sich das Gewebe gleicher schlagen läßt und klarer erscheint.
Donnerstag, den 18. September.
Ich fand überhaupt etwas Geschäftiges, unbeschreiblich Belebtes, Häusliches, Friedliches in dem ganzen Zustand einer solchen Weberstube; mehrere Stühle waren in Bewegung, da gingen noch Spinn — und Spulräder, und am Ofen die Alten mit den besuchenden Nachbarn oder Bekannten sitzend und trauliche Gespräche führend.
Zwischendurch ließ sich wohl auch Gesang hören, meistens Ambrosius Lobwassers vierstimmige Psalmen, seltener weltliche Lieder; dann bricht auch wohl ein fröhlich schallendes Gelächter der Mädchen aus, wenn Vetter Jakob einen witzigen Einfall gesagt hat.
Eine recht flinke und zugleich fleißige Weberin kann, wenn sie Hülfe hat, allenfalls in einer Woche ein Stück von 32 Ellen nicht gar zu feine Musseline zustande bringen; es ist aber sehr selten, und bei einigen Hausgeschäften ist solches gewöhnlich die Arbeit von vierzehn Tagen.
Die Schönheit des Gewebes hängt vom gleichen Auftreten des Webegeschirres ab, vom gleichen Schlag der Lade, wie auch davon, ob der Eintrag naß oder trocken geschieht. Völlig egale und zugleich kräftige Anspannung trägt ebenfalls bei, zu welchem Ende die Weberin feiner baumwollener Tücher einen schweren Stein an den Nagel des vordern Weberbaums hängt. Wenn während der Arbeit das Gewebe kräftig angespannt wird (das Kunstwort heißt dämmen), so verlängert es sich merklich, auf 32 Ellen 3/4 und auf 64 etwa 1 1/2 Elle; dieser überschuß nun gehört der Weberin, wird ihr extra bezahlt, oder sie hebt sich's zu Halstüchern, Schürzen usw. auf.
In der klarsten, sanftesten Mondnacht, wie sie nur in hohen Gebirgszügen obwaltet, saß die Familie mit ihren Gästen vor der Haustüre im lebhaftesten Gespräch, Lenardo in tiefen Gedanken. Schon unter allem dem Weben und Wirken und so manchen handwerklichen Betrachtungen und Bemerkungen war ihm jener von Freund Wilhelm zu seiner Beruhigung geschriebene Brief wieder ins Gedächtnis gekommen. Die Worte, die er so oft gelesen, die Zeilen, die er mehrmals angeschaut, stellten sich wieder seinem innern Sinne dar. Und wie eine Lieblingsmelodie, ehe wir uns versehen, auf einmal dem tiefsten Gehör leise hervortritt, so wiederholte sich jene zarte Mitteilung in der stillen, sich selbst angehörigen Seele.
"Häuslicher Zustand, auf Frömmigkeit gegründet, durch Fleiß und Ordnung belebt und erhalten, nicht zu eng, nicht zu weit, im glücklichsten Verhältnis der Pflichten zu den Fähigkeiten und Kräften. Um sie her bewegt sich ein Kreislauf von Handarbeitenden im reinsten, anfänglichsten Sinne; hier ist Beschränktheit und Wirkung in die Ferne, Umsicht und Mäßigung, Unschuld und Tätigkeit."
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