Rittmeister Brand; Bertram Vogelweid. Marie von Ebner-Eschenbach
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СКАЧАТЬ Worte wirkten wie ein Petroleumguß in glimmendes Feuer. Sie richtete sich auf, sie rückte näher zu ihm und brach flammend und hochathmend in einen Hymnus des Lobes aus. Rittmeister Brand war mehr als liebenswürdig und berühmt, er war einzig. Er kannte sein Geschlecht. O, und sie ebenfalls, wenn auch nur in einem Exemplar, in dem freilich die Fehlerhaftigkeit de tout le genre masculin vertreten war. O, wenn er ahnen könnte! wenn er wüßte …

      Ein diskretes Klopfen an der Thür unterbrach sie.

      Fräulein Julie zeigte sich, sie trug ein Karton unter dem Arme und meldete, die Fürstin A. habe sich für den Nachmittag ansagen lassen und da mußte Madame doch bestimmen, ob die heutige Sendung Sophie Müllers sogleich oder erst zuletzt vorgezeigt werden solle. Mit zierlichst gerundeten Handbewegungen entnahm sie dem eleganten Behältnisse nach einander vier Hüte und stellte sie auf Haubenstöckchen vor die Gebieterin hin:

      Nein, das waren wieder Sachen! Sachen! Nicht eines dieser »Huterln« würde auch nur einen Tag alt werden im Salon. Die Fürstin A. würde gewiß zwei Stück nehmen und Prinzessin B. die andern zwei; sie waren wie geboren für die beiden Damen, und nur auf ihren Häuptern wollte Fräulein Julie sie sehen. Der Baronin C. dürften sie gar nicht vor Augen kommen, die kauft sonst den wirklichen Damen alle vier auf einmal weg.

      Amélie prüfte jeden einzelnen Hut genau: »Ja, Madame Müller ist erstaunlich, sie übertrifft sich bei jeder neuen Leistung. Was für Ideen sie hat! Sehen Sie nur, Mr. Brand, wie die Aigrette auf diesem Spitzenhut placirt ist. Welche Grazie und welcher Geschmack in der Wahl der Farben, eine hebt die andere, und keine schlägt die andere. Den Hut verkaufen wir als Modell.«

      »So schön! so schön!« fiel Julie ein, »und diese Nettigkeit! Alles wie aus dem Ei geschält.«

      Brand blieb stumm und betrachtete die Hüte mit tief innerlichster Rührung. Dieses schimmernde, phantastische, kostbare Zeug hat der Mangel geschaffen, die Armuth hat es gemacht für den übermüthigsten Luxus. Die Schönheit dieses Zeuges ist wie Hauch, einige Regentropfen vernichten sie. Und dafür den Schlaf der Nächte, das Licht der Augen … Dafür!

      Wieder wurde geklopft und angezeigt, daß der Wagen der Fürstin vorgefahren sei. Fräulein Julie raffte hastig ihre Waaren zusammen und eilte in den Salon.

      Madame Amélie und Brand waren zugleich aufgestanden. Er verabschiedete sich sehr bewegt und sagte: »Der Wittwe meines Freundes muß geholfen werden. Helfen Sie mir helfen. Über das wie müssen wir uns berathen. Wann darf ich wiederkommen?«

      »Kommen Sie morgen,« sprach sie huldvoll.

      IX

      Am selben Nachmittage lief Peter zu seiner Magdalena hinüber. Er hatte es sehr eilig, blieb aber doch einen Augenblick in Bewunderung vor dem breiten »hauchrein« geputzten Auslagenfenster des Ladens stehen. Wie köstlich sah der heute wieder aus, in seinem Reisig- und Blumenschmuck! Ein zierliches Gärtlein, in dem Schinken, geräucherte Zungen und Fische und allerhand Pasteten wuchsen. Auf der Marmorplatte im Fenster erhoben sich zwischen üppigen Hortensienstöckchen die appetitlichsten Wurstpyramiden, schimmerten rothe und gelbe Aspicrotunden. Hinter der frischlackirten Tafel, neben der großen Wage, deren Schüsseln wie Gold glänzten, prangte sie, die Herrin, in ihrem unverwüstlich jugendlichen Flor. Ihr Häubchen schien mit Schneeflocken garnirt, ihr kurzärmeliges Kleid und ihre Wangen hatten die selbe Centifolienrosenfarbe. Der Latz der weißen, mit einem Spitzenstreifen besetzten Schürze bedeckte die mächtige Brust, warf nicht eine Falte, hatte nicht das kleinste Flecklein. Frau Magdalena zerlegte eben mit spielender Meisterschaft ein junges, fettes Huhn.

      Ein Herr, der vorüberging, warf einen Blick in den Laden, lächelte und sagte: »Zum Hineinbeißen!«

      Peter sah ihn unwirsch an; er wußte nicht, ob das Huhn gemeint sei oder die Frau, rasch trat er ein und befahl ihr, verdrießlich wie Einer, der gerade einen kleinen Anfall von Eifersucht gehabt hat, das Huhn auf einem Teller anzurichten.

      »Das thu’ ich ohnehin«, sagte sie, »es gehört für den Hofrath im zweiten Stock.«

      Peter schüttelte den Kopf: »Wird nicht gehen: dem Hofrath giebst ein anderes, das da nehm’ ich gleich mit für meinen Herrn Rittmeister, der heute vergessen hat, ins Gasthaus zu gehen.«

      »Was? Vergessen! Der was vergessen, das ist ja wie wenn die Uhr am Stephansthurm stehen geblieben wär.« Sie hatte das Huhn schon auf ein Schüsselchen gelegt, umgab es mit Rauten aus Aspic, verzierte es geschmackvoll mit kleinen Bouquets aus Petersilie, stellte das Ganze auf eine vor Neuheit schimmernde Serviette und hielt ihrem Manne die zusammengefalteten Enden hin. Statt diese zu ergreifen, trat Peter hinter die Pudel, gab der Gemahlin einen nachdrücklichen Kuß auf die Lippen, einen zweiten mitten in die blonden Löckchen hinein, die sich ihr übermüthig im Nacken kräuselten, und dachte: Teufel, Teufel, ich hab das Frauenzimmer alle Tage lieber!

      »Wieso hat er denn vergessen ins Gasthaus zu gehen?«

      Ja, Peter würde es sagen, wenn er’s wüßte. Der Herr kam nach Hause um eine halbe Stunde früher als sonst und: »Ich seh’ ihm’s gleich an, daß er noch nicht gespeist hat.«

      »Was Du ihm nicht Alles ansiehst!«

      »Natürlich, was ich ihm nicht Alles anseh’. Auch gleich, daß er nicht zugeben will, daß er vergessen hat, und wie ich sag’: »Haben denn gespeist?« sagt er: »Esse heute nicht; bring Thee und Cigarretten.« Den Speisezettel kenn’ ich von damals, wo er verliebt gewesen ist. Ich hab’ aber immer etwas dazu gegeben, und er hat’s hinunter geschlungen in der Zerstreutheit.«

      Peter lief davon, und seine Frau rief ihm nach: »Du, zum Hinunterschlingen hätt’s ein mageres Hendel auch gethan. Verliebt, der alte Brand?« Es kam ihr unglaublich lächerlich vor. Aber, dachte sie, so übel wär’s am End’ nicht, vielleicht thät’ er sich dann weniger hineinmischen in der Erziehung von meinem Peterl.

      Und wirklich kümmerte sich Brand in den nächsten Tagen ein bißchen weniger um Peterls physisches und moralisches Wohlergehen. Seine Gedanken waren augenscheinlich von etwas Bezwingendem erfüllt, das ihn manchmal erheiternd, manchmal betrübend, immer aber völlig in Anspruch nahm. Er machte auch sehr oft Besuche, zu denen er sich aufs Feinste kleidete. Peter war nicht der Mann, der seinem Herrn nachspürte, zur Spionage erniedrigte er sich nicht, aber seines Verstandes, seines Scharfsinns konnte er sich nicht entäußern, die Fähigkeit, richtige Schlüsse zu ziehen, konnte er nicht plötzlich los werden. An dem Tage, an dem er mit einem prachtvollen Bouquet zu Madame Amélie geschickt wurde, wußte er Alles.

      Daß es eine marchande de modes war, kränkte ihn tief, das sagte er nicht einmal seiner Magdalena.

      Der Verdacht Peter Peters’ war nicht unbegründet; sein Herr ging wirklich auf Eroberung aus. Aber nicht Liebe wollte er gewinnen, sondern Vertrauen, und errang es auch in einem Maße, das seine Erwartungen und sogar seine Wünsche überstieg. Madame Amélie machte ihn mit ihrem Lebenslauf bekannt und schüttete ihr ganzes, übervolles Herz vor ihm aus.

      Sie stammte aus einer guten Pariser Familie, hatte in früher Jugend ihre Eltern und später dann durch die Unredlichkeit eines Verwandten ihr Vermögen verloren. Eine alte, alleinstehende Tante, Madame Justine Vernon, die in Wien ein einträgliches Modengeschäft führte, erbarmte sich ihrer Verlassenheit und nahm sie zu sich. Und nun kam das Talent zur Entfaltung, dem Amélie ihre späteren Erfolge verdanken sollte. Ein Talent, das sie, genau wie diese liebe Madame Müllér, ahnungslos besessen hatte, bis äußere Verhältnisse die schlummernde Gottesgabe in ihr weckten. Sehr bald zeigte sich, daß die Thätigkeit, die ihr aufgezwungen worden, eine ihren Anlagen und Fähigkeiten völlig zusagende war. Sie ging aber auch in ihr auf. Sie trat nach dem Tode Madame Vernons an die Spitze des Hauses, erweiterte das Geschäft zu einer Putzwaaren- und Konfektionshandlung, СКАЧАТЬ