Название: Rittmeister Brand; Bertram Vogelweid
Автор: Marie von Ebner-Eschenbach
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Die Verwundung Dietrichs erwies sich als eine schwere; lange Zeit verging, ehe er die volle Gesundheit wieder erlangte.
Den Titel, dessen er sich entäußert, erhielt ihm die Tradition. Die Erinnerung an seine ehrenvolle Dienstzeit, an die Beliebtheit, die er genossen hatte, blieb unvergessen, und er, trotz all’ seines Protestirens, Verbietens und Verbittens, für Jeden, der ihn in früheren Jahren gekannt und in späteren von ihm gehört hatte: der Rittmeister Brand.
V
Gescheitert, wie Robinson, richtete er sich auf seiner Insel ein. Er änderte, als Feind der halben Maßregeln, seine Lebensweise aus dem Grunde, verschenkte seine Pferde, seine Waffen an arme, einstige Kameraden, zog nach der Stadt und vegetirte dort wie ein pensionirter Hofrath. Er mied die Kaffeehäuser, in denen Offiziere verkehrten, machte große Spaziergänge, besuchte Museen, Kunstausstellungen, Concerte, Theater und populäre Vorlesungen. Er holte manches nach, was ihm an litterarischer Bildung fehlte, las die Klassiker, las auch moderne Poeten, konnte sich erfreuen an einem schönen Buch, einem schönen Bildwerk und an guter Musik. Diese wohlthuenden Eindrücke gingen aber nicht tief; hinter der flüchtigen Wärme und dem Interesse, die sie erregten, schauerte es kalt, gähnte die Leere.
Der Zeit wilder Aufregung war eine unausbleibliche Reaktion gefolgt. Brand hatte einem gebieterischen Müssen gehorcht, als er Alles hingab, was den besten Inhalt seines Daseins ausmachte, um einen Verbrecher bestrafen zu können. Er hatte nicht rechts noch links geschaut, nur nach dem einen, einzigen Ziele hin; nicht gefragt: wenn es erreicht sein wird, was dann? Und als dieses »dann« zur Gegenwart wurde, erschien sie ihm recht öde, nutzlos und armselig, und der Blick in die Zukunft wie ein Blick ins Grab.
Die Wohnung, die er für sich und für seinen ehemaligen Privatdiener gemiethet hatte, lag im zweiten Stock eines schönen Hauses der Rathhausstraße, war hell und freundlich und zeichnete sich durch die höchste, eine wahrhaft erfinderische Reinlichkeit aus. Wer die drei Zimmer durchschritt, aus denen sie bestand, brauchte keinen besondern Scharfsinn, um zu erkennen: hier haust ein einfacher und solider Mann, der eine Vorliebe hat für mattgeschliffenes Nußholz und für die grüne Farbe.
Zwischen der Thür, die aus dem conventionell ausgestatteten Salon herein führte und dem ersten Fenster links, ragte ein hoher Bücherschrank fast bis zur Decke, und die Bücher darin waren nett gebunden und sorgfältig eingereiht. Dem Bücherschrank gegenüber, zwischen dem zweiten Fenster und der Thür des Schlafzimmers, machte sich ein großer Schreibtisch breit; ein Strohsessel mit runder, niederer Lehne stand vor ihm, und über ihm hingen zwei schöne Kupferstiche: Erzherzog Carl, nach dem Gemälde von Kellerhoven, und Laudon, nach L’Allemands prächtigem Reiterbilde.
Die Längswand wurde zur Hälfte von einer großen Ottomane, eine der Ecken von einem Kachelofen eingenommen, der in sanftem Maigrün schimmerte, die andere von einer Etagère mit Rauchrequisiten, Alles gediegen, lauter brave Arbeit von tüchtigen Handwerkern, natürlich auch der Tisch, die Fauteuils und die Stühle, die mit der Ottomane zusammen eine Familie bildeten. Sie wieder hatte ein würdiges vis-à-vis in der zwischen den Fenstern angebrachten Konsole, der Trägerin einer vortrefflichen, altdeutschen Uhr.
Neben ihr standen zwei Armleuchter aus Messing. Das mattfarbige und weichliche Silber wird in Brands Haushaltung nur in Gestalt von Eßbestecken geduldet. Wohl verpackt steht der Schatz an schönem Silbergeräth, der von seinen Eltern und Großeltern herstammt, im Schranke und wird auf Dietrichs nicht gerade lachende, aber auch nicht weinende Erben übergehen, entfernte, wohlhabende Verwandte. Mit Fug und Recht darf er sich sagen, daß sein Tod keinem seiner sogenannten Angehörigen eine Stunde trüben oder erheitern wird. Und dessen freut er sich. Wo er gleichgültig ist, will er auch gleichgültig lassen. Das Ärgste wäre ihm, in der Schuld eines Anderen zu stehen, ob sich’s nun um Gulden handelt oder um liebevolle Empfindungen.
Es war an einem heißen Mainachmittag des Jahres 1890, und Brand eben aus dem Restaurant zurückgekommen, in dem er seine einfache Mahlzeit einzunehmen pflegte. Die Sonne brannte mit sommerlichen Gluthen zur Erde nieder und machte jedes Fenster, das sie beschien, zu einem Brennspiegel, und jeden Pflasterstein zu einem kleinen Ofen.
Mit Behagen empfand der Heimgekehrte den Kontrast zwischen der drückenden Schwüle, dem grellen Lichte auf der Straße und der angenehmen Temperatur in seinem hohen, luftigen Zimmer. Leicht gedämpft durch die herabgelassenen Storen fiel das Licht herein, ein mildes, grünliches Licht, bei dem man ungemein gut lesen konnte. Brand zündete eine Cigarre an, setzte sich auf seinen Sessel vor den Schreibtisch und nahm ein Buch, das aufgeschlagen neben der Mappe gelegen hatte, zur Hand: Möllhausens Reisen im Felsengebirge Nordamerikas.
Von Zeit zu Zeit unterbrach er seine Lektüre, um einen Blick nach der riesigen Weltkarte zu werfen, die über der Ottomane hing. Einen scharfen, durchdringenden Blick aus seinen grauen, tiefliegenden Augen, die von ihrer ungewöhnlichen Sehkraft noch nichts verloren, obwohl achtundvierzig Jahre verflossen waren, seitdem sie sich zum ersten Male aufgeschlagen hatten. Dabei zog er seine dichten Brauen zusammen, und auf der viereckigen Stirn entstanden zwei tiefe Furchen, die ihm einen klugen und strengen Ausdruck gaben.
Eine halbe Stunde verging. Die Thür des Salons wurde geöffnet, und Jemand trat ein. Brand wußte, ohne sich umzusehen, wer es war. Er kannte den festen und zugleich diskreten Schritt, den sein Diener sich hatte angewöhnen müssen, er kannte auch dessen Art, die Thüre zu öffnen und zu schließen. Wer hatte sie ihm denn beigebracht?
»Die äußere Klinke gefaßt, Du Waldmensch. Eins! – niedergedrückt: Zwei! – Thür auf! – Vorwärts, und die andere Klinke gefaßt: Eins! – niedergedrückt: Zwei! – Thür zu! –«
Diese Übung zehnmal nach einander durch drei Tage wiederholt, und ein ehemaliger Waldmensch war für den ganzen Rest seines Lebens befähigt, als ein Gesitteter unter Gesitteten zu erscheinen. Ist solcher Gewinn nicht der kleinen Mühe werth?
Peter Peters war also eingetreten. Ein weiteres Lebenszeichen gab er nicht. »Was willst Du?« fragte Brand nach einer Weile, ohne sich umzusehen.
Peter zögerte, seine Stimme war furchtbar gepreßt, als er sie endlich erhob, um seine »gehorsamste Mittheilung« vorzubringen.
Eigentlich wurde die Mittheilung hinterbracht, denn er sagte, was er zu sagen hatte, in seines Herrn Rücken, der ihm wohl auch imponirte, aber doch nicht so sehr wie seines Herrn Gesicht.
Wenn er gesehen hätte, was auf dem vorging, während er sprach, würde er seine Rede schwerlich zu Ende gebracht haben. Bestürzung, Zorn, Wehmuth spiegelten sich in den Zügen des erregten Mannes, um als sein Diener schwieg, einer rasch erkämpften, eisernen Ruhe zu weichen. Jetzt wendete er plötzlich den Kopf. Er, der Sitzende, der Kleine maß den flehenden großen Peter von oben herunter und sagte, die Ellbogen auf die Sessellehne gestützt, die Cigarre zwischen den Zähnen: »Heirathen СКАЧАТЬ