Название: Das Naturforscherschiff
Автор: Sophie Worishoffer
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Der Knabe sprang davon, um seinen Auftrag auszurichten; als aber die Gläser an einander klangen, da wurde doch die allgemeine Stimmung eine sehr ernste. Zwei Matrosen hatte der Sturm in den Wellen begraben, zwei trauernde Familien zuhause in Hamburg waren ihrer Söhne und Brüder beraubt; das trat erst jetzt, nun die Schrecken vorüber, mehr in den Vordergrund und verscheuchte die Heiterkeit. Auch vom Matrosenraum her erklang kein Singen und Lachen, wie es sonst bei Gelegenheit jeder Extraration von der immer gutgelaunten Schar angestimmt wird, der Kapitän hielt eine Ansprache, der noch Doktor Bolten einige ernste Worte beifügte, und dann wurde das sämtliche Eigentum der beiden Ertrunkenen fest versiegelt in die Kajütte gebracht, um mit der rückständigen Heuer an das nächste Hamburgische Konsulat abgeliefert zu werden. An diesem Tage kam keine rechte Unterhaltung mehr in Fluß, auch zum Arbeiten gelangte man nicht. In allen Ecken und Winkeln des Schiffes lagen ja die beweglichen Gegenstände über einander geschichtet; da mußte neu geordnet und aufgeräumt werden; das Verdeck glich einem Schlachtfelde. Die Fleisch- und Wasserfässer waren hinweggespült oder ihres Inhaltes beraubt worden, so daß sich der Kapitän Glück wünschte, mit beschleunigter Fahrt die Insel Fernando Po erreichen zu können.
Fernando Po läßt überall vulkanische Natur erkennen. Schon von weitem sahen die Reisenden den Pik gleichen Namens, welcher prachtvoll bewaldet in der Höhe von 3500 Fuß das Meer überragte; sowohl der Kapitän als auch Holm waren aber der Ansicht, daß ein Ersteigen dieses Berges wie überhaupt ein Aufenthalt von längerer Dauer ganz unmöglich sei. Die fünf Inseln im Guineabusen sind eben die ungesundesten Punkte des tropischen Klimas, weshalb auch Spanien die Insel Fernando Po als Deportationsort braucht. Das große Gefängnis sah wie ein dunkler Punkt aus der heiteren Umgebung hervor, mehrere Kirchen und Kapellen wurden bemerkbar, aber dennoch wohnen fast gar keine Europäer dort, weil die bösartigsten Hautkrankheiten fortwährend herrschen.
Ein Tierleben kennen die Inseln, soweit es Vierfüßler betrifft, fast gar nicht. Nur einige Affen leben auf den Bäumen, Schaltiere am Strande und außerdem verschiedene Vogelarten. Der Spaziergang war daher von keiner Gefahr bedroht, zumal die Eingebornen, die Aniyas, wie sie sich nennen, ein sehr scheuer, friedfertiger und verarmter Menschenschlag sind. Es lebt auf den zerstreuten Inseln nur eine verhältnismäßig sehr geringe Bevölkerung.
Aber schön wie im Paradiese war die Umgebung. Rauschende Wasserfälle stürzten sich über Felszacken herab, prachtvoll blühende tropische Pflanzen aller Art bedeckten die Ufer, und Höhlen und Gänge, tiefe Schluchten und schwindelnde Berghöhen entzückten das Auge. Die Knaben füllten ihre Botanisierkapseln mit den Blüten und Blättern großer Prachtlilien, des Papyrus, der Kommelinen, Datteln und der Killingia, sie sammelten ungestört Moose und Flechten, die duftigsten Kräuter, die verschiedensten Waldbeeren von schönem Purpur oder Hellrosa, – nur Menschen begegneten ihnen nicht.
»Gibt es denn hier keine Dörfer?« fragte Bolten den finster blickenden spanischen Führer. »Wird kein Feldbau betrieben?«
»Nichts!« war die Antwort. »In diesem Klima arbeitet niemand.«
»Ein trauriges Paradies!« setzte Holm hinzu. »Aber horch, ich glaube, es kommt jemand durch den Wald.«
»Das ist wohl möglich. Die Aniyas streifen überall herum und suchen Beeren.«
Wirklich erschien auch in diesem Augenblick die Gestalt eines Greises, der mit dem Weidenkorb am Arm Schwämme sammelte. Auf einen langen Stab gestützt, bot der Alte einen ebenso seltsamen als bedauernswerten Anblick. Ganz nackt, ohne jegliche Spur von Bekleidung, trug er auf dem Kopf ein korbartiges Gestell aus Weidengeflecht, über welches die grauen Haare nach allen Seiten hin künstlich zusammengedreht waren. Nadeln von Affenknochen, kranzartig gesteckt, hielten den Bau, und Schnüre von kleinen gelben Okerkugeln schlangen sich hindurch. Am Oberarm hatte der Mann ein hölzernes Stäbchen mit mehreren Schnüren befestigt, sonst war nicht einmal zum Schutz der nackten Füße irgend eine Vorrichtung getroffen, außerdem aber auch die Haut des ganzen Körpers mit einer Art Aussatz bedeckt.
Die Jammergestalt wollte schleunigst flüchten, aber auf Holms Wink ersuchte ihn der Führer noch zu bleiben und den Herren zu antworten. »Es soll dir kein Leides geschehen, Graukopf,« setzte er hinzu, »komm und sprich dreist.«
Der Wilde trat näher und bot den Fremden seine Schwämme. »Die Aniyas sind arm,« sagte er, »sie können den Weißen keine Gastfreundschaft darbringen; ihre Wohnungen bestehen aus einem Mooslager in der Felsenspalte und ihre Nahrung aus Waldfrüchten.«
Die wohlduftende Gabe wurde dankbar angenommen und dafür der Korb des Wilden mit Geschenken aller Art angefüllt. Holm fragte den Führer nach dem Grunde dieser auffallenden fast nirgends mehr gefundenen gänzlichen Nacktheit und erhielt zur Antwort, daß kein Eingeborner von Fernando Po jemals ein Kleidungsstück an sich dulden würde; vielfache Versuche in dieser Richtung seien bereits fehlgeschlagen, dagegen verwende man auf die Herstellung des Kopfschmuckes alle mögliche Sorgfalt. »Die Aniyas sind ein melancholisches Volk,« setzte er hinzu. »Der fortwährenden, hier heimischen Hautkrankheiten wegen glauben sie unter einem Banne zu stehen. Aber der Alte soll selbst erzählen.«
Und dann nach kurzer Rücksprache berichtete der Wilde folgende Tatsachen, die auf Fernando Po wie eine Art geschichtliche Überlieferung sowie eine Glaubenslehre gelten. »Die ersten Menschen lebten gesund und glücklich,« hieß es, »denn sie kannten noch nicht die Wohnung des großen Geistes, sie hatten noch nicht seinen Zorn herausgefordert und das Mißgeschick über ihre Häupter herangerufen. Schwämme und Beeren, Wurzeln und Früchte boten die Wälder, die See lieferte Fische und Muscheln, die Kinder meines Volkes wußten nichts von Krankheit oder Hunger. Da verleiteten die bösen Mächte, die in den finsteren Erdtiefen wohnen, einstmals einen der Aniya-Jäger, einem voraneilenden Affen über Felsspalten und durch verworrene Schluchten zu folgen, bis endlich ein grauenvolles, nur von zuckenden Blitzen erhelltes Tal sich vor ihm auftat. Der Affe verschwand plötzlich, der Weg wurde enger und enger, sonderbares, unbekanntes Getier flog und kroch über die Felsspitzen, und aus dem Winkel hervor trat ein Riese von übermenschlicher Größe mit schweren Waffen und einer furchterregenden Stimme. ›Was vermissest du dich, mein Reich zu betreten, vorwitziger Mann!‹ rief er. ›Das sollst du mit dem Leben bezahlen.‹
»Der Aniya-Iäger, welcher nicht wußte, daß der große Geist in Gestalt eines Riesen vor ihm stand, bereitete sich zum Kampfe. Im Anfang des Ringens schien es, als ob der Bewohner der Höhle siegen werde, dann aber traf ihn ein Schlag von dem Jagdspeer des anderen und streckte ihn zu Boden. Er sah zu seiner Rettung nur noch einen Ausweg, nämlich den der List. ›Ich bin mächtig,‹ begann er. ›viel mächtiger als du glaubst, Mensch, ich kann alle deine Wünsche erfüllen. Wähle dir, was du zu besitzen verlangst, aber laß mich frei!‹
»Der Aniya erbat sich nun eine ewige, nie wechselnde Fruchtbarkeit des Bodens, einen heiteren Himmel und schöne Blumen; er wollte Jagdglück erringen und kräftige Muskeln behalten bis in das höchste Alter; – alles bewilligte ihm der Riese und mußte zuletzt auch den Felsen gebieten, sich zu öffnen und den Fremdling ziehen zu lassen. Sobald aber dieser die unheilvolle Grotte im Rücken hatte, ertönte hinter ihm ein spöttisches Lachen. ›Ha, ha, ha, deine Haut hast du vergessen, kurzsichtiger Tor! Fortan soll dich jede Stunde daran erinnern, daß du dem großen Geiste eine Beleidigung zugefügt. Zieh hin, das Kra-Kra wird von deinem Stamm nicht mehr weichen.‹
»Und so geschah es,« schloß der Alte. »Mein Volk ist bis auf diesen Tag nicht wieder erlöst von dem Zorn des großen Geistes. Das Kra-Kra überfällt jedes seiner Kinder.«
Der Führer hatte Wort für Wort diese ganze Rede übersetzt; er schüttelte den Kopf, als Doktor Bolten entrüstet einer solchen Auffassung von dem Wesen des großen Geistes entgegentreten wollte. »Das nützt nichts, meine Herren,« versicherte er, »sie glauben es alle, Männer und Frauen, СКАЧАТЬ