Название: Das Naturforscherschiff
Автор: Sophie Worishoffer
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Woher werden wir die nehmen, da wir doch auf offener See sind?« fragte Franz.
»Wir fischen ein treibendes Stückchen Seegras auf,« sagte Holm, »und werden an demselben herrliche Formen finden. Fast überall, wo Feuchtigkeit ist, kommen Diatomeen vor, sowohl im süßen Wasser wie im Meere. Wenn wir einen Fisch fangen, so wollen wir seinen Mageninhalt untersuchen; namentlich sind die Schellfische große Liebhaber von Diatomeen, und ihr Magen ist in dieser Beziehung ein wahres Museum für den Forscher.«
»Da wird er viele Diatomeen zu sich nehmen müssen, ehe er satt wird,« meinte Franz lachend.
»Allerdings,« bestätigte Holm, »denn diese Geschöpfe sind außerordentlich klein. So z.B. besteht der Polierschiefer bei Bilin in Böhmen aus lauter abgestorbenen Diatomeen, deren unverwesliche Schalen feste Kieselsäure sind. Um einen Raum von einem Kubikmillimeter einzunehmen, müssen ihrer fünfzig Millionen zusammen sein.«
»Dann hat ein Fisch viel zu tun, um Jagd auf sie zu machen,« bemerkte Hans lachend.
»Wenn er jede einzelne Diatomee fangen sollte, würde er sich schwerlich bei Kräften erhalten,« erwiderte Holm lächelnd, »aber da dieselben meistens in dichten Kolonieen bei einander leben und auch an den Seepflanzen haften, die von manchen Fischen gefressen werden, so hat die Natur es ihm ermöglicht, sich bequem von diesen Geschöpfen nähren zu können. Die ungeheure Anzahl der Einzelwesen ersetzt die Größe und ebenso verhält es sich mit ihrer Vermehrung. Während das Elefantenweib alle drei Jahre nur ein Junges zur Welt bringt, hat eine Diatomee, wenn keine Störungen eintreten, in vierzig Stunden schon eine Nachkommenschaft von einer halben Million Urenkeln.«
»Wenn die Elefanten und Walfische ihnen dies Kunststück nachmachten,« warf Franz ein, »dann wäre in einem Jahr kein Platz mehr auf der Erde für andere Geschöpfe. Die Elefanten würden uns ins Wasser drängen und die Walfische aufs Land. Es ist doch gut, daß in der Natur nicht alle Geschöpfe mit gleichen Eigenschaften begabt sind.«
»Indem wir die Gesetzmäßigkeit in der Natur erkennen,« sagte Doktor Bolten, »sehen wir, daß ein weiser Schöpfer über uns und aller Kreatur wacht. Je tiefer der Menschengeist in die Natur eindringt, um so mehr erkennt er das Walten einer höheren Macht. Ob wir die Bahnen der Himmelskörper, der fernen Welten im weiten Himmelsraum verfolgen, ob wir die Diatomee im Wassertropfen in ihrer zierlichen Kleinheit bewundern, oder ob die Majestät der tropischen Urwälder uns mit geheimen Schauern erfüllt, überall fühlen wir die Größe des Schöpfers.«
Man wünschte sich gute Nacht, nachdem Holm den Knaben versprochen hatte, sobald die Gelegenheit sich darbieten werde, ihnen neue Wunder mit dem Mikroskop zu erschließen.
Während der Schlaf die Forscher zu neuer Tätigkeit stärkte, setzte das Schiff unverändert seinen Kurs fort, der Steuermann am Rade wachte für sie, bald nach den Sternen, bald nach dem Kompaß blickend, und so glich das auf dem Ozean dahingleitende Schiff der Erde selbst, die ihre Bahnen zieht, wie sie ihr ein höherer Lenker vorschreibt.
Drittes Kapitel
Vor der Nigermündung. Im Lande der Bonnyleute. Der Affenberg. Der Löwe. Getrennt von den Genossen. Die Nacht im Baume. Der Mandril. Die Rhinozerosse. Besiegt von den Moskitos. Die Büffeljagd. Wieder vereinigt. Heim zur »Hammonia«.
Lagos und der Golf von Benin lagen hinter der »Hammonia«, die Nigermündung war in Sicht. In dieses sumpfige, fast unbekannte Land, dessen Fieberklima bei längerem Aufenthalt für den Weißen tödlich ist und selbst von den eingebornen Negern kaum vertragen wird, sollte ein Vorstoß gemacht werden. Man wußte, daß das Land von einer Menge kleiner Stämme bewohnt wird, die zu den wildesten, niedrigst entwickelten der Neger gehören. Bei einigen geht sogar noch die Menschenfresserei im Schwange. Ein portugiesisches Handelsfahrzeug, welches Tauschverkehr mit diesen scheuen, wenig zugänglichen Stämmen trieb, fand man an der Sumpfküste vor Anker. Von seinen Matrosen wurden einige, welche bereits ins Innere gekommen und der Landessprache einigermaßen kundig waren, als Führer angeworben und mit ihrer Hilfe einige zwanzig Küstenneger als Träger und Leibwache gemietet.
Zunächst der Küste saß der Stamm der Bonny, oder wie sie sich selbst nannten, der Bonnyleute. Sie befanden sich augenblicklich wieder einmal in einem jener kleinen, niemals aufhörenden blutigen Kriege mit dem Stamme der Benin. Wie ein Fluch hängen diese Raub- und Mordfehden über dem schwarzen Erdteile, ein Stamm mordet den andern, die schwarze Rasse zerfleischt sich unter einander, teils aus Blutrache, aus Haß oder aus Gewinnsucht, der Besitztümer oder der Sklaven wegen.
Man nahm einerseits Herden und anderseits Sklaven weg, lieferte Schlachten und verbrannte ganze Dörfer; jedoch hatte sich der Krieg weit landeinwärts gezogen, es ließ sich also annehmen, daß die Gegend, welche dem Kriegsschauplatz fern lag, im Augenblick ungefährdet zu durchziehen sei.
Die wohlversehene Handapotheke, Waffen jeder Art, Lebensmittel und Decken, auch ein Dolmetscher, der die Bonnysprache redete, wurden mitgenommen, und so ausgerüstet machten sich die Weißen auf die Reise nach dem unteren Niger, um den berühmten Affenberg, wo wenigstens fünf- bis sechstausend dieser Tiere ihren Wohnsitz haben sollten, aus der Nähe zu sehen. Das Unternehmen hatte bedeutend größere Gefahr als die früheren, aber es versprach auch reicheren Lohn, namentlich was die Kenntnis von Natur und Bewohnern dieses fast unbekannten, nur selten von einem portugiesischen Händler betretenen Landes betraf.
Man erreichte das erste Bonnydorf. Die Eingebornen gewährten den Fremdlingen bereitwilligst Unterkunft, und so blieben zwei der weißen Führer zur Beaufsichtigung des Gepäcks im Dorfe zurück, während die übrige Reisegesellschaft weiterzog. Obgleich die Küstengegend viel mehr den Charakter eines unwegsamen Sumpfes als den eines festen Landes trug, so zeigte sich das wenig erforschte Binnenland doch an Pflanzen- und Tierformen ebenso reich, in der Wildheit seiner Bewohner ebenso gefährlich wie jenes früher gesehene Stück Afrika, in allen Beziehungen aber großartiger.
Ganze Trupps von gefesselten Sklaven und Kriegsbeute der Bonnys begegneten den Weißen, sowohl Männer als Frauen und Kinder, sogar Säuglinge, die, auf den Hüften der Mütter sitzend, von dem einzigen Bekleidungsgegenstand derselben, einem großen Wollentuch, gehalten wurden. An einer langen Stange, die sie auf den Schultern trugen, gingen mit zusammengeschnürten Händen die unglücklichen, total nackten Geschöpfe zwischen den triumphierenden Gestalten ihrer Besieger, den weißgekleideten, mit langen Wurfwaffen versehenen Bonnyleuten; sie kannten ihr Schicksal und hatten sich offenbar vollständig in dasselbe ergeben, wie denn überhaupt zwei Dritteile aller Bewohner Afrikas ihr lebelang Sklaven bleiben, ganz einerlei ob unter der menschlicheren und zuweilen sogar guten Behandlung der Weißen oder der schlechten ihrer eigenen Landsleute. Sie kennen nichts anderes und haben sich in ihre Lage von jeher gefunden.
Im Gebiet der räuberischen, aller Kultur entfremdeten Benins, wo noch Menschenopfer und sogar noch Menschenfresser angetroffen werden, machte man nach einigen Tagen mühseligen Marsches Halt. Weiße Leute waren hier nie gesehen, die Dorfbewohner drängten sich zusammen, und eine Frau flüsterte halb ängstlich, halb erwartungsvoll ihrer Nachbarin zu: »Ob man diese Tiere essen kann?«
Die Führer übersetzten das Gehörte und erregten dadurch begreiflicherweise die ausgelassenste Heiterkeit. Das ganze kleine, ärmliche Dorf wurde für mehrere Stunden in Beschlag genommen und Land und Leute aus der Nähe besehen.
Man blieb hier zur Nacht, um am folgenden Morgen den Affenberg zu besichtigen. Hunde, Schweine, Enten und Gänse durchzogen herdenweise die Straßen zwischen den Hütten, Affen kletterten auf allen Zweigen, und von Krokodilen wimmelte die ganze Gegend. In den sumpfigen Niederungen des Flusses lagen sie halben Leibes am Ufer, grauen, verwitterten Baumstämmen gleich, zuweilen die ungestalteten Rachen mit den gräßlichen Zahnreihen lauernd geöffnet, in unzählbarer Menge. Der Führer СКАЧАТЬ