Название: Der beiden Quitzows letzte Fahrten
Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Wir finden nach Lehenrecht vierzehn Tage und sechs Tage, ausgenommen verbundene Tage, als da sind Sonntage und Feiertage, und daß nicht Irrnisses und Zwiespruch darin geschehe, soll die Ladung geschehen mit des Richters Briefe und zwei ehrbaren Mannen unsers Herrn, und Ihr, Herr Richter, habt nach Urtheil und Recht den Tag zu setzen und den Ort zu benennen.«
»So setze ich denn den Tag auf den Freitag nach des heiligen Leichnamstag nächstkommend, und den Ort zu Berlin.«
»Ich habe,« schloß nun der Ankläger, »meines Herrn Recht und Zuspruch zu Lehenrecht bei aufsteigender Sonne angehoben und bis zu niedersteigender Sonne lange nach Mittage gewartet. Habe ich dem Rechtstage zu Lehenrechte genug gethan?«
Zwei Schöppen verließen die Bank, um die Sonne zu beobachten, und brachten die Nachricht, daß sie sich tief neige, worauf ihm gesagt wurde, er habe dem Rechte genug gethan. Darauf wurde das Gericht aufgehoben. —
Wie schon gesagt, erregte dieser Prozeß das ungeheuerste Aufsehen weit über die Marken hinaus. Die Freunde der Ordnung und öffentlichen Sicherheit, welche wohl einsahen, daß dem Lande unter der weisen, strengen und gerechten Regierung Friedrichs eine bessere Zukunft erblüht, freuten sich der Energie, mit welcher er das einmal ergriffene Scepter führte und dies begonnene schwere Werk fortsetzte, Diejenigen aber, denen sein Streben nach Aufhebung des Faustrechtes und der Vergewaltigung im Wege stand und Schaden zu bringen drohte, knirrschten ingrimmig mit den Zähnen; und da ihre Macht wenigstens in der gegenwärtigen Zeit zu einem offenen Widerstande nicht hinreichte, so machten sie wenigstens eine Faust im Sacke, hielten wortreiche aber fruchtlose Berathungen, zogen sich mit ihrem Wesen und Treiben aus der Oeffentlichkeit mehr und mehr in die Verborgenheit zurück und warteten nur auf den günstigen Augenblick, um dem fremden Eindringling, wie sie den Markgrafen nannten, die Kraft ihrer Fäuste fühlen zu lassen und ihn aus dem Lande zu jagen.
Das Benehmen Werners von Holzendorf seinem Freunde und langjährigen Waffengefährten Dietrich von Quitzow gegenüber hatte nicht nur die vollständige Billigung der widerstrebenden Adelspartei, sondern selbst die Freunde des Markgrafen mußten sich sagen, daß er gehandelt habe, wie es einem treuen Verbündeten gezieme. Er hatte Alles, was er besaß, redlich auf das Spiel gesetzt, um sein ritterliches Wort zu lösen, und besaß die Theilnahme des größten Theiles der Bevölkerung. Und diese Theilnahme ward um so größer, als ein jeder Verständige einsehen Mußte, daß das Urtheil des nach Berlin verlegten Gerichtes, dem er unter den gegebenen Verhältnissen unmöglich widerstehen könne, ihn unbedingt in den Verlust seiner Güter und Besitzungen erklären werde. Doch sah man sehr wohl nicht nur die Nothwendigkeit, sondern auch die Gerechtigkeit dieser Maßregel vollständig ein und hegte die Hoffnung, daß die allbekannte Milde und Freundlichkeit des Fürsten die Härte des Augenblicks später nach Kräften lindern werde.
Aehnliche Gedanken hatten auch die beiden Männer, welche am Tage nach dem Lehngerichte auf der Straße von Spandau nach Brandenburg dahinritten und die gestrigen Ereignisse zum Gegenstande ihrer Unterhaltung gemacht hatten. Es war Hans von Uchtenhagen, welchen wir in dem Kreise der Schöppen bemerkt haben, mit seinem jüngeren Bruder Karl.
Der Erstere wurde trotz seiner Jugend zu den hervorragendsten Rittern des Landes gezählt, und der Letztere versprach, ihm in Allem ein würdiges Ebenbild zu werden. Von jeher schon hatten sich die Uchtenhagens eines ausgezeichneten Rufes erfreut; die Mannen ihres Geschlechtes hatten bei allen großen und eingreifenden Ereignissen stets mit an der Spitze gestanden; reich an Tugenden und Ehren, waren sie immerfort bemüht gewesen, ihrer ruhmreichen Vergangenheit eine gleich glänzende Zukunft anzureihen, und weit über die Grenzen des Landes hinaus erklang bei Mahnruf und Ritterschlag das Wort: »Steh’ fest und werde wie ein Uchtenhagen!«
Hans war von untersetzter, breitschulteriger Figur und bot in seiner graden, strammen Haltung, mit den scharfen, blitzenden Augen und links und rechts weit über das gebräunte Gesicht hinausragendem Schnurrbarte einen gar stattlichen, achtungweckenden Anblick. Karl war schlanker gebaut als er; noch keimte der männliche Bart nur als leichter Flaum auf seiner Lippe, und in seiner Haltung und seinen Bewegungen lag etwas Weiches, welches auch mit der gewohnten Milde seiner Redeweise vollständig harmonirte; doch wer ihn deshalb für einen Knaben gehalten hätte, der wäre mit seinem Urtheile auf einem sehr großen Irrwege gewandelt und hätte sich vielleicht damit gar die Veranlassung zugezogen, seinen Irrthum schwer und bitter zu bereuen, denn der junge Mann war gar schnellen und kühnen Sinnes, hatte sich schon öfters als tüchtiger Kämpfer gezeigt und bei solchen Gelegenheiten stets bewiesen, daß sich mit der Gewandtheit und elastischen Ausdauer seines Körpers ein Scharfblick und eine Geistesgegenwart vereine, welche Schreck, Furcht und Angst bei ihm zur Unmöglichkeit machte.
Mit fröhlichem Sinne trabten sie neben einander dahin und die Wechselrede flog gar rasch und lebendig herüber und hinüber. Sie fühlten gegenseitig eine wahrhaft brüderliche Liebe zu einander, und es gab keine Regung des Herzens und keine Richtung des Gedankens, welche der Eine vor dem Andern hätte verbergen können. Darum vermochten sie nicht lange schweigend neben einander zu sein, und unter dem Reize des Gespräches verging eine Stunde nach der andern. Schon hatten sie Wustermark und Tremmen hinter sich und bogen nun in die Richtung auf Zachow ein, welche sie in die dichten Waldungen führte, die zwischen der Havel und den sich von Plaue bis nach Bähnitz erstreckenden Seen liegen.
Die Brüder hatten sich mit ihrem Ritte nicht sehr beeilt, und zudem war ihnen durch die für die Pferde so nothwendige Ruhe so viel Zeit verloren gegangen, daß es jetzt stark zu dunkeln begann und sie sich auf eine nächtliche Irrfahrt gefaßt machen mußten. Damals waren die Fluren Deutschlands noch lange nicht der Kultur unterworfen, welche in der jetzigen Zeit Thal und Hügel ebnet, Gebirge übersteigt, Flüsse und Seen überbrückt, Sümpfe austrocknet und die unwegsamste Wildniß nach und nach in ihren segensvollen Bereich zieht, sondern die menschlichen Wohnstätten lagen weit auseinander, und waren sie durch Wege oder Straßen verbunden, so durfte man doch an die letzteren nicht den jetzt gewöhnlichen Maaßstab legen. Ein Ritt des Nachts durch eine von Flüssen, Sümpfen und Morästen eingefaßte und durchzogene Gegend war kein ganz gewöhnliches Unternehmen, und ein Jeder, der sich diesem nicht entziehen konnte, sah sich zur Vorsicht und Aufmerksamkeit veranlaßt.
Die Unterhaltung war verstummt; man hatte auf sich selbst und die Umgebung Acht zu geben, und die Sinne mußten angestrengt werden, um jede Gefahr schon im Nahen zu erkennen und ihr gerüstet gegenüber zu treten. So ging es schweigend vorwärts; die Zeit dehnte sich lang und immer länger und fast wollte den Reitern nun die Geduld ausgehen, als ihre Aufmerksamkeit plötzlich durch ein Ereigniß in Anspruch genommen wurde, welches alle ihre Kräfte in Beschlag nahm. Es verbreitete sich nämlich mit einem Male ein glänzender Lichtschein um sie her, und zu gleicher Zeit flog ein Reiter an ihnen vorüber, dessen Nahen sie weder vorher gesehen, noch sonst auf irgend eine Weise bemerkt hatten. Er saß auf einem dunklen Rosse, dessen lange Mähne sich im Fluge wie eine Fahne nach hinten legte, ein langer Mantel wehte gespenstisch von seiner Schulter, und ein Strahlenmeer ging von ihm aus über die Umgebung hin. Schnell wie der Gedanke war er aufgetaucht und schnell wie der Gedanke war er wieder verschwunden – woher und wohin, es war nicht zu sagen, auch hatten die beiden Männer keine Zeit, darüber nachzudenken, denn das Pferd des älteren Bruders war durch das Erscheinen der helldunklen Gestalt scheu geworden, hatte dem für den Augenblick fassungslosen Reiter die Zügel entrissen und jagte nun in rasender Eile über Stock und Stein mit ihm dahin.
Karl konnte natürlich nichts Anderes thun, als auch sein Thier zur möglichsten Eile anzutreiben, um Hans nicht aus dem Auge zu verlieren, doch war dieses Bestreben vergeblich, denn bald war der Letztere im Dunkel der Nacht verschwunden, die Hufschläge seines Pferdes verhallten, und der Nachfolgende sah sich außer Stande, ihn einzuholen. Er zügelte also den Lauf seines Gaules und ritt in langsameren Schritten weiter. Er gab die Hoffnung, den Bruder wieder zu finden, keinesweges auf; dieser war ein sehr guter Reiter und hatte gewiß Alles gethan, sich vor einem Unfall zu bewahren; ein Sturz vom Pferde ist zwar nie ungefährlich, war aber schon so oft glücklich überstanden worden, daß СКАЧАТЬ