Название: Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas
Автор: Balduin Mollhausen
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Der Indianer war unterdessen kriechend bis in die Mitte des Hofes gelangt, wo dichte Klettenbüsche ihn verbargen, als ein zweiter Kopf sich aus dem Maisfeld schob, der, nach dem Haus hinüberblickend, meiner Frau ein gräßlich bemaltes einäugiges Gesicht zeigte. — Da sie mein früheres Zusammentreffen mit einem auf diese Weise gezeichneten Indianer kannte, so wurde ihr Entsetzen jetzt noch gesteigert; doch mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft vermochte es die treue Mutter, ihre Gefühle zu unterdrücken. Es war ihr nicht fremd, daß das Erwachen des Kindes dieses in die Hände der Räuber liefern mußte, die sich an diesem Tag freilich nur das Stehlen von Pferden zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, aber auch gewiß nicht die Gelegenheit versäumt haben würden, ein weißes Kind mit zu ihrem Stamm zu bringen. In Todesangst also bewachte meine Frau mit der Büchse in der Hand den schlummernden Knaben, wobei sie durch den Türspalt die Bewegungen der Wilden beobachtete oder leise den Hunden drohte, die unruhig zu werden begannen.
Die beiden Indianer hatten sich vorsichtig den Pferden genähert; diese schnaubten anfangs wild und ungefügig, ließen sich dann aber ruhig den Lasso um den Hals schnüren und folgten willig den Räubern, die geräuschlos in das Bett des nahen Baches glitten und samt ihrer Beute hinter dem dichten Buschwerk verschwanden. Um nicht durch voreiliges Geräusch die Gefahr zurückzurufen oder die Aufmerksamkeit von vielleicht noch in der Nähe weilenden Indianern zu erregen, veränderte meine Frau nicht eher ihre Stellung, als bis das Kind erwachte und nach ihr rief. Die Büchse fallen lassend, stürzte sie zu demselben hin, und schnell wie ein Gedanke war sie mit ihm ins Haus zurückgekehrt, hatte die Tür hinter sich verschlossen, und nun erst stellten sich die Folgen der Todesangst ein, der meine Frau so lange ausgesetzt gewesen war. Eine schmerzhafte Lähmung befiel ihren ganzen Körper, doch schleppte sie sich mit dem Kind und den Waffen noch auf den Hausboden, von wo aus sie durch die Öffnung im Dach die nächste Umgebung genau übersehen konnte. Erst gegen Abend, als das Vieh und hinter diesem unsere mutwilligen Söhne, um die sie ebenfalls in größter Sorge geschwebt hatte, heimkehrten, hielt sie die Gefahr für abgewendet; sie stieg hinab, öffnete das Haus und sandte mir sogleich den Knaben entgegen.
Trotz unserer großen Vorsicht waren mir und einigen meiner Nachbarn also wieder Pferde geraubt worden. Diesmal schloß ich mich den Nachsetzenden — und wie sich auswies, den vergeblich Nachsetzenden — nicht an; der Zustand meiner Frau bekümmerte mich zu sehr. Die Angst um ihr Kind hatte den Keim einer tödlichen Krankheit in ihre Brust gelegt, wodurch sie auf mehrere Wochen ans Bett gefesselt wurde; sie erholte sich zwar wieder etwas, doch nach vier Monaten ging der Fluch des Wilden an mir in Erfüllung, ich stand mit meinen fünf Söhnen am Sarg meiner braven, getreuen Lebensgefährtin. Ich begrub sie auf einer Schwellung der Prärie, die ich von meiner Haustür aus übersehen konnte. Um das Grab zog ich aus starken Pfosten eine Einfriedung, befestigte an derselben ein Brett, und da ich selbst nicht gut schreiben kann, so zeichnete ein Nachbar den Vor- und Zunamen meiner Frau auf dasselbe. Auch den Tag ihrer Geburt und ihres Todes ließ ich aufschreiben sowie einen schönen Spruch aus der Bibel. Ich bin kein Meister im Lesen, doch wenn ich jeden Morgen von meiner Hütte aus die Blicke nach der Ruhestätte meiner so braven Frau hinübersandte, dann las ich wie in einem Buch die Beschreibung der glücklichen Tage, die ich mit ihr verlebte, aber auch der Einsamkeit, in die ich durch ihren Tod versetzt war.«
Hier seufzte der alte Mann, rieb sich mit der Rückseite der gebräunten Hand die Augen und fuhr dann fort: »Nur noch einmal sah ich die Prärieblumen auf dem Grab blühen. Besorgt um meine Söhne, die schon anfingen, ihre Rachepläne zu schmieden, den Komantschen ewige Feindschaft gelobt hatten und dadurch sehr leicht hätten zugrunde gehen können, verkaufte ich eines Tages mein Eigentum an einen einwandernden Geistlichen. Die Sachen, von denen ich mich ungern trennen mochte, packte ich auf einen von vier tüchtigen Pferden gezogenen Wagen und trat dann auf der Gila-Straße die lange Landreise nach Kalifornien an. Seit Jahren bin ich nun schon hier, doch kann ich nicht verhehlen, daß ich vor meinem Ende noch gern einmal das Grab meiner Frau wiedersehen möchte; wahrscheinlich aber sind schon Häuser auf demselben und um dasselbe herum gebaut worden«, schloß mit rauher Stimme der alte Grenzbewohner seine Erzählung.
Der kranke Knabe, der, den Worten seines Vaters lauschend, so lange ruhig gelegen hatte, begann nun wieder zu klagen; ich untersuchte ihn und fand, daß von starkem Rheumatismus Knie und Lende angeschwollen waren. Ich riet daher zu einem Hausmittel, nämlich heiße Steine an die schmerzenden Teile zu legen, was auch wirklich etwas Linderung zu bewirken schien.
Viertes Kapitel
Der Santa-Clara-Fluß — San-Francisquito-Cañon — San-Francisquito-Paß — Der erste Schnee — Der Elisabeth-See — Spuren von Erdbeben — Das große Becken (Great Basin) — »Irish John« — Der Castecasee — Cañada de las Uvas — Fort Tejon — Ausflug nach dem Tularetal — Kern Lake — Kern River
Die Wagen langten endlich an, und herein traten meine vom kalten Wind durchwehten Gefährten, denen sogleich Platz vor dem Kaminfeuer gemacht wurde. Unsere Leute schickten wir mit dem Gepäckwagen voraus, mit der Weisung, im San-Francisquito-Cañon am ersten Wasser das Nachtlager aufzuschlagen. Wir selbst brachten noch einige Stunden in dem Blockhaus zu, und erst kurz vor Abend verließen wir Hearts Farm, von wo wir zuerst in ein breites, sandiges von Gebirgsketten eingeschlossenes Tal gelangten. Massenhaftes Treibholz auf der Ebene sowie in trockenen, sandigen Betten von Bächen bezeichnete uns den oberen Santa-Clara-Fluß, der an dieser Stelle nur beim Schmelzen des Schnees in den Gebirgen oder nach heftigen Regengüssen Wasser führt, zu anderen Zeiten aber, auf das Wasser zahlreicher Gebirgsquellen beschränkt, dasselbe streckenweise auf unterirdischem Weg der Südsee zuträgt, während auf der Oberfläche, in dem wirklichen Flußbett und den einmündenden aufgewühlten Furchen, der Wind trockenen Sand und Staub umherwirbelt.
In raschem Trab eilten unsere Pferde mit dem leichten Wagen über die acht Meilen breite Fläche gegen Norden; die Gebirgsketten rückten uns zu beiden Seiten näher, und bald befanden wir uns in dem Schatten einer sich schnell verengenden Schlucht, umgeben von nächtlicher Dunkelheit. Fast bereuten wir es, so lange bei dem alten Ansiedler gesäumt zu haben, denn zu der schwarzen Finsternis gesellte sich noch ein heftiger Sturm, der uns feinen Sand in die Augen trieb und die Pferde unlenksam machte. Wir fuhren an einer verlassenen Hütte vorbei und dann an einer anderen, aus der uns Licht entgegenschimmerte; doch hielten wir uns nicht auf, indem wir wußten, daß wir den rechten Weg nicht verfehlt hatten und im San-Francisquito-Cañon unmöglich an unseren Leuten vorbeifahren konnten. Endlich bog das enge Tal gegen Osten ab, ein fließender Bach durchschnitt mehrfach die Straße, die unebener und steiniger wurde, und bald darauf erblickten wir in geringer Entfernung vor uns die Kronen der Bäume sowie die nahen Felswände rot erleuchtet, während dichtes Unterholz das Feuer selbst noch verbarg. Wir erkannten indessen die fröhlichen Stimmen der Mexikaner; einzelne Lichtstrahlen brachen verstohlen durch das Gebüsch, und plötzlich befanden wir uns vor einem mächtigen Scheiterhaufen, um den sich unsere Leute gelagert hatten. Es war dies die erste Nacht, die wir im Freien zubringen sollten, und es gab daher manches zu suchen und zu fragen; auch die ungewohnte Arbeit des Aufrichtens der Zelte nahm längere Zeit in Anspruch, und so wurde es denn ziemlich spät, ehe wir uns in unsere Decken wickelten und vielleicht noch ein Weilchen das Geräusch in unserer Umgebung vernahmen, bis der Schlaf uns endlich alles vergessen machte. — Das trockene Holz in den Lagerfeuern knisterte, die harten Maiskörner knackten und krachten zwischen den zermalmenden Zähnen der Pferde, der Ziegenmelker ließ seine melancholischen Ruf ertönen, hoch oben im Gebirge aber heulte der Sturm seine wilde Melodie, im heftigen Andrang schmetterte er morsche Baumstämme zu Boden und fegte niedrig hängende Wolken über diese hin, während unten in der СКАЧАТЬ