Münchhausen. Karl Immermann
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Название: Münchhausen

Автор: Karl Immermann

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Euch ein Stück schreiben, namens »König Enzian«, ein Stück, dessen Perspektive nicht der Stern der Hoffnung über dem Grabe, nicht die Nacht des Tartarus unter den Füßen des hinsinkenden Frevlers, nicht die reinliche Entsagung der Wüste oder des Klosters sein soll, sondern eine Chambre garni im Felsen bei Zwielicht, oben mit einem Deckel versehen, worin der gähnende Mietsmann mit seiner gähnenden Geliebten bei hinlänglichem Essen und Trinken nichts zu tun hat, als Kinder zeugen, die bei der Geburt, anstatt zu schrein, auch schon gähnen. Wahrlich, wahrlich, ich sage Euch, es wird eine Krankheit über unsern Weltteil heraufziehn, geheißen die Cholera. Hin und her werden die Ärzte raten, woher das Miasma gekommen, welches die Seuche fortleitete, und man soll nicht erraten, daß es aus der Grube aufstieg, in welche ich den König Enzian verspündete. Wehe über dich Sand-Jerusalem, die du die Juden begünstigest, und kreuzigest immerdar die Propheten; du sollst zweimal die Cholera kriegen, weil du meinen »Enzian« so oft wirst haben spielen lassen! Ich will einundzwanzigmillionendreihunderttausend und einen halben Vers, folglich einen halben Vers mehr machen als Lope de Vega; alle sollen parallel nebeneinanderherlaufen, wie die lombardischen Pappeln zu beiden Seiten der Chaussee von Halle nach Magdeburg, und dieses Wunder soll nur von dem Wunder der Kühnheit übertroffen werden, womit ich versichern will, daß ich nie einen unschönen Vers verfertigt habe. Nicht durch Fehler und Ausschweifungen will ich die Bretter reizen; nein, ich will das Theater nivellieren, entnerven und abmergeln. Es soll aus meiner Feder nichts kommen, was selbst der Zensur von China verdächtig werden könnte, ich will ein völlig etatsmäßiger Poet werden, gleichwohl aber will ich von mir behaupten, ich sei durch große Geschichtsepochen, die von keinem Etat etwas wußten, zu Tränen der Rührung hingerissen worden, denn Klingeln gehört zum Handwerk. Wahrlich, wahrlich, ich sage Euch, es wird die Zeit kommen, da die Schauspieler meine Rollen im Schlaf abspielen, das Auditorium schläft, und der Kritiker Gottsched am folgenden Tage während seines Nachmittagsschläfchens eine Rezension in die velinpapiernen Blätter stiftet, worin er sagt, das neuste geniale Werk aus meiner unermüdlichen Feder habe das Publikum zum Enthusiasmus hingerissen. Mit einem Worte: Ich will Ich sein, und nur mir selber gleich!«

      Wie Isidor Wort gehalten hat, das wissen die blasierten Hofräte, Justizräte, Geheimen Sekretarien und Papierjuden von Sand-Jerusalem, aus welchen gegenwärtig das dortige Theaterpublikum allein noch besteht. Kein Mädchen schleicht sich mit einem Bande seiner dramatischen Werke »ernster oder komischer Gattung« (ich weiß nicht, warum er den bezeichnenden Ausdruck: Sorte, verschmäht hat?) frühmorgens oder gegen Abend in die duftende Fliederlaube hinten im Garten, wo das gelbe Nasturtium blüht, und der Convolvulus auf seinen Ranken den Falter wiegt und den goldgrün glänzenden Käfer, und liest sich an seinen Sachen heimlich-glühend in die Bekanntschaft mit ihrem pochenden Herzchen hinein; kein Student, der droben auf dem Weinberge am Flusse von seinem Jugendbruder Abschied nimmt, und mit ihm das Stammbuchblatt wechselt, schreibt einen Vers von Isidor hinein, keinen Künstler haben seine sogenannten Gestalten zu einem Bilde entzündet. Wer um sechs Uhr abends noch eine Spur von Stimmung in seiner Seele fühlt, ja, wer auch nur die Aussicht auf einen Robber Whist hat, der meidet das Haus, worin Isidor seine dramatische Suppenanstalt für Arme errichtet hat, und den Gottsched befriedigt, und die Blasierten von Jerusalem abfüttert. Es ist ihm gelungen, seine dämonische Drohung in Erfüllung zu setzen. Ja, sie dreschen nunmehr das dreimal gedroschene leere Stroh und worfeln die Spreu, die nicht einmal der Gastwirt Angely seinen vierfüßigen Gästen vorgesetzt hätte. Die Bühne kam nach dem etwas derben Ausdrucke der Jugend durch Isidor auf den Hund. Er, er hat es verstanden, wie man die Deutschen behandeln soll. Denn nicht durch Blitze des Genius ist diese sogenannte Nation zu entzünden — wie kann man nasse Wolle in Brand stecken? — sondern man muß immerfort dasselbe tun, es mag ausfallen, wie es will; dann sagen sie: »Der muß es doch verstehn.« Es ist ihnen überhaupt nur daran gelegen, daß das Inventarium in allen literarischen Wirtschaftsrubriken vollständig sei; denn sie sind gute Haushälter. Sie würden, wenn Hirsewenzel sich nicht gefunden hätte, auch einen zweiten Cronegk, oder Gellert oder Weiße wieder aufgenommen haben. Isidor, hundertmal abends kritisch totgeschlagen, feierte am andern Morgen seine Auferstehung mit drei neuen mittelmäßigen Stücken, die wie ein Echo die ihm vorgerückten Albernheiten wiederholten. Die Leute aber sagten: »Der versteht es, so muß man es machen.« Selbst der Heroismus erlahmte endlich an dieser Beharrlichkeit der Industrie; man ließ die Fabrik zuletzt spulen und schnurren, ohne ferner Eingriffe in ihre tranduftigen Räder zu versuchen. — Aber in die Walhalla kommt er doch nicht, wenn sie fertig wird und ihre Bestimmung behält, und nicht mit der Zeit vielleicht in ein Bräuhaus verwandelt wird. Der Graf von Platen kommt hinein, und der gehört auch hinein, trotz aller seiner Torheiten und Mißgriffe, aber Hirsewenzel kommt nicht hinein und schriebe er auch noch einundzwanzigmillionen Verse mehr. Doch ist es freilich noch ungewiß, ob er überhaupt sterben, und ob nicht vielmehr der Tod jedesmal einnicken wird, so oft er ihn sieht.

      Nun, Gott beßre das deutsche Theater!

      Melpomene sitzt, von der Szene verscheucht, unten im Keller, da wo die Arbeitsleute an den Versenkungen und Verwandlungen hantieren, der Dolch ist ihrer entkräfteten Hand entfallen und rostet im Moder, im Moder liegt die Maske, welche die gemeinen menschlichen Züge verschönernd bedecken soll; Schimmel überzieht dieselbe, und einer der Theaterarbeiter hat ihr die Nase platt getreten. Droben aber über ihrem Haupte, auf dem Podium, scharrwerkt der lärmende Emporkömmling mit seinen breitgerührten und doch hölzern gebliebenen Jamben. Ach, die Arme! Nicht einmal weinen kann sie mehr. Isidor hat sie mit dem Stockschnupfen angesteckt, und verlangt nun grausam spottend von ihr, sie solle Makuba schnupfen lernen, dadurch helfe er sich in allen Nöten.

      Das alles ist weltbekannt. Nicht so bekannt ist aber der Umstand, daß der Tragöde alle die Stücke, die seitdem wie ein nie versiegender Spülicht zwischen den Kulissen hervorgebrodelt sind, bereits während seiner Beschäftigung mit Zöpfen und Frisuren in müßigen Nebenstunden verfertigte. Ja, meine Freunde, er hat sie sämtlich auf den Vorrat gearbeitet; die Manuskripte lagen in seinem Haaratelier geordnet zwischen den übrigen Fabrikaten und Sachen, ungefähr so: ein Zopf; »die Erdennacht«, eine Perücke; »Genoveva«, Pomade; »Rafaële«, der Puderbeutel; »Die Schule des Lebens«, und so weiter. Daher es ihm leicht war, hernachmals den Markt von Sand-Jerusalem mit seiner Ware zu überführen.

      Doch meine Farben reichen bei diesem Bilde nicht aus und mein Pinsel ist zu stumpf; ich fühle das wohl. Solche tiefsinnige ästhetisch-poetische Seelenentwicklungsgemälde abzuwickeln, daß sie jedem so klar werden, wie baumwollnes Garn, müßte ich Hotho sein, der in den »Vorstudien des Lebens und der Kunst« an seiner eignen Geschichte »aufgewiesen« hat, daß man den »Don Ramiro« schreiben, an den ästhetischen Artikeln der Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, herausgegeben von der Sozietät für wissenschaftliche Kritik, mitarbeiten, und dennoch sich wichtig vorkommen kann.

      Man sang vor Zeiten, als Don Ramiro zur Welt gebracht wurde:

      Don Ramiro, Don Ramiro!

      Langes Leben spinn‘ dir Klotho;

      Rühmen werden dich die Weisen,

      Und dich lesen wird Herr Hotho.

      Ich ahme diesem Volksliede nach und singe:

      Don Ramiro, Grand zu Hotho,

      Du allein, du könntest schildern

      Hirsewenzels trag‘sches Werden

      Dir gemäß mit Hegels Bildern.

      Isidor näherte sich den sechs Gebrüdern Piepmeyer mit Kamm und Nadel bewaffnet. Er kniete nieder, lösete die Bänder, welche die sechs Haarwüchse fesselten, so daß sie in sechs Fluten von sechs Nacken herniederwallten, und nachdem er mit seinem Geräte in diesem Sechsgelock Ordnung gestiftet hatte, ging er daran, zu strählen und zu flechten.

      In diesem Augenblicke empfing er in seiner melancholischhumoristischen Weltanschauung die Gestalt des Till.

      Sie erinnern sich gewiß dieser wundersamen Figur, mit welcher unser damaliger Wachtfriseur, nunmehriger Dichter, so vielen genialen Spaß auszurichten СКАЧАТЬ