Название: Der Waldläufer
Автор: Gabriel Ferry
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Wahrhaftig, meine Herren«, sagte der Alkade, indem er sich gegen die Zeugen umwandte, »ich kann mir nicht erklären, welchen Einfall die Frau Gräfin von Mediana gehabt haben mag, um ihr Zimmer durch das Fenster zu verlassen, denn der Riegel der Ausgangstür, der von innen vorgeschoben ist, läßt keinen Zweifel an der Sache zu. Das ist Fraueneigensinn, und die Justiz hat nicht nötig, ihn zu erklären.«
»Es ist vielleicht darum geschehen, um dem Herrn Alkalden keine Quittung zu geben«, sagte ganz leise einer der Zeugen zu seinem Nachbarn.
»Doch noch eins!« sagte Cochecho, sich an Juan de Dios wendend. »Wie habt Ihr das Verschwinden der Gräfin bemerken können, da man doch nicht bei ihr eintreten konnte?«
»Das ist sehr einfach«, antwortete der Greis. »Die Kammerfrau hat zu der Stunde, wo sie sich gewöhnlich bei der gnädigen Frau einfindet, geklopft, und niemand hat geantwortet; sie hat stärker geklopft, und da sie noch keine Antwort erhalten hat, ist sie unruhig geworden und hat mich benachrichtigt. Ich habe geklopft, ich habe auch gerufen; und da ich nichts hörte, bin ich nach der Leiter im Garten gelaufen und habe durch dieses offene Fenster das Zimmer, so wie Ihr es selbst erblickt, gesehen.«
Als der Hausmeister seine Erklärung abgegeben hatte, sagte Cayatinta einige Worte zum Alkalden – leise genug, daß es niemand hörte. Aber dieser begnügte sich, die Schultern mit einer verächtlichen Miene zu zucken.
»Wer weiß«, erwiderte der Escribano bei dieser stummen Gebärde.
»Vielleicht«, antwortete der Alkalde; »wir wollen sehen!« Dann, nach einem Augenblick des Schweigens, sagte er: »Ich bestehe auf dem Glauben, meine Herren, daß, so sonderbar es auch scheinen mag, die Frau Gräfin die Freiheit hat, fortzugehen, wie es ihr gefällt; selbst durchs Fenster.«
Die Zeugen lächelten beifällig zu diesem Witz der Justiz.
»Aber Herr Alkalde«, rief der alte Juan de Dios, den der Witz des Alkalden Cochecho empörte, »diese zerbrochene Fensterscheibe, von der die Stücke hier auf der Erde liegen, beweist doch, daß ein gewaltsamer Einbruch der Schuldigen ins Zimmer stattgefunden hat.«
»Dieser alte Canelo will mich nicht frühstücken lassen«, brummte der Alkalde, der gern ein Ende gemacht hätte, seitdem er keinen Vorteil mehr aus dieser geheimnisvollen Sache zu ziehen erhoffte; »gewiß wird meine Mahlzeit kalt und Nikolasa ungeduldig. – Was beweisen denn diese Glasstücke?« antwortete er ganz laut. »Denkt Ihr denn, daß bei der Seebrise, die diese Nacht so heftig geweht hat, nicht in einem offenen Fenster, das heftig wieder zugeworfen wird, zwei oder drei Scheiben zerbrochen werden könnten?«
»Warum aber«, entgegnete Juan de Dios, »ist es gerade die Scheibe, die sich an der Seite des Drehriegels befindet? Man wird sie zerbrochen haben, um das Fenster zu öffnen!«
»Ach was da! Herr Don Juan de Dios«, schrie der ungeduldige Alkalde, der vor Wut in sein Rohr mit goldenem Knopf – das Zeichen seiner Würde – hineinbiß, »seid Ihr es, oder bin ich es, der hier das Recht hat, Fragen zu stellen? Wahrhaftig – es scheint fast, als ob Ihr mich eine lächerliche Rolle spielen laßt.«
Hier trat Cayatinta mit bescheidener Miene dazwischen. »Ich würde«, sagte er, »unserem Freund Canelo erwidern, daß, wenn diese Glasscheibe zu dem Zweck, den er andeutet, zerbrochen wäre, dies nur von außen hätte geschehen können; die Stücke würden also nach innen gefallen sein; und doch liegen sie hier auf dem Balkon! Es ist also der Wind, der es getan hat, wie der Herr Alkalde Grund gehabt hat, zu glauben. Es sei denn«, fügte er mit seinem falschen Lächeln hinzu, »daß es ein Bündel gewesen ist, das man unvorsichtig durch das Fenster geworfen hat, denn die Gräfin muß ihre Luftfahrt – nach der Zahl der Effekten zu urteilen, die sie mitgenommen hat – verlängern wollen, wie solches auch diese leeren Schubfächer beweisen.«
Der alte Hausmeister hatte seinen Kopf vor dem Beweis, der seine Behauptung umstieß, gesenkt und hörte die letzte Bemerkung Cayatintas nicht. Was diesen letzteren anlangte, so fragte er sich heimlich, ob er nicht vom Alkalden ein wenig mehr als die versprochene Belohnung als Preis dieses neuen Dienstes verlangen sollte.
Während der alte Diener der Mediana in schmerzliche Gedanken, die seine heiße Stirn verfinsterten, versunken war, näherte sich ihm leise der Alkalde. »Ich bin ein wenig aufgeregt gegen Euch gewesen«, sagte er zu ihm; »ich habe nicht genug auf den Schmerz, den ein redlicher Diener wie Ihr bei einem so unvorhergesehenen Schlag empfinden muß, Rücksicht genommen. Aber sagt mir: Ganz abgesehen von dem Kummer, den Ihr fühlen müßt – beunruhigt Euch nicht die Furcht vor der Zukunft? Ihr seid alt, folglich schwach und ohne Hilfsquellen.«
»Eben deshalb, weil ich alt bin, Herr Alkalde, und weil meine Zukunft, was mich betrifft, eng begrenzt ist, beunruhigt sie mich wenig. Aber mein Schmerz«, fügte der Diener mit einer Art Stolz hinzu, »ist rein von jeder Beimischung; die edle Freigebigkeit der gnädigen Herren von Mediana hat mich sogar in den Stand gesetzt, die wenigen Tage, die mir noch zu leben übrigbleiben, ruhig zuzubringen. Aber ich würde glücklich sein, die Gemahlin meines alten Herrn rächen zu können.«
»Ich billige Eure Gefühle«, erwiderte der Alkalde mit tiefgerührter Miene. »Ihr seid ein Mann, doppelt achtbar durch Euren Kummer … und durch Eure Sparsamkeit, Herr de Canelo.« Dann änderte er plötzlich den Ton und sagte: »Schreiber, bringt zu Protokoll, daß der hier gegenwärtige Don Juan de Dios de Canelo sich zum peinlichen Kläger aufwirft gegen die Räuber seiner Herrin; denn es läßt sich nicht mehr zweifeln, meine Herren, ein Verbrechen ist begangen worden, und wir schulden uns selbst – wir schulden diesem ehrenwerten Greis die Genugtuung, dessen Urheber zu finden und zu bestrafen.«
»Aber Herr Alkalde«, rief der bestürzte Hausmeister, »es ist mir niemals eingefallen, mich als peinlichen Kläger zu stellen!«
»Nehmt Euch in acht, alter Mann!« sprach Don Ramon mit feierlicher Stimme. »Wenn Ihr verleugnet, was Ihr mir soeben anvertraut habt, so würden erschwerende Beweise auf Euch lasten. Wie mir nämlich vor kurzem unser Freund Cayatinta bemerklich gemacht hat, würde diese Leiter, die Euch zur Ersteigung des Zimmers Eurer Herrin gedient hat, böswillige Absichten beweisen! Aber ich glaube, Ihr seid deren unfähig; bleibt also Ankläger, anstatt Angeklagter zu werden! Vorwärts, meine Herren, unsere Pflicht ruft uns hinaus; vielleicht finden wir unter diesen Fenstern Spuren, die zur Entdeckung leiten.«
Der arme Juan de Dios, der sich so unversehens zwischen den beiden Spitzen dieses Dilemmas befand, dessen doppeltes Resultat dasselbe sein mußte – nämlich die Plünderung des kleinen Vermögens, das sein Greisenalter erleichtern sollte —, senkte sein Haupt und nahm mit erhabener Ergebung die Stimme des Unrechts für die Gottes, indem er sich mit dem Gedanken tröstete, daß dieses letzte Opfer vielleicht noch seinen Herrschaften nützlich sein würde.
Keine Spur war am Fuß des Balkons – wie wir schon oben erwähnt haben – im Boden zurückgeblieben.
Man glaubte einen Augenblick, einen wichtigen Fang zu tun in der Person eines Mannes, der unter einer Felsenkrümmung eingeschlafen war. Es war Pepe der Schläfer. Plötzlich aufgeweckt und befragt, ob er nichts gesehen habe, bediente sich Pepe, der zum erstenmal seit langer Zeit seine Tasche nicht leer wußte, um alle Gefahr abzuwenden, eines Mittels, das von Anfang an einem so gierigen Menschen wie dem Alkalden gegenüber ganz außerordentlich erscheinen wird; er bat ihn nämlich, ihm einen Real zu leihen, um Brot zu kaufen.
Was war mit einem solchen Tollkopf zu tun? Der Alkalde richtete auch keine weiteren Fragen an ihn und ließ ihn sich nach Gefallen ermuntern. Man mußte also bis auf weiteren Befehl auf jede Nachforschung Verzicht leisten; man hatte ja auch genug getan, um die Kosten des Prozesses bis zur Summe der Ersparnisse des klagenden Teils zu erhöhen.
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